Nur wenige Serien sorgen für so viel Gesprächsstoff und hohe Einschaltquoten wie „Game of Thrones“. Bis die lang ersehnte fünfte Staffel im April bei HBO startet, liefern Telltale Games mit ihrem gleichnamigen Spiel etwas Überbrückungskost. Doch fruchtet das politische Machtspiel aus Intrigen, Verrat und Rache auch als Videospiel?


Achtung! Veränderte Review-Struktur

Bevor wir mit unserem Test beginnen, wollen wir zuvor auf unsere etwas veränderte Struktur hinweisen. Da bei „Game of Thrones“ die Geschichte und die Entscheidungen stark im Vordergrund stehen, wollen wir in diesem Review den Handlungsrahmen, das Gameplay und die Technik ohne Spoiler vorstellen. Danach folgt zu jeder Episode ein kurzes Fazit. Weiterführend gibt es dann einen Link zum ausführlichen Review jeder einzelnen Episode, in der wir dann auf die Handlungsentwicklung und Entscheidungen genauer eingehen. Wir haben uns bemüht, auf Spoiler zu verzichten. Allerdings muss jeder ein Stück weit für sich selbst entscheiden, ob er das Spiel vollkommen ohne Vorwissen angehen möchte.

Game of Thrones bisher nicht gesehen oder gelesen?

Telltale Games erzählen mit ihrer Adaption von „Game of Thrones“ zwar eine eigenständige Geschichte, die so nicht in den Büchern oder der Serie vorkommt, dennoch spielt sie während den Geschehnissen der Vorlage. Um genauer zu sein, setzen die Ereignisse im Spiel mit den schockierenden Ereignissen am Ende der dritten Staffel ein.

Das Spiel setzt hier ganz klar Vorwissen voraus. Die politischen Verstrickungen der Häuser und Beziehungen der Figuren werden vorausgesetzt und vom Spiel nicht weiter erläutert. In dieser Hinsicht macht es schlichtweg keinen Sinn, sich an „Game of Thrones“ zu wagen, wenn man nicht zuvor die Bücher gelesen oder zumindest die Serie gesehen hat. Nicht nur, dass man sehr starke Probleme bekommen würde, den Geschehnissen zu folgen; zeitgleich werden direkt zu Anfang Geschehnisse vorweggenommen, die den späteren Spaß an Buchreihe und Serie enorm trüben könnten. Unsere Empfehlung an alle: erst die Serie schauen oder Bücher lesen. Selbst wenn man großer Fan der Telltale Games-Spiele ist, macht es schlichtweg keinen Sinn und Spaß sich ohne Vorkenntnisse am Spiel zu versuchen.

Westeros – Wo Intrigen, Macht und Rache regieren

Eine letzte Spoiler-Warnung, bevor wir mit den Ereignissen am Ende der dritten Staffel einsetzen:

Im Mittelpunkt der Erzählung von Telltale Games steht das Haus Forrester, eine der vielen kleineren Familien in der Welt von Westeros, die in der Serie nicht thematisiert und in den Büchern lediglich am Rand erwähnt wurden.

Nach den Geschehnissen der Roten Hochzeit steht Westeros vor einer weitreichenden Wende. Nach der Ermordung des bisherigen Herrschers des Nordens Robb Stark, übernimmt das Haus Bolton die Herrschaft über den Norden. Das Haus Forrester stand bislang unter dem Schutz der Starks und sieht sich nun hilflos ihren ärgsten Feinden sowie den Boltons treu ergebenen Haus Whitehill ausgeliefert, nachdem Lord Forrester und sein Sohn Rodrick bei den Kämpfen der Roten Hochzeit ums Leben kamen.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die übrigen Familien-Mitglieder des Haus Forrester. Nach dem Tod seines älteren Bruders und Vaters wird der dritte Sohn Ethan zum neuen Lord ernannt. Die älteste Tochter Mira hingegen lebt am Hof von King’s Landing und dient der zukünftigen Königin Margaery als Dienstmädchen. Sie versucht ihrer Familie beizustehen und zugleich die Gunst von Cersei Lennister zu gewinnen, die ihre Familie als Verräter sieht, da sie den Starks treu ergeben waren. Eine weitere entscheidende Rolle spielt Garred Tuttle, ein Knappe am Hof der Forresters, der während der roten Hochzeit nur knapp mit seinem Leben davon kam. Nachdem er sich an zwei Soldaten der Boltons und Whitehills rächt, sorgt er indirekt für die missliche Lage der Forresters.

Game of Thrones in Miniatur-Form

Während Telltale Games sich mit „The Walking Dead“ nicht ohne Grund von den Vorlagen entfernte und eine eigene Geschichte erzählt, versucht man mit „Game of Thrones“, sich zwar im selben Handlungsrahmen zu bewegen, aber eine eigenständige Geschichte abseits der großen Ereignisse aus der TV-Serie zu erzählen. Das gelingt überraschend gut, ohne dabei die Hauptmerkmale der Vorlage zu vernachlässigen.

Das Spiel fühlt sich etwas wie „Game of Thrones“ im Miniatur-Format an. Wie in der Vorlage werden politische Entscheidungen getroffen, nur auf einer kleineren Ebene und mit geringerer Reichweite. Auch im Spiel kontrollieren Macht, Beziehungen sowie Intrigen über die politischen Geschäfte und über Leben und Tod. Durch den Wechsel zwischen einzelnen Figuren des Haus Forrester bleibt nicht nur das Gefühl aus TV-Serie und Büchern erhalten, sondern man beleuchtet die politischen Konflikte gekonnt aus mehreren Perspektiven. Auch wenn die Handlung auf einer deutlich kleineren Ebene stattfindet, bleiben die komplexen Strukturen innerhalb Westeros erhalten, was auch damit zusammenhängt, dass bekannte Figuren aus der Vorlage zwischendurch auftauchen. Wenn Tyrion, Cersei oder Margaery auftauchen, ist das nicht nur ein Zeichen dafür, dass gerade etwas wichtiges passiert, sondern auch ein Highlight, da ihre Charakteristiken und Verhaltensweisen erfolgreich beibehalten wurden.

Den Autoren ist hier ein sehr schwieriger Spagat gelungen. Die Geschichte steht selbstständig für sich und knüpft dennoch an die Vorlage an und reiht sich in den Kanon ein. Da die Geschichte zusammen mit George R.R. Martins persönlichem Assistenten Ty Franck verfasst wurde, bleibt zu hoffen, dass George R.R. Martin nicht plötzlich doch noch Pläne für die Forresters in seinen Büchern findet und die Geschichte von Telltale Games hinfällig wird.

Technik und Telltale: Dieselbe, alte Leier

Wenn es schon immer etwas an den Spielen von Telltale Games auszusetzen gab, dann sind es die technischen Mängel, die sich durch die Spiele ziehen. „Game of Thrones“ kommt zwar besser weg als beispielsweise „The Walking Dead“ und dennoch muss man sich damit abfinden, dass das Spiel hin und wieder stockt, Sound-Fehler auftreten oder sich die Ladezeiten zwischen zwei Abschnitten in die Länge ziehen. Wenn Telltale Games ihre Spiele irgendwann zur Perfektion bringen möchten, dann muss langsam eine neue Engine her. Doch auch optisch gibt es an „Game of Thrones“ etwas auszusetzen. Die Hintergründe wurden mit einem malerischen Aquarelleffekt versehen. Leider hat dies zur Folge, dass die Hintergründe oft unscharf wirken, was auch an einem deutlichen Kantenflimmern liegt.

Doch genug gemosert: Die Charakter-Modelle sind gut getroffen, besonders die der TV-Schauspieler. Die Synchronisation von „Game of Thrones“ ist ebenso auf gewohnt hohem Niveau. Für die auftauchenden Figuren aus der Serie, wie Tyrion oder Cersei wurden sogar die originalen Schauspieler verpflichtet. Auch alle anderen Synchronsprecher leisten hervorragende Arbeit und sorgen mit britischem Akzent für charakterliche Merkmale der Figuren.

Fazit zu Episode Eins: Iron From Ice

Die erste Episode „Iron from Ice“ sorgt für einen gelungen Einstieg in die Welt von „Game of Thrones“. Auch wenn viel Zeit in die Darlegung der Konflikte fließt, kann man nicht sagen, dass „Iron from Ice“ ereignislos wäre. Ganz im Gegenteil: Das Schachbrett wird immer wieder aufs Neue umgeworfen und man wünscht sich beinahe, dass etwas Ruhe in die Situation kommt. Das Ende der Episode zeigt zudem, dass die Autoren bei Telltale Games die Vorlage kennen und ihre Geschichte in Grausamkeit und Kompromisslosigkeit in keiner Weise nachsteht. Zum Ende von „Iron from Ice“ sind die Figuren platziert und alle Konflikte und Erzählstränge dargelegt, sodass den nächsten Episoden nichts im Weg steht.

» Zum ausführlichen Review der ersten Episode