Vor einigen Jahren waren die Point-and-Click-Adventure schon fast dem Untergang geweiht. Nur noch wenige Entwickler versorgten die Fans des Genres mit neuen Titeln. Doch vor knapp zwei Jahren konnte Telltale Games nach etlichen, kleineren Titeln endlich ihren bisher größten Hit feiern. Die Rede ist natürlich von „The Walking Dead“. Gegen Ende des letzten Jahres startete man die nächste Adventure-Reihe basierend auf dem Comic „Fables“ von Bill Willingham. Im folgenden Test wollen wir der Frage auf den Grund gehen, ob Telltale Games mit „The Wolf Among Us“ einen weiteren Hit in petto hat.

Achtung! Veränderte Review-Struktur

Bevor wir mit unserem Test beginnen, wollen wir zuvor auf unsere etwas veränderte Struktur hinweisen. In der Regel erklären wir in einem Testbericht erst die Geschichte, dann das Gameplay und am Ende die Technik. Da bei „The Wolf Among Us“ die Geschichte und die Entscheidungen stark im Vordergrund stehen, wollen wir zuerst den Handlungsrahmen, das Gameplay und die Technik ohne Spoiler vorstellen. Danach folgt zu jeder Episode ein kurzes Fazit. Dadurch wollen wir unsere Gedanken zu jeder einzelnen Folge weiter ausführen. Wir haben uns bemüht, auf Spoiler zu verzichten. Allerdings muss jeder stückweit für sich selbst entscheiden, ob man das Spiel vollkommen ohne Vorwissen angehen möchte.

Wie die Fabelwesen in unsere Welt kamen

Die Geschichte ist vor den Ereignissen aus Bill Willinghams Comic „Fables“ angesiedelt. Die Fabelwesen müssen ihr Heimatland verlassen, da dieses von einem großen Imperator eingenommen wurde. Als Zufluchtsort suchten die Wesen, die rechtzeitig fliehen konnten, sich New York aus und lebten seither getarnt vor den Menschen. Da man sie sofort erkennen würde, nutzen sie den sogenannten Glamour, um sich in eine menschliche Gestalt zu verwandeln. Wer diesen Zauber nicht bezahlen kann oder keine grundlegende menschliche Form hat, muss gezwungenermaßen auf die Farm. Dieser Ort gilt unter den Fabelwesen als Gefängnis. In der Rolle von dem großen, bösen Wolf Bigby sorgt der Spieler als Sheriff von Fabletown für Recht und Ordnung.

Telltale schafft es, die Grundstimmung der Geschichte aus den Comics perfekt in das Spiel zu übertragen. Diese sorgt im Spielverlauf für so viel Anspannung, dass man auch ohne die Zombies aus „The Walking Dead“ eine sehr düstere Atmosphäre erzeugt. Die Geschichte bleibt über die Episoden hinweg spannend und ist definitiv der stärkste Punkt von „The Wolf Among Us“.

Gewohntes Adventure-Gameplay mit unnötigen Mechaniken

Wer „The Walking Dead“ schon gespielt hat, der wird sich sofort auch in diesem Titel zurechtfinden. Das Spielgeschehen ist weiterhin in drei verschiedene Abschnitte unterteilt. Während der Erkundungsphase läuft der Spieler mit Bigby durch kleine Areale und untersucht die vorhandenen Gegenstände und Orte, die von Interesse sein könnten. In der Regel muss man alles einmal untersuchen, bevor die Geschichte fortgesetzt wird. Der Fortschritt ist auch sonst sehr schlauchig und man bleibt kaum stecken. Es gibt ganz selten kleine Rätseleinlagen, doch diese sind belanglos und innerhalb weniger Sekunden gelöst. Leider bleibt das Inventar komplett nutzlos. Regelmäßig werden Beweise in diesem aufbewahrt, wobei man sie weder ansehen noch in irgendeiner Form anwenden oder kombinieren kann.

Der großen Anteil nehmen auch die Action-Abschnitte ein. Meist muss man in Quick-Time-Events den angezeigten Knopf drücken oder mit einem Fadenkreuz zuvor auf den Angreifer zielen. Dies ist aus spielerischer Sicht genauso spannend, wie es klingt. Die Inszenierung ist jedoch stets mitreißend, sodass die Action spaßig bleibt, auch wenn diese Elemente nur selten verwendet werden. Höchstens zwei bis drei Mal pro Episode lässt Bigby seinem Ärger freien Lauf und haut mal ordentlich auf den Putz.

Viele Entscheidungen, doch wie viel steckt dahinter?

Für diese Elemente spielt man ein Telltale-Abenteuer in der Regel nicht. Das Wichtigste sind die Entscheidungen und die Dialoge. Diese nehmen den größten Anteil des Gameplays ein. Während den Gesprächen bekommt man immer wieder die Möglichkeit, in das Geschehen mit einem von bis zu viervorgefertigten Antworten einzugreifen. Dadurch kann und wird sich der Verlauf der Geschichte ein wenig ändern. Öfters wird oben links angezeigt, ob sich ein bestimmter Charakter das Geschehen merkt und gegebenenfalls später nochmal darauf zu sprechen kommen wird. Leider ist nicht immer erkennbar, wie Bigby am Ende den Satz wirklich aussprechen wird. Selbst wenn die ausgewählte Antwort sich zunächst nach einer netten anhören mag, gelingt es Bigby nicht selten, diese mit Schimpfwörtern aggressiver zu gestalten. Ein wenig mehr Transparenz wäre schön gewesen. Ebenso ist nicht erkennbar, wie viel man an der Geschichte mit seiner Entscheidung wirklich ändern kann. Trotzdem bleiben die Dialoge spannend und viele der Entscheidungen, die man unter Zeitdruck fällt, schwierig.

Es ist ein cleverer und sehr effektiver Weg von Telltale, den Spielern ein wenig Freiheit vorzugaukeln, wenn auch das Gameplay einen schlauchig durch das Geschehen zieht. All dies ist bereits aus „The Walking Dead“ bekannt, und der Titel war bekanntlich trotzdem für die Meisten das Spiel des Jahres. Soll heißen: „The Wolf Among Us“ ist eine gute Unterhaltung trotz des sehr linearen Aufbaus.

Technik

Mit jedem Spiel zeigt Telltale, dass sie aus ihren Fehlern gelernt haben. Während „The Walking Dead: Season One“ noch heftige Ruckler hatte und das Bild öfters hängenblieb, passiert dies bei „The Wolf Among Us“ nicht mehr so häufig. Zwar sind vereinzelte Einbrüche, vor allem in den Episodenrückblicken, vorhanden, jedoch stören diese bei Weitem nicht das Spielgeschehen. Der Stil bleibt bei dem Studio-typischen Cel Shading-Look. Außerdem schafft der Titel durch seine kühle Farbgebung eine besondere Atmosphäre. Während der Spieler bei anderen Titeln zumeist mit einer sehr braunen Umgebung vorlieb nehmen musste, verwendet Telltale hier eine Farbpalette von Blau über Magenta bis hin zu Rot. Durch die wechselnden Farbgemüter verändert sich auch die Stimmung der Charaktere. Wenn sie vor einer toten Figur stehen, wird die Umgebung zum Beispiel in ein kühles Blau getaucht. Zudem passen die Synchronstimmen sowie der immer präsente Noir-Soundtrack gut zum Geschehen und sind in keiner Weise kontraproduktiv.

An dieser Stelle sei noch einmal auf den ersten Abschnitt hingewiesen, da nun bei der Zusammenfassung der einzelnen Episoden gezwungenermaßen einige Handlungsstränge angedeutet werden.

Fazit zu Episode 1: „Faith“

Die erste Episode gibt einen perfekten Einstieg in die Welt von „Fables“. Ab der ersten Minute bekommt man viele Möglichkeiten geboten, den Verlauf der Geschichte zu ändern. Auch wer den Comic nicht kennt, wird ohne Probleme das Meiste verstehen. Eine angenehme Mischung aus Erkundungsabschnitten und Actionszenen zieht den Spieler sofort in seinen Bann und lässt ihn erst wieder mit dem schockierenden Cliffhanger los, der einen die Wartezeit bis zur nächsten Episode nur schwer ertragen lässt. Telltale zeigt mit der ersten Episode, dass sie verstehen, wie man einen Spannungsbogen aufbaut und einen in eine fiktive Welt einführt. Trotz dem im Gegensatz zu „The Walking Dead“ sehr humanen Thema ist man von der ersten Minute angespannt und darf schon zu Beginn schwierige Entscheidungen treffen. Viel besser hätte der Anfang nicht sein können.

Fazit zu Episode 2: „Smoke and Mirrors“

Wenn die erste Episode die Begrüßung vor einem Dinner war, dann ist die zweite Episode mit der Wartezeit auf das Essen zu vergleichen. Es fühlt sich im Vergleich ein wenig gestreckter an als zuvor. Es gab nur wenige wirklich schwierige Entscheidungen, was sich auch darin widerspiegelte, dass sich am Ende die meisten Spieler für dasselbe entschieden haben. Auch der Cliffhanger aus der ersten Episode wird eher mit einem „mhhh okay, alles andere wäre zu krass gewesen“ aufgelöst. Trotzdem bietet „Smoke and Mirrors“ einige gute Szenen, die einen stutzig machen und oft zeigen, dass auch bei Fabelwesen in unserer Welt nicht immer alles mit einem Happy End zu Ende geht. Die zweite Episode bleibt nichtsdestotrotz nach dem starken Einstieg ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Zudem ist sie die bisher kürzeste Episode, obwohl sie die längste Entwicklungszeit hatte. Da wurde wahrscheinlich oft an einzelnen Szenen herum geschraubt, sodass die eigentliche Idee ein wenig aus den Augen verloren ging.

Fazit zu Episode 3: „A Crooked Mile“

Nach eher gemischten Gefühlen ging es in die dritte Episode, die endlich wieder alles richtig macht und nichts mit der Misere zu tun hat, die die zweite war. Schon zu Beginn wird eine rührende Szene sehr abrupt, wenn nicht sogar, blutig beendet und man startet erstmal mit einem offenen Mund in die kommenden knapp zwei Stunden. Diese bringen weitere Szenen mit sich, die zeigen, wieso man noch über Telltale Adventures spricht. In einer sehr angenehmen Mischung bekommt man es mit vielen kleinen und großen Entscheidungen zu tun, die in sehr aufschlussreiche Dialoge gepackt sind. Bis zum packenden und wirklich sehr gut inszenierten Finale, in dem alle bisherigen Handlungsstränge zusammen kommen, wird man sehr gut unterhalten. Deshalb ist „A Crooked Mile“ bisher der beste Beweis, wieso man eigentlich „The Wolf Among Us“ spielen sollte: Eine sehr spannende Geschichte trifft auf das Telltale-System mit den Entscheidungen und entfaltet so einen interaktiven Krimi, der vergleichbare Titel trotz seiner Simplizität in den Schatten stellt. Spätestens ab der dritten Episode wird man gepackt sein und will am Liebsten sofort wissen, wie es weiter geht.

Fazit zu Episode 4: „In Sheep's Clothing”

Es war zu erwarten, dass die vierte Episode ein paar Gänge herunterschraubt und die Geschichte wieder etwas langsamer voranschreitet. Es ist der typische Aufbau eines Dramas: Der dritte Akt war der Höhepunkt und nun wird die Handlung im retardierenden Moment zurück gehalten und gestreckt. Genau so fühlt sich „In Sheep’s Clothing” an. Nach dem verheerenden Ende der dritten Episode muss man nun erst einmal den Rest der Geschichte langsam aufbauen. Dies spiegelt sich auch in den Entscheidungen wieder. In dieser Episode gab es im Grunde kaum Entscheidungen, die wirklich schwer zu fällen gewesen sind. Jedoch ist das Ende, das stark an einen Cliffhanger aus einer Drama-Serie erinnert, sehr gut gemacht und lässt einen weiterhin hoffen, dass die letzte Episode einen bombastischen Abschluss bieten wird.

Fazit zu Episode 5: „Cry Wolf”

Nach einer eher langsamen vierten Episode sollte uns nun mit „Cry Wolf“ der Höhepunkt bevorstehen. Trotz der vielen guten Szenen will der Funke nicht so richtig überspringen, und auch das Ende kann einen nicht packen. Jedoch darf man sowieso nichts mit abschließendem Charakter erwarten, da „The Wolf Among Us“ ein Prequel zu dem Comic „Fables“ ist. Die fünfte Episode zeigt zudem, was von Anfang an am Gameplay nicht stimmte. Wie schon bei „The Walking Dead“ wusste man nie so recht, wie viel sich nun an der Geschichte je nach Entscheidung ändern wird. Das wurde dieses Mal auf die Spitze getrieben, da oft verschiedene Stränge geboten werden, die immer zu einem einzigen Ending führen. Dies ist vor allem ärgerlich, wenn man bedenkt, dass jemand einen zweiten Durchlauf startet, in der Hoffung etwas Neues zu sehen.