Mit „Nioh“ erschien bereits jetzt ein heißer Anwärter auf den Game of the Year-Award. Doch obwohl der Titel viel neues mitbringt und durch seine eigenen Elemente überzeugt, kommt man nicht daran vorbei, ihn mit der preisgekrönten „Dark Souls“-Reihe sowie „Bloodborne“ zu vergleichen. Doch ist das Spiel tatsächlich nur etwas für Fans der vermeintlichen Vorbilder oder können auch Neulinge sowie diejenigen, die mit den Titeln von From Software nicht viel anfangen können, den Zugang zu „Nioh“ finden? Sebastian und Marco haben das Spiel bereits getestet und sind begeistert, obwohl der eine nie den Zugang zu den „Souls“-Titel finden konnte respektive der andere alle Teile gespielt hat. Deshalb soll heute die Frage geklärt werden, ob „Nioh“ nur ein aufpolierter Klon oder doch mehr ist.

Marco: Bevor wir mit dem Vergleich beginnen, sollten wir erstmal das Grundprinzip von „Nioh“ erklären. In dem Spiel übernimmt der Spieler die Rolle von William Adams, der durch eine Kette von Ereignissen nach Japan reist, um seinen sogenannten Guardian Spirit zu retten. Doch die Reise ist alles andere als einfach, denn bösartige Yokai sowie feindliche Soldaten blockieren seinen Weg und müssen besiegt werden. Dabei kann jeder Kampf tödlich enden, wenn der Spieler nicht genau aufpasst, und mit verschiedenen Kampfstilen, Waffen sowie der Möglichkeit, schnell auszuweichen, entsteht ein rasantes Gameplay, das vor allem in den Boss-Kämpfen absolute Perfektion fordert. Wer mehr über die Einzelheiten der Gameplays, der Strukturierung der Story in einzelnen Levels sowie die Feinheiten erfahren will, darf sich gerne unser Review zum Spiel durchlesen. Das mag sich erstmal wie ein leicht verändertes „Dark Souls“ anhören, wie sind denn deine bisherigen Erfahrungen mit der Reihe, Sebastian?

Sebastian: Wie bereits in der Einleitung erklärt, bin ich nicht gerade jemand, der von der „Souls“-Reihe begeistert war. Schon nach dem ersten Verlies in „Dark Souls“ habe ich entnervt den Controller weggeschmissen. Doch dann kam „Nioh” mit seiner Alpha und ich war noch mehr genervt. Wie hast du das Spiel damals empfunden und wie ist es jetzt?

Marco: Tatsächlich war es bei mir sehr ähnlich. Auch ich war nach dem ersten Verlies in „Dark Souls“ extrem genervt und war von der Alpha von „Nioh“ noch frustrierter. Der Unterschied liegt aber ganz klar, dass ich nach der genervten Phase einen gewissen Drang gespürt habe, es unbedingt nochmal zu versuchen. Die Spiele haben eine Kampfansage gemacht, und ich wollte auf keinen Fall aufgeben. Zugegeben, gerade die erste spielbare Version von „Nioh“ war alles andere als ein guter Einstieg, denn bereits zum Start waren die Gegner zu fies, und waren zu oft in der Überzahl, weshalb ich das Ende auch nicht erreicht habe. Das lag zum Teil aber auch daran, dass ich kurz zuvor „Dark Souls 3“ gespielt habe und der Umstieg extrem hart war. Was genau hat dich denn sowohl an „Dark Souls“ als auch der Alpha von „Nioh“ gestört?

Sebastian: Bis vor kurzem wusste ich es tatsächlich gar nicht so genau. Denn bei den meisten ist es ja der hohe Schwierigkeitsgrad, der einen sofort abschreckt. Ich persönlich spiele aber auch gerne mal Spiele von Platinum Games oder auch ein Ninja Gaiden aus dem Hause Team Ninja und die sind auch nicht gerade bekannt dafür, einfache Spiele zu machen. Jetzt aber wo ich Nioh über dreißig Stunden gespielt habe, weiß ich genau, was mir damals gefehlt hat: Die hohe Spielgeschwindigkeit und eine möglichst an die 60 FPS aneckende Performance. Vor allem letzteres mag etwas oberflächlich wirken aber der Action-Mode mit der zwar geringen Auflösung aber dafür hohen Framezahlen ergibt ein sehr butterweiches Gameplay, das man so bei einem Dark Souls oder Bloodborne noch nie hatte.

Marco: Die „Dark Souls“ Reihe darf man absolut nicht auf den Schwierigkeitsgrad reduzieren. Sie lebt halt davon, dass die einzelnen Kämpfe etwas langsamer sind, und je nach Spielstil kann das ganze sogar noch viel träger sein. Und gerade deshalb finde ich die Spiele so unglaublich intensiv, denn die Anspannung ist teilweise massiv, und das richtige Timing unglaublich wichtig. Aber ich kann auch verstehen, wenn das eben viele abschreckt, zudem ich die Technik nicht gerade das beste an den Spielen. Zwar lief „Dark Souls 2“ mit 60 FPS auf der PlayStation 4, doch gerade dieser Kontrast hat deutlich gemacht, wie viel besser sich das Gameplay mit einer hohen Bildrate macht. Bei „Nioh“ würde ich sogar so weit gehen und sagen, dass das ein zentrales Element ist, denn durch das allgemein hohe Spieltempo würde eine niedrige Bildrate den Spielfluss stören und das Spiel selber schlechter machen. „Bloodborne“ hat ja ebenfalls eine höhere Spielgeschwindigkeit, obwohl das noch immer nicht so schnell wie das Spiel von Team Ninja ist, doch hier hätte man sich ebenfalls eine höhere Bildrate gewünscht.

Sebastian: Also wir sind uns auf jeden Fall einig, dass Team Ninja in „Nioh” die eigene Identität für schnelle Action-Spiele eingebaut hat und dies auch ein Hauptargument für das Spiel ist. Aber die Vergleiche zu Dark Souls sind trotzdem nicht ohne Grund, denn auch neben dem Schwierigkeitsgrad findet man einige Parallelen, wie die Schreine oder auch das Amrita-System, die genauso wie die Seelen aus Souls-Spielen fungieren. Aber auch die von dir bereits erwähnte intensive Spielerfahrung ist vorhanden, da man nie vor Gefahren sicher ist, seinen nächsten Schritt planen muss, aber durch das schnellere Spielgefühl immer die direkte Kontrolle in jeder Situation hat.

Marco: Da stimme ich dir zu, würde aber sogar noch einen Schritt weiter gehen. Ohne „Dark Souls“ hätten wir niemals „Nioh“ in der Form erhalten, in der es erschienen ist. Das Waffen-Management ist auch ähnlich, das Verhalten der Rüstung kommt einem bekannt vor und sogar das nicht immer ganz offensichtliche System zum Aufleveln könnte man als Kopie abstempeln. Und obwohl man wirklich zahlreiche Aspekte auflisten könnte, bei denen man von einer dreisten Kopie sprechen kann, wäre das dem Spiel in keinster Weise gerecht. Denn während man spielt, kommt es einem nicht so vor, als ob die Entwickler die Systeme einfach übernommen haben. Es kommt eher darauf an, wie sie diese bekannten Eigenschaften mit eigenen Ideen verbunden haben. Von den einzelnen Leveln, die bewusst keine zusammenhängende Welt darstellen, über das Loot-System, das einen viel häufiger mit neuer Ausrüstung belohnt, bis hin zum eigentlichen Kampfsystem, alles fühlt sich frisch an. Und eben diese Eigenständigkeit dürfte so packend sein, denn während „Souls-Liebhaber“ es schätzen dürften, hier nicht nur einen Abklatsch zu erhalten, können Neulinge vielleicht gerade wegen diesen Neuerungen überzeugt werden.

Sebastian: Ich glaube gerade die Verbindung eines wirklich nicht schlechten Grundprinzip mit eigenen Ideen, die man so aus dem Genre zwar kennt aber nicht in dieser Form bisher verwendet wurden, konnten mich überzeugen. Aber auch die frischen Ideen bei dem Stamina-Haushalt gibt dem Gameplay einen ganz neuen Anstrich. Man kann durch gutes Timing und Skill einfach noch mehr herausholen und kommt auch ohne das beste Equipment gut durch das Spiel. Was mich aber letztendlich vom Spiel überzeugt hat, ist die Diversität beim Angreifen. Ich hab „Dark Souls” nicht weit gespielt aber ich bin mir sicher, dass das Kampfsystem bei weitem nicht so viel Abwechslung innerhalb der Waffentypen bietet, wie es eben „Nioh” macht. Jede Waffe spielt sich grundsätzlich in den drei Haltungen anders und jede davon hat ihren Sinn innerhalb des Kampfsystems.

Marco: Hier kann ich dir nicht unbedingt zustimmen. Ich würde zwar auch sagen, dass „Nioh“ aus jedem Waffentypen etwas mehr macht, dafür kommt bei „Dark Souls“ durch die sehr vielen verschiedenen Waffen Abwechslung zustande. Es macht trotzdem extrem viel Spaß, jede Feinheit der Waffe zu lernen, doch das durchwechseln und erlernen der Waffen ist ein wunderbarer Anreiz, der auch viele Stunden später noch immer viel zu bieten hat. „Bloodborne“ hat mir in der Hinsicht sogar noch besser als „Nioh“ gefallen, denn hier lässt sich jede Waffe nicht nur durch die Transformationen anders handhaben, sondern wird zu etwas komplett neuem. Dabei kann sogar während einer Angriffsreihe das Wechseln zwischen den Formen zum Sieg führen, was mich persönlich noch viel mehr gereizt hat als die unterschiedlichen Haltungen in Team Ninjas großartigem Spiel. Hingegen hat es mir hier besser gefallen, dass man durch Timing Stamina erhalten kann, während es bei Bloodborne „nur“ ein wenig Lebenskraft zurückgab, wenn man schnell angegriffen hat. Hier finde ich aber im Endeffekt beide Spiele im eigentlichen Kampfsystem zu unterschiedlich, um sie miteinander zu vergleichen, was definitiv dafür spricht, dass „Nioh“ alles andere als ein Klon ist.

Sebastian: Also kann man „Nioh“ deiner Meinung nach als eine Weiterentwicklung der „Souls”-Formel sehen, an der einiges gleich ist aber die Nuancen und Neuerungen das sind, was es zu einem eigenständigen Spiel macht?

Marco: Teilweise ja, aber das würde dem Spiel nicht ganz gerecht werden. Es nimmt sich eher ein paar Elemente, macht daraus aber etwas komplett neues. Eine Weiterentwicklung wäre es für mich eher, wenn es alles ein wenig verbessert, aber genau das macht es nicht, denn alles ist anders. Alleine auf das Gameplay bezogen, ist es für mich mehr wie ein Sprung von „Dark Souls“ zu „Bloodborne“, nur diesmal eben von letzterem ausgehend.

Sebastian: Für mich als kein Kenner der „Souls”-Reihe hatte „Nioh” dann letztendlich aber glaube ich die ähnlichen Gefühle ausgelöst. Die Übergänge zwischen Wut, Freude und Tränen sind manchmal fließend und genau das ist es, was die Faszination von beiden Seiten ausmacht. „Nioh” vereint so viele gute Gameplay-Mechaniken, macht daraus eine ordentliche Mischung und am Ende kommt ein Spiel dabei heraus, was ich so schnell nicht mehr vergessen werde. Egal wie viel „Souls” wirklich drin steckt, Team Ninja hat hier einfach vollkommen abgeliefert und für mich ganz persönlich ist es einfach mehr als ein Klon, der mit einer eigenen Identität sowie eigenen Ideen überzeugt.