Gwent: The Witcher Card Game dürfte allen ein Begriff sein, die im Meisterwerk The Witcher 3: Wild Hunt bereits die Karten auf den Tisch gelegt haben. CD Projekt RED möchte nun dem beliebten Minispiel einen größeren Raum bieten und startet damit den Frontalangriff auf das Genre der Sammelkartenspiele. Doch die Konkurrenz ist groß, allen voran Hearthstone: Heroes of Warcraft“ thront ganz oben auf dem Genreolymp. Armin und Tiago haben es sich als Veteranen nicht nehmen lassen, die Beta zu „Gwent: The Witcher Card Game“, die nun auch für PlayStation 4 verfügbar ist, zu analysieren.

Armin: Die „Gwent“-Beta ist vor kurzem auch endlich für die PlayStation 4 an den Start gegangen, nach dem sie ja für den PC und der Xbox One nun relativ lange verfügbar ist. Aber eins nach dem anderen: Tiago, als jemand, der mittlerweile mit dem Witcher per „Du” ist, erklär doch mal kurz und bündig, was „Gwent“ eigentlich ist?

Tiago: Klar. Spätestens seit den guten, alten „Final Fantasy“-Zeiten gehört es ja fast schon zum guten Ton, dass Rollenspiele ein kleines (Karten-)Minispiel mitliefern und so war es schließlich auch bei „Witcher 3“. Dort hatte man erstmals als völlig optionales Minispiel das Kartenspiel „Gwent“ eingeführt. Damals hieß es in der deutschen Version noch Gwint, allerdings hat man zu Gunsten eines einheitlichen Namens nun der englischen Variante den Vorzug gelassen. „Gwent“ ist ein Sammelkartenspiel, bei dem der Spieler seine eigenen Decks mit bekannten Charakteren und Monstern zusammenstellen kann. Da zwängt sich ein Vergleich zu „Hearthstone: Heroes of Warcraft“, „The Elder Scrolls: Legends“ und Konsorten ja förmlich auf, findest du nicht?

Armin: Wir sind ja beide große Fans des Genres und natürlich kommt man dann um einen Vergleich mit dem Genreprimus „Hearthstone: Heroes of Warcraft“ nicht herum. Während er sich ja als Blaupause den Quasi-Urvater „Magic: The Gathering“ zur Brust genommen hat, haben Spiele wie „The Elder Scrolls: Legends“ sich dann an „Hearthstone: Heroes of Warcraft“ orientiert. Umso spannender, dass „Gwent“ aber tatsächlich einen sehr eigenen Weg eingeschlagen hat und sich damit, sowohl in positiver, als auch negativer Hinsicht, von der Konkurrenz abhebt. Im Gegensatz zu den genannten Spielen, geht es bei „Gwent“ nicht darum, einen „Lebenspunktestand“ des Gegners auf Null zu setzen, sondern den höchsten „Spielfeldwert“ zu erreichen. Es gibt kein Mana, die Karten kämpfen nicht direkt gegeneinander, man spielt auch in einem „Best of Three“. Das ist ja dann doch alles etwas anders, als man es so kennt. Hat dir das eher zugesagt oder dich doch eher abgeschreckt?

Tiago: Ich weiß nicht so genau. Es ist einfach… anders. Wie du schon sagtest hat, „Gwent“ einfach so gut wie nichts gemeinsam, mit der alten „Magic: The Gathering“-Formel. Das war auf jeden Fall erst einmal eine Umstellung. In „Witcher 3: The Wild Hunt“, muss ich gestehen, habe ich das Tutorial zu „Gwent“ nur überflogen und daher nicht verstanden, sodass ich das Kartenspiel anschließend weitestgehend ignoriert hab. „Falsche Erwartungen“ und „Tutorial überfliegen“ sind eine etwas unglückliche Kombination. Tatsächlich hat Gwent aber ein paar interessante, strategische Einwürfe, wenn man es mit seinen Pseudo-Konkurrenten vergleicht: Obwohl ein Deck aus einer mehr oder weniger stattlichen Anzahl Karten besteht, zieht man davon nicht unbedingt alle in einem Spiel. Über alle drei Runden hinweg muss man mit der Starthand und den drei Karten, die man verteilt zu Beginn der jeweiligen Runden zieht, haushalten. Das hat Potential und man ertappt sich schnell dabei, wie man sich in der ersten Runde fragt: „Spiele ich jetzt doch noch die Geralt-Karte, oder hebe ich mir die für die nächste Runde auf?“ Schließlich muss man nur zwei von drei Runden gewinnen. In der Theorie könnte mein Gegenüber in der ersten Runde seinen Trumpf verpuffen lassen, wenn ich die erste Runde abgebe und ich könnte meinerseits in den folgenden zwei Runden den Vorteil haben.

Armin: Ja, tatsächlich, die strategische Komponente, in der man über alle drei Runden hinweg denken muss, ist etwas, das mir persönlich sehr gefallen hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Kartenspielen, ist der Glücksfaktor oder auch im Volksmund „RNG” genannt, deutlich zurück geschraubt. Im Grunde hängt dieser nur von der Starthand ab, alles andere hat man im wahrsten Sinne des Wortes selbst in der Hand – das ist für mich ein großer Pluspunkt. In „Hearthstone: Heroes of Warcraft“ können Spiele auch dadurch entschieden werden, ob man im Zufallsgenerator den passenden Ausgang erhält, oder eben nicht. Ferner gefällt mir natürlich auch das tolle, erwachsene Kartendesign und Artwork. Alles in allem wirklich ein schöner optischer Gesamteindruck. Wie gefällt dir die Ästhetik?

Tiago: Ich bin immer ein Freund von recht einheitlichem Kartendesign und das ist in „Gwent“ durchaus gut gelungen. Auch die Animationen geben dem ganzen noch einmal einen ästhetischen Zug, den man in „Hearthstone: Heroes of Warcraft“ fast schon vermisst, obwohl er doch eigentlich recht naheliegend ist. Abseits der beeindruckenden Artworks präsentiert sich Gwent jedoch angenehm schlicht und macht nicht wirklich mehr, als es soll, aber das finde ich persönlich in Ordnung – kein Schnickschnack eben. Passt auch durchaus zum Franchise, wie ich finde. Nur das Hauptmenü finde ich sehr seltsam aufgebaut. Es wirkt ziemlich leer und unnötig verschachtelt. Jetzt könnte man zwar damit argumentieren, dass „Gwent“ immer noch in der Beta steckt, andererseits hat sich hierbei auch seit Beginn der Beta auf dem PC nicht viel getan. Aber das ist nun wirklich meckern auf nahezu absurdem Niveau.

Armin: Fernab davon, ist „Gwent" leider auch vergleichsweise wenig interaktiv. Bei der Konkurrenz hat man einfach viel mehr Elemente und Möglichkeiten, in das Spielgeschehen einzugreifen, bei „Gwent“ sind diese deutlich weniger ausgeprägt. Insofern ist das Spiel wirklich am ehesten mit einem „Kartenspiel“ vergleichbar. Insgesamt bleibt es spannend zu sehen, ob sich „Gwent“ dauerhaft in diesem hart umkämpften Genre etablieren kann. Immerhin kann man von einer vergleichsweise großen Fanbase zehren, die bereit ist, in das Spiel dann einzusteigen, aber bei „Hearthstone: Heroes of Warcraft“ ist eben auch noch das Gesamtpaket. Der Kult um das „Warcraft“-Universum, laufende Erweiterungen, die eSports- und YouTuber-Szene und so weiter. Da sehe ich bei „Gwent“ eher schwarz. Wie sieht es bei dir aus? Wirst du den Fokus auf „Gwent“ richten oder bleibst du doch lieber bei altbewährtem?

Tiago: Nein, von Fokus wird da sicherlich keine Rede sein. Dafür sättigt „Hearthstone: Heroes of Warcraft“ einfach zu sehr meinen Kartenspiel-Appetit. Hinzu kommt dann leider auch die Plattform: Solche Kartenspiele spiele ich einfach gerne unterwegs, auf dem Smartphone oder Tablet. Als Pendler bieten sich da die Busfahtren einfach an. Wenn ich dann abends wieder zu Hause bin, vor dem Fernseher sitze und Zeit zum Spielen habe, wäre „Gwent“ dann sicherlich nur bedingt meine erste Wahl. Für Zwischendurch macht man aber sicherlich nichts verkehrt und wer weiß, wenn ich dem Spiel irgendwann doch nochmal mehr Zeit widme, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass ich mich etwas mehr darin verlieren. Zumal ich auch schon ein paar Charaktere gesehen habe, die ich bislang nur aus den Büchern kenne. War schon interessant.

Armin: Frage zum Abschluss: Wie bewertest du aktuell das Free-to-Play-Konzept? Sind deiner Meinung nach erste Anzeichen vom berüchtigten Pay2Win auszumachen?

Tiago: Da muss ich tatsächlich gestehen, dass ich da noch nicht ausreichend in der Materie stecke, um das ordentlich beurteilen zu können. In Sachen Fairness hat CD Projekt in der Vergangenheit aber sicherlich einige Punkte sammeln können und so mache ich mir da ehrlich gesagt nicht allzu viele Sorgen.

Armin: Ja, ich denke, noch ist das schwer abzuschätzen, aber aktuell hätte ich keinerlei Anzeichen dafür entdeckt. Bleibt zu hoffen, dass es fair bleibt.