Seit mehreren Jahren wird in der Videospielgemeinschaft davon gesprochen, dass sich die „Call of Duty“-Reihe festgefahren habe. Keine Innovation, abgedroschene Handlungsbögen und stetige Stagnation äußern die Kritiker. Fest steht jedoch, dass die „Call of Duty“-Formel Jahr für Jahr aufgeht, was sowohl mit der hohen Popularität der Reihe in der breiten Masse als auch der gewaltigen Inszenierung zusammenhängt. Passend mit den Next Gen-Konsolen startet Activision mit „Call of Duty: Ghosts“ eine neue Ableger-Reihe des Franchises. Die perfekte Chance um festgefahrene Elemente über Bord zu werfen? Definitiv. Wurde sie denn auch genutzt? Leider nein, würde ich sagen.

Superwaffen, Superfeinde und Supereinheiten

„Call of Duty: Ghosts“ spielt in einer düsteren, nahen Zukunft. Atomwaffen sind längst Geschichte. Mit der Raumstation ODIN steht den USA eine weitaus mächtigere Waffe zur Verfügung, mit der sie direkt aus dem Orbit kinetische Angriffe auf jedes beliebige Ziel der Erde ausführen und ganze Länder ausradieren können. Der Föderation, ein Zusammenschluss von südamerikanischen Ländern, gelingt es jedoch die Raumstation zu infiltrieren, gewaltsam zu übernehmen und schließlich die mächtige Waffe gegen ihren Schöpfer zu richten. Was bleibt, ist Verwüstung und Zerstörung, sodass das amerikanische Volk dazu gezwungen ist, sich in seine wenigen verbliebenen Städte zurückzuziehen, während die Föderation systematisch versucht, die amerikanische Bevölkerung vollständig auszulöschen.

Vor diesem Hintergrund wird die eigentliche Geschichte über die Ghosts-Spezialeinheit erzählt. In der Rolle des Soldaten Logan Walker trifft man im Spielverlauf auf die einzelnen Mitglieder dieser legendären Einheit, versucht die Föderation bestmöglich zu bekämpfen und muss sich zudem mit einem Ex-Mitglied der Einheit messen, das sich dem Feind angeschlossen hat.

Abstrus und zu dick aufgetragen

Die Geschichte von „Ghosts“ wirkt nicht nur so, sondern ist auch tatsächlich zu dick aufgetragen und stellt sich dadurch letztendlich selbst ein Bein. Superwaffen, totale Zerstörung, ein übermächtiger Feind aus dem Nichts und obendrauf noch der Genozid am amerikanischen Volk. Immer wieder wird noch einer draufgesetzt und mit Superlativen um sich geworfen, sodass grundlegende Fragen an die Handlung im Schatten dieses übertriebenen Handlungskomplexes verloren gehen. Welche Ziele verfolgt die Föderation? Wieso bauten die USA überhaupt eine derartige Superwaffe und gegen wen sollte sie eingesetzt werden? Fragen über Fragen, die den Spieler überfordern, aber im Verlauf des Spiels auch keine Antwort erhalten. Stattdessen erlebt man die primitive Geschichte der Ghosts-Einheit, die einem Action-B-Movie entsprungen sein könnte und in aneinander gereihten Schlauchlevels erzählt wird. Die typische „Call of Duty“-Manier, so wie wir sie eben kennen.

Folgen, schießen, weiterlaufen

Wenn man ein „Call of Duty“ gespielt hat, kennt man sie alle. Dies bewahrheitet sich auch im Falle von „Ghosts“, denn der Ablauf ist wie eh und je derselbe. In den Levels gibt es nur einen einzigen Weg, weicht man von diesem ab, stirbt man. Um das zu vermeiden, hält man sich am besten an seinen NPC, der vorprescht und stets den richtigen Weg kennt. So stolpert man von einer in die nächste Gegnerwelle, schaltet die Gegner aus der Deckung heraus aus und folgt wieder dem NPC. Da die Gegner-KI sich nicht nennenswert verbessert hat, fühlt sich das Prozedere oft und gerne wie an der Schießbude an: Abwarten bis die Gegner aus ihrer Deckung kommen und dann mit einem gezielten Schuss ausschalten.

Für mindere Abwechslung sorgen Einlagen, in denen man beispielsweise mehrere Kampfhubschrauber mittels Raketenwerfer vom Himmel holt oder auf der Flucht mit einem ferngesteuertem Scharfschützengewehr für Deckung sorgt. Es lässt sich nicht leugnen, dass dies alles meisterhaft inszeniert wird, aber wer mit der Reihe vertraut ist, wird sich von einstürzenden Häusern, abstürzenden Helikoptern und massenhaften Explosionen nicht mehr blenden lassen. Wie schon in den letzten Teilen wirkt die Kampagne wie eine Touristentour durch die gefährlichsten und explosivsten Kriegsgebiete der Welt und lässt dem Spieler keine Möglichkeit für alternative Vorgehensweisen.

Eine Ausnahme stellt eine der frühen Missionen dar, in dem der kampferprobte Schäferhund Riley mit an Bord ist. Üblicherweise kann der Schäferhund auf feindliche Einheiten angesetzt werden, um diese auszuschalten und wird dabei wundersamerweise inmitten des Kampfgeschehens niemals verletzt. In besagter Mission bewegt man sich jedoch direkt in der Perspektive Rileys voran und muss sich durch hohes Gras pirschen, um dabei unentdeckt die feindlichen Soldaten auszuschalten. Jedem sollte bewusst sein, dass auch das noch so gut trainierte Tier niemals dazu in der Lage wäre, so lautlos wie ein Sam Fisher zu töten. Wer sich an ein „Call of Duty“ wagt, sollte aber ohnehin mit keinem Realitätsanspruch erheben. Wer damit zurecht kommt, erlebt hier einen der unterhaltsamsten und abwechslungsreichsten Abschnitte des Spiels. Nach achtzehn Missionen ist die Kampagne schließlich abgeschlossen und was bleibt, ist der Multiplayer-Modus, dank dem die Reihe überhaupt so erfolgreich ist.

Der Squad-Modus: Die KI der Zukunft

Wie eh und je kommt der Multiplayer-Modus mit etlichen Spielvariationen daher. Sei es das klassische Team-Deathmatch, der beliebte Herrschafts-Modus oder der etwas ausgefallenere Modus Infiziert, in dem die Spieler nach und nach infiziert werden und die übrigen Spieler sich zusammenschließen und verschanzen müssen.

Am neuesten und zeitgleich spannendsten ist jedoch der Squad-Modus. Zunächst stellt man sich insgesamt vier Soldaten zusammen, die man mit eigenen Waffen, Perks und anderen Modifikationen versehen kann. Es empfiehlt sich ein möglichst ausgeglichenes Team zusammenzustellen. Rein theoretisch kann man aber auch genau so gut jedem der Soldaten ein Scharfschützengewehr oder eine Shotgun mitgeben. Wer für jede Situation aber richtig gerüstet sein möchte, der schaut, dass das Team gut ausbalanciert ist. Am besten empfiehlt es sich den Spielmodus Eins-gegen-Eins auszuwählen. Hier spielt man einen der zusammengestellten Soldaten, der Rest wird vom Computer übernommen und tritt gegen das Team eines anderen Spielers an. Das besondere: Die im Squad-Modus benutzte KI ist eine grundlegend andere als die der Kampagne und verhält sich Spieler-realistisch. Ein kurzes Beispiel: Wurde einer der NPCs schwer verletzt, rennt er weg und begibt sich in Deckung und wartet dort einige Sekunden ab, bis er sich wieder erholt hat, bevor er sich erneut ins Kampfgeschehen stürzt. Die Squad-Mitglieder treffen zudem nicht perfekt oder werfen sich auch mal auf den Boden, um ein geringeres Angriffsziel darzustellen – genau so wie es man bei anderen Spielern im Online-Modus beobachtet.

Der eigentliche Reiz des Squad-Modus liegt darin, dass man mit der Zeit herausfindet, wie man seine Team-Mitglieder unterstützen kann oder welche Ausrüstungen am besten zur gewählten Taktik passen. Im Gegensatz zu den klassischen Matches im Online-Modus kann man sich daher strategische Matches abliefern, ohne dass man sich mit anderen Spielern zusammenschließt und per Headset abspricht. Der Squad-Modus zeigt beeindruckend, wie eine gute KI funktionieren kann. Da stellt sich glatt die Frage, warum sie bisher lediglich im Squad-Modus und nicht im Einzelspieler-Abschnitt zur Verwendung kommt. Hoffen wir mal, dass der Squad-Modus eine Art Experiment darstellt und die eigene KI im nächsten Ableger dann übergreifend zum Einsatz kommt. Ob der Squad-Modus wirklich eine Alternative zum eigentlichen Online-Spektakel darstellt, lässt sich stark bezweifeln. Dafür merkt man den Gegnern einfach immer noch zu sehr an, dass eben doch nur eine KI und kein versierter Spieler dahinter sitzt.

Das Herzstück: Der Online-Modus

Im eigentlichen Online-Modus geht es wie gewohnt her: Für Kills und Siege erhält man Erfahrungspunkte, mit denen auch der Level des Spielers ansteigt. Genau so kann man bestimmte Herausforderungen erfüllen, um an neue Erfahrungspunkte zu gelangen. Doch statt wie in den vorherigen Teilen durch das Aufleveln neue Waffen, Perks und Streaks freizuschalten, erhält man in „Ghosts“ stattdessen Punkte. Diese können dann nach Vorliebe in die gewünschte Ausrüstung investiert werden. Wer eine bestimmte Waffenart bevorzugt, kann seine Punkte also ausschließlich in diese Klasse investieren und muss nicht ein bestimmtes Level erreicht haben, um den Zugang zu erhalten. Speziell erfahrene Spieler werden sich über diese Möglichkeit freuen und können von Anfang an sich entsprechend ihrer Vorlieben und Taktiken ausrüsten. Um die Macht der Perks einzuschränken, kann man nur eine vorgegebene Anzahl an Punkten verteilen. Die einfachen Perk-Ausrüstungen verlangen lediglich einen Punkt, die mächtigen hingegen fünf Punkte. Genau so verhält es sich mit den Killstreaks. Gelingt es einem fünf Kills in Folge zu erreichen, kann man beispielsweise einen Hund rufen, der dann treu ergeben ist und jeden Gegner in der Nähe attackiert – und das meist erfolgreich.

Die Kartenauswahl ist zufriedenstellend und abwechslungsreich. Sei es eine Schnee-Landschaft, eine Raketenbasis oder doch lieber eine post-apokalyptische Kleinstadt. Wirklich spektakulär ist jedoch keine dieser auf kurze oder mittlere Distanz ausgelegten Karten. Daran können auch die interaktiven Objekte nichts ändern, die mit „Ghosts“ eingeführt wurden, aber viel zu wenig Einfluss haben. Meist beschränkt sich das Feature auf schließbare Türen. Auf der Map Prison Break kann man immerhin einen Baum umwerfen und sich so eine nützliche Abkürzung schaffen oder einen Stapel Baumstämme ins Rollen bringen, um vorbeilaufende Gegner darunter zu begraben. Wer jedoch einige Runden online gespielt hat, wird merken, dass die wenigsten Spieler im Eifer des Gefechts Gebrauch von diesen Möglichkeiten machen.

Aliens sind die neuen Zombies

Den Abschluss des gewaltigen Umfangs von „Ghosts“ macht der Extinction-Modus. Dieser ist quasi das Äquivalent des berühmt berüchtigten Zombie-Modus. Doch statt Zombies bekämpft man in Extinction eine Horde von Aliens, die nach dem ODIN-Anschlag auf die Erde kamen. Mit bis zu vier Spielern muss man sich Gebiet für Gebiet vorarbeiten und dabei die Nester der Aliens mittels eines Bohrers zu zerstören. Dieser gilt beschützt zu werden, währen die Aliens mit allen Mitteln versuchen das Team an ihrer Mission zu hindern. Im Gegensatz zu den Zombies sind die Aliens flink und besonders in der Gruppe unheimlich gefährlich, was dazu führt, dass der Extinction-Modus von der ersten Runde an den Adrenalin-Pegel ansteigen lässt.

Für Abschüsse erhält man Punkte, die dann gegen neue Waffen, Munition oder andere nützliche Upgrades eingetauscht werden können. Wenn jemand lernen möchte, was Munitionsmangel wirklich bedeutet, sollte er unbedingt in den Extinction-Modus reinschauen. Ein volles Waffenmagazin mit 300 Schuss ist in diesem Modus von keiner Bedeutung, wenn dutzende von Aliens in Angriffslaune sind. Wer tatsächlich bis ins letzte Gebiet vorrücken möchte, muss sich mit seinen Team-Kollegen aufs genauste absprechen und Taktiken überlegen. Welche Taktik nun am effektivsten ist, sollte jeder für sich selbst herausfinden. Speziell im Splitscreen zu zweit vor dem Fernseher kann man etliche Stunden in diesen Modus stecken.

Technik

Auf der PlayStation 4 wird „Call of Duty: Ghosts“ in der vollen Auflösung von 1080p dargestellt. Die hohe Auflösung ist eine klare Bereicherung fürs Spiel, da sie nicht nur optisch etwas hermacht, sondern auch dafür sorgt, dass man feindliche Einheiten und Spieler viel besser wahrnimmt. Zusätzlich läuft das Spiel mit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde. Vergleicht man das Spiel mit den Versionen auf älteren Konsolen, wird man den höheren Detailgrad direkt erkennen. Dennoch: Wirklich beeindruckend ist „Ghosts“ auf der PlayStation 4 nicht, was man wohl auf die einfach veraltete Engine zurückführen kann. Sobald Activision und Infinity Ward mit einer neuen oder zumindest besser angepassten Engine arbeiten, dürften wir sehen, was die „Call of Duty“-Reihe tatsächlich aus der PlayStation 4 herauszaubern kann.