Krieg. Was bedeutet eigentlich Krieg? Stell dir vor du wärst völlig anders sozialisiert und bist in Sachen Friedenserziehung, die auch irgendwo den Umgang mit Kriegen lehrt, lediglich durch Videospiele in Kontakt getreten. Welches Bild vom Krieg hättest du wohl? Sicherlich nicht eins, das einher geht mit den Schreckensbildern eben jener Ereignisse, die seit Jahrhunderten die Welt erschüttern. Aber auch ohne Videospiele hast du kein genaues Bild von Krieg, man versucht zu vermeiden, will es vielleicht gar nicht so genauso wissen, schätzt sich glücklich die Bedeutung nicht zu kennen. Löblich ist es deshalb umso mehr, wenn sich nach Jahren des Pseudo-Patriotismus und der Heldengeschichten aus „Call of Duty“ und Co. „Valiant Hearts“ versucht, die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich bin kein Weltverbesserer und erfreue mich sehr gerne auch an Actiontiteln und Filmen des gleichen Genres, dennoch freut es mich einfach, wenn die Geschichten auch bei Videospielen wieder in den Vordergrund rücken. Die von „Valiant Hearts“ sei nun umrissen.

Kein Kriegsspiel sondern ein Spiel über den Krieg

„Valiant Hearts“ steckt den Spieler in die emotionale Geschichte von fünf Menschen, die unter verschiedenen Umständen ins Kriegsgeschehen des Ersten Weltkriegs gezogen werden. Geschickterweise kreuzen sich die Pfade der fünf im Laufe des Spiels mehrmals, wobei hier ein kleiner Hund die tragende Rolle

spielt. Dabei kommen dem deutschen Soldaten Karl, seinem französischem Schwiegervater Emile und dessen Tochter Ana die Hauptrollen zu. Während – wenn auch nicht minder emotional verflochten – der Amerikaner Freddie und der Antagonist Baron von Dorf weniger im Zentrum stehen.

Vorangetrieben wird die Chronik des Spiels von einem Sprecher und nicht von Erzählungen der Charaktere selbst. Jene sind nämlich weitestgehend stumm und brabbeln lediglich in Fantasiesprache, die aber stets als Deutsch, Französisch oder Englisch zu erkennen ist. Die fehlende Synchronisation mindert aber keineswegs die Qualität der Darstellung. Stattdessen lässt sie etwas Raum für eine ganz eigene Interpretation der tiefgreifenden Charaktere, die um eine prima Mimik und kleine Piktogramme zu den jeweiligen Gefühlslagen ergänzt wird.

The Great War

Spielerisch ist der Titel aus dem Hause Ubisoft eine Art Point-and-Click-Adventure, nur ohne Point und Click. In hübsch anzusehender 2D-Marnier gilt es, diverse Rätsel zu lösen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, Personen aus Notsituationen zu helfen oder deren Wünsche zu erfüllen. Somit kombiniert man zum Beispiel eine müffelnde Socke mit einem Wasserkessel und Feuer, um sie anschließend blitzeblank und trocken einem Soldaten zu übergeben. Jedem Charakter kommen dabei ganz eigene Fähigkeiten zu Gute. Freddie ist zum Beispiel Experte im Stacheldraht schneiden, während Ana sich rührend um Verletzungen kümmern kann. Glücklicherweise ist es jedoch nicht so, dass man immer erst überlegen muss, welcher Charakter jetzt gerade für die entsprechende Situation zuständig ist. Alles in allem sind die Rätsel stets auf einem leichten und fairen Level und bedürfen keiner großen Knobelkunst. Besonders erwähnenswert sind die Passagen, in denen Walt, der Hund, allerhand Hilfe leistet, indem er zum Beispiel Wachen ablenkt oder unerreichbare Gegenstände besorgt. Die an Castle Rock aus „Rayman Legends“ erinnernden Fluchtfahrten in Anas Taxi lockern das Kriegstreiben auf ohne dabei lächerlich zu wirken.

Darüber hinaus ist „Valiant Hearts“ auch ein richtig gutes Lernspiel, bei dem, wenn man es komplett absolviert hat, nicht nur ein emotional erregter Brocken in einem hängen bleibt, sondern auch ein umfangreicher Wissensfundus zu den Geschehnissen zwischen 1914 und 1918. Das Spiel verstrickt mit Finesse Informationen zu Gasangriffen, Gräben und Flammenwerfern, ohne dabei trocken zu sein.