In jedem Jahr gibt es so einige Spiele, die aus verschiedenen Gründen große Wellen schlagen. Teile der „Metal Gear Solid”-Reihe sorgen seit jeher immer für viel Aufsehen. Das gilt nun auch bei „Metal Gear Solid V”, das nach vielen Jahren und einer Demo, die man kaufen musste, nun endlich erschienen ist. Wir haben uns eines der wohl größten Spiele der nächsten Jahre einmal näher angeschaut und wollen jetzt schon verraten, dass hier in manchen Aspekten ein Meisterwerk erschienen ist. Dass aber nicht alles Gold ist, was glänzt, erfahrt ihr in der folgenden Review.

Rache als Leitmotiv

Die Geschichte spielt neun Jahre nach den Ereignissen von „Metal Gear Solid V: Ground Zeroes”. Nachdem Outer Heaven von Skull Face und seiner Sondereinheit angegriffen wurde, lag Big Boss im Koma und wacht nun wieder auf. Geplagt von der Vergangenheit sowie seinem fehlenden Arm, baut er wieder eine Mother Base auf, um Rache an Skull Face zu nehmen.

Sehr viel mehr sollte man auch nicht zum Start wissen. Vor allem der Prolog birgt noch einige Überraschungen. Danach wird es etwas untypisch für die Reihe, denn nur wenige Cutscenes unterbrechen das Spiel, viele Story-Elemente werden nur in Form von Kassetten an den Spieler vermittelt, die man optional während der Missionen oder im Menü abspielen kann. Wie einige vielleicht wissen, will Hideo Kojima mit dem fünften Teil die „Metal Gear Solid”-Saga endlich zu einem Ende bringen und die bisherigen Haupt-Ableger miteinander verknüpfen. Dieses Versprechen kann Kojima zwar einhalten, aber leider nicht ganz zufriedenstellend. Die gesamte Geschichte fühlt sich im Vergleich zu den anderen Teilen sehr klein an und es gibt nicht mehr das ganz große Übel, das der Spieler bekämpfen muss. Wenn Kojima nicht den angesprochenen Anspruch gehabt hätte, die Reihe mit „The Phantom Pain” zu beenden, dann hätte es die ein oder andere Stelle gegeben, wo das Spiel mit etwas mehr „Rumms” beendet worden wäre – so fällt der Endeindruck nicht schlecht, aber etwas ernüchternd aus. Die Tatsache, dass noch mindestens eine wichtige Mission fehlt, lässt leider einen kompletten Geschichts-Strang offen stehen. Trotzdem können Serienfans Spaß an der Geschichte haben, und wenn es einmal Cutscenes gibt, dann machen sie in vielen Fällen wieder einiges wett. Sogar diejenigen, die noch nie einen Teil der Reihe gespielt haben, können relativ gut einsteigen, da die komplexesten Elemente erklärt oder in diesem Spiel erst eingeführt werden.

Kein Film mehr

Diese etwas andere Art, die Story voranzutreiben, macht aber Platz für den wohl wichtigsten Teil eines Videospiels: das Gameplay. Vorbei sind die Zeiten, dass „Metal Gear Solid“ eher als Film statt als Spiel bezeichnet wird. Während die Geschichte in den Hintergrund rückt, steht bei „The Phantom Pain” das Spiel an sich im Rampenlicht. Von der Luftkommando-Zentrale aus sucht man sich einen der 50 Haupt- oder über 150 Nebenaufträge aus. Danach darf man noch seine Ausrüstung sowie seine Helfer aussuchen. Je weiter man kommt, desto mehr Auswahlmöglichkeiten wird es geben, wodurch jeder erdenkliche Spielstil ausgeübt werden kann. Wer lieber einfach in ein Lager der Gegner stürmt und dabei die Kommunikations-Wege der Feinde noch unterbrechen möchte, der wählt eher offensivere Waffen. Es ist aber auch genauso möglich, durch bestimmte Items und Aktionen die Gegner auszutricksen und einfach um sie herumzuschleichen. Es gibt nicht den einen, richtigen Weg, eine Mission zu erledigen.

Eine andere Art von offen

Bei jedem Spieler sowie bei jedem Versuch einer Mission unterscheidet sich die Herangehensweise. Genau das ist auch der Punkt, an dem man sagen kann: „The Phantom Pain” will nicht einfach nur, dass der Spieler spielt, sondern währenddessen auch kreativ nachdenkt und die ganzen Mechaniken ausnutzt, die ihm zur Seite stehen. Es gibt kaum ein Spiel, das den Begriff „offen” im Sinne des Gameplays so groß schreibt. Jeder kann mit vielen verschiedenen Ansätzen an eine Mission herangehen; hinzu kommen sogar noch dynamische Elemente in der KI, die nach und nach auf den Spielstil reagiert. Zum Beispiel bin ich eher jemand, der versucht hat, jeden Gegner mit der gedämpften Schlafpistole auszuschalten und dann per Fulton zur Mother Base hinzuzufügen. Irgendwann kamen die Gegner auf die Idee, Decoys aufzustellen, die aussehen wie Soldaten, aber nur aus Luft sind, die einen im ersten Moment, wenn man nicht genau hinschaut, aber doch reinlegen können. Oder wer gerne nur in der Nacht operiert, bekommt es schnell mit Nachtsichtgeräten und anderen Gadgets zu tun. Zwar kommen diese Dinge natürlich durch einen gewissen Fortschritt in der Geschichte und sind schon irgendwo vorprogrammiert, aber die neuen Taktiken der Gegner fühlen sich sehr natürlich an. Zudem wird man als Spieler dazu angeregt, immer neue Wege zu finden, in eine Basis einzubrechen. Das führt alles insgesamt einfach nur zu einem unglaublichen Spielerlebnis, das man so nur selten erlebt hat. Jede Mission, egal wie ähnlich sie auch ist, fühlt sich wieder neu an, und es macht jede Sekunde Spaß, eine Basis auf seine ganz eigene Art zu infiltrieren.

Mikro-Management

Doch auch abseits des Schlachtfelds gibt es so einiges zu erledigen. Denn direkt aus der Luftkommando-Zentrale heraus kann die Mother Base zum Beispiel durch die Verwendung von Rohstoffen erweitert werden, die man in den Missionen in Form von kleinen Koffern oder auch riesigen Containern mitnehmen kann. Es ist aber auch möglich, seine Armee zu einzelnen Teams wie Entwicklung, Medizin, Support, Intel oder mehr zusammenzufügen, um dadurch dann neue Ausrüstung für Big Boss, die Helfer, den Hubschrauber oder auch mehr in Auftrag zu geben. Dadurch hat jeder mitgenommene Soldat aus den Aufträgen eine wichtige Aufgabe auf der Mother Base und man bekommt das Gefühl, dass jede einzelne Aktion eine Auswirkung hat, so klein diese auch sein mag. Dazu kann man auch Soldaten zu einer Kampf-Einheit bilden und dann auf Außen-Missionen schicken. Bei diesen kann man unter anderem die Lieferung von Ausrüstung an den Gegner verhindern, wodurch manche Maßnahmen wie Riot-Anzüge, Helme oder Nachtsichtgeräte zumindest teilweise unterbunden werden können. Wer „Metal Gear Solid: Peace Walker” schon gespielt hat, der wird das gesamte System der Mother Base schon kennen – nur ist es dieses Mal um einige Funktionen erweitert und noch ein bisschen mehr ausgefeilt.

Infiltrierung

Ganz neu ist die Möglichkeit, eine Forward Operation Base, kurz FOB, zu errichten, die dann von anderen Spielern infiltriert werden kann. Dabei kann man ein Security-Team aufbauen, und je höher das Level ist, desto schwieriger wird es für andere Spieler sein, die Basis einzunehmen. Wenn man infiltriert, dann sucht man sich zunächst eine Plattform aus, die man einnehmen möchte, und danach hat man einen Versuch, den höchsten Hubschrauber-Platz dieser Plattform zu erklimmen. Auf dem Weg dorthin kann man dem anderen Spieler Container, Tiere, Waffen und Soldaten stehlen, und wenn man die Spitze erreicht, kann man alles, was man eingesammelt hat, auch behalten. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn der Besitzer der Plattform bekommt auch eine Nachricht, dass er infiltriert wird, und kann dann in Echtzeit eingreifen, um den infiltrierenden Spieler auszuschalten. Insgesamt ist die Online-Erfahrung ein kurzweiliger Nervenkitzel, der sich für diejenigen lohnt, die gerne mal abseits der normalen Missionen die eigene Basis erweitern möchten. Auch wenn es natürlich mit einem Risiko verbunden ist, dass man auch mal selbst infiltriert wird. Es ist zudem nicht nötig, irgendwie echtes Geld für MB-Münzen auszugeben, was es nur verschnellern würde, bis man weitere FOBs errichten kann, denn die erste ist kostenlos. Wer auch gar nichts davon wissen möchte, der kann zwar FOBs errichten, da man so mehr Platz für weitere Soldaten bekommt, aber solange man offline bleibt, kann man auch nicht infiltriert werden.

Nicht alles ist perfekt

Wie schon öfters geschrieben, führen all diese Systeme zu einem ganzen Paket, das nur selten so rund und unterhaltsam war. Jedoch gibt es natürlich auch eine Kehrseite, die sich nicht nur in der Story, sondern auch in dem Gameplay widerspiegelt. Bei „The Phantom Pain” ist dies ganz klar die Open World, die im klassischen Sinne nicht als eine solche bezeichnet werden kann. Denn die Welt an sich ist nicht wirklich offen: Es gibt lediglich zwei große Gebiete, zwischen denen man nicht einfach mal so wechseln kann, die kleine oder große Basen bieten und dazwischen eigentlich nur lange Fußwege, wo bis auf ein paar Tiere oder einige Pflanzen nichts existiert. Dadurch kommt es oft einmal vor, dass man in einer Mission mehrere Kilometer einfach nur geradeaus laufen muss. Wenn man kein Fahrzeug oder D-Horse dabei hat, dann kann es auch schon einmal ein bisschen dauern, bis man das nächste Ziel erreicht hat, was manchmal ein wenig am Spielspaß zehrt. Ansonsten sehen zwar die Umgebungen sehr stimmig aus und unterscheiden sich sehr stark, aber es ist einfach zu wenig los.

Ausnahmsloser Spaß trotz mangelnder Abwechslung

Was manchen Spielern auch sauer aufstoßen könnte, ist, dass jede Mission eigentlich das Gleiche ist: Zum Missionspunkt laufen, die Gegner ausspähen, sich für eine Taktik entscheiden und dann eben das Ziel ausführen. Letzteres ist eigentlich immer entweder Intel, das gesichert werden soll, ein Truck oder eine Person, die befreit oder eliminiert werden soll. Der Begriff Elimination ist übrigens relativ offen, denn man kann selbst entscheiden, was man mit dem Missionsziel macht. Egal ob man tötet oder betäubt und mitnimmt, es liegt komplett beim Spieler. Insgesamt ist also der Begriff Open World ein wenig anders zu verstehen als üblich. Es ist ein großes, offenes Gebiet, in dem man ganz frei seine Mission ausführen kann. Aber man wird keine lebendige Welt vorfinden, sondern eher ein weitläufiges Kriegsgebiet, bei dem die Feinde nur um die Basen herum stehen und abseits nicht viel existiert. Zudem sind die Missionen sehr, sehr abwechslungsarm, was mich persönlich, der bei Abwechslungsarmut aber normalerweise abschaltet, nicht gestört hat. Es macht einfach so viel Spaß, jedes Mal eine Mission anders anzugehen, dass ich auch nach den knapp 45 Stunden, die ich für die Hauptgeschichte benötigt habe, immer noch mit Freude jeden noch so kleinen Auftrag angehe. Diese Eigenschaft hat so gut wie kein anderes Spiel und dadurch hinterlässt „The Phantom Pain” auch einfach einen so guten Gesamteindruck, bei dem man die offensichtlichen Fehler mit Leichtigkeit verzeihen kann.

Beeindruckende Technik und toller Soundtrack

Wer schon „Ground Zeroes” gespielt oder einige der Trailer gesehen hat, der wird genau wissen, auf was er sich optisch gefasst machen muss. Die FOX Engine macht wieder eine super Arbeit auf der PlayStation 4 und bietet eine unglaubliche Optik. Dazu kommt, dass das Spielgeschehen stets flüssig abläuft. Es ist eine technische Meisterleistung und einer der besten Performances, die ein Spiel bisher auf der PS4 hatte. Hier kommt genau dieses Next-Gen-Gefühl auf, das man in den letzten Monaten sehr oft vermisst hat. Es gibt aber auch einiges auf die Ohren, denn der Soundtrack ist eine wunderbare Mischung aus originalen und lizenzierten Tracks. Es gibt kein Spiel, bei dem es so viel Spaß macht, einen Hubschrauber mit „The Final Countdown” auf den Lautsprechern zu rufen, der einen aus einer Mission fliegt. Oder man infiltriert eine Basis und hört gleichzeitig „Take on Me”, das vielleicht nicht ganz passt, dem Spiel aber inmitten der Ernsthaftigkeit die nötige Leichtigkeit gibt. An die neuen Synchronstimmen, vor allem Kiefer Sutherland als Big Boss, kann man sich schnell gewöhnen und er hat sowieso weniger zu tun abseits der Kassetten, da er doch oft sehr still ist.