Ich bin ein riesiger Fan der „Mega Man“-Reihe. Deshalb schrie ich wie ein Anime-Fan auf einem Abschlussball, als die Kickstarter-Kampagne zu „Mighty No. 9“ eröffnet wurde. Trotz der Verschiebungen, trotz der unglücklichen Trailer, trotz der zukunftsorientierten Planung und trotz der missglückten Kommunikation war ich stets auf der Seite von Keiji Inafune, wenn es um den spirituellen Nachfolger meines blauen Kindheitshelden ging. Gerade deshalb bin ich so frustriert, dass „Mighty No. 9“ zwar kein schlechtes Spiel, aber trotzdem eine echte Enttäuschung geworden ist. Wieso ich mein Pad regelmäßig aus den falschen Gründen an die Wand werfen wollte, verraten euch die folgenden Zeilen.

Go Go Mighty Numbers!

Eigentlich wollte das Studio, wie sie mehrfach in der Vergangenheit betont haben, das Konzept der „Mega Man“-Reihe auffrischen und daraus etwas Eigenes machen. Was die Geschichte angeht, orientieren sie sich jedoch sehr stark an dem Vorbild. Die Welt ist in einem nicht näher genannten Jahr eigentlich ein schöner Ort, Roboter-Kämpfe finden nur in Arenen statt. Eines Tages jedoch werden einige von ihnen von einem Virus befallen und wenden sich gegen die Menschheit. Allein Beck, auch als Mighty No. 9 bekannt, ist davon verschont geblieben, und will seine Kammeraden auf seine Seite zurückholen und natürlich die Welt retten. Die Maschinen wurden von Dr. White erschaffen, und ein böser Wissenschaftler scheint irgendwas mit dem Chaos zu tun zu haben.

Wer sich auch nur im Ansatz eine originelle Geschichte erhofft hat, wird enttäuscht. Selbst die unspektakulären Wendungen kann man bereits früh erahnen, und auch die erzwungenen Gags wollen einfach nicht zünden. Allgemein dürfte kein Charakter in Erinnerung bleiben, und die schönsten Momente sind die, in denen einfach keiner redet. Die nicht allzu gelungene englische Sprachausgabe hilft da auch nicht, und bei einigen Robotern möchte man den Ton eigentlich komplett abschalten. So ikonisch wie ein Mega Man, Dr. Wily, X oder Zero wird hier keiner auch nur im Ansatz, was teilweise der dreisten Kopie geschuldet ist.

Standardware Gameplay

Da sich viele sowieso nicht allzu viel von der Story erwartet haben, dürfte das Gameplay wohl bei den meisten im Fokus stehen. Und trotz des unglaublich langweiligen Tutorials macht der Titel in den ersten Momenten durchaus Spaß. Man springt sich nämlich ganz klassisch durch die verschiedenen Levels, die alle einem anderen Thema folgen. Mal brennt alles, dann muss man über Eis schlittern, und auch einige andere interessante Ideen sind mit dabei, wie eine Passage auf einem Highway. Anstatt jedoch den Fokus auf Plattformer-Passagen zu legen, geht es in „Mighty No. 9“ eher um das Kämpfen, was auch durch das größte Feature deutlich wird, das Kombo-System. Beck kann mit seinen Waffen die Feinde nämlich nicht nur vernichten, sondern auch destabilisieren. In diesem Zustand darf der Held durch seine Feinde dashen und sie absorbieren. Reiht man solche Aktionen aneinander, erhöht sich ein Multiplikator, und man erhält mehr Punkte. Doch auch andere temporäre Boni werden dabei aktiviert, durch die Beck zum Beispiel stärker oder schneller wird. Wer also gerne schnell spielt und gute Reflexe hat, wird damit durchaus seinen Spaß haben.

Beim Gameplay funktioniert leider nur wenig so gut, wie es sich anhört. Dabei macht das Kombo-System wohl die größten Probleme, denn da Beck in der Luft unbegrenzt dashen kann, muss man sich in den meisten Abschnitten keine Sorgen machen, einen Sprung nicht zu schaffen. Auf der anderen Seite sind die engeren Stellen eher frustrierend, da man die Länge des Dashes nicht immer richtig einschätzen kann und manchmal eher unfreiwillig in Energiefeldern landet, die den sofortigen Tod bedeuten. Eben diese Stellen haben die „Mega Man“-Reihe eigentlich so motivierend gemacht, da man sich oft bewusst war, dass man woanders hätte springen müssen. Diese Analyse der eigenen Fehler entfällt zu oft in „Mighty No. 9“, da eher das Sprungverhalten und Level-Design zu undurchsichtig sind. Allgemein gibt es teilweise Levels, die ohne spannende Ideen auskommen und Lückenfüller darstellen, was bei einem Spiel, das nicht gerade durch seine Spielzeit für Aufsehen sorgen wird, alles andere als gut ist. Daneben gibt es noch VR-Missionen, in denen man kurze Passagen unter gewissen Bedingungen meistern muss. Diese sind kurzweilig und machen spielerisch tatsächlich manchmal mehr Spaß als das eigentliche Abenteuer. Es lässt sich also zusammenfassen, dass das Kombo-System an sich eine gute Idee war, die Ausführung jedoch einfach mangelhaft ist.

Beck to the Future?

Man kann zwar viel über das Spiel meckern, jedoch gibt es auch Passagen, in denen alles perfekt zusammenkommt und eine wahnsinnige Dynamik entsteht, die unglaublich viel Spaß macht. Leider gibt es viel zu wenige Stellen, die genau diese Idee umsetzen, und ansonsten schießt und dasht man sich durch einen lieblosen Plattformer. Das merkt man auch bei den Bossen, deren Design schon nicht unbedingt immer kreativ ist, was auch dem gewählten Artstyle geschuldet ist. Diese treten in den Levels immer am Ende gegen Beck an, und reden dabei viel zu viel. Doch Abseits der Dialoge sind das gelungenere Stellen, und man muss wirklich das Angriffs-Muster herausfinden, um eine Chance zu haben. Sind sie besiegt, darf man sich über neue Waffen freuen, die jedoch meist eher nutzlos sind. Anstatt sich in den passenden Levels wie der Überflieger zu fühlen, macht es durch die Kombo-Mechanik manchmal mehr Sinn, die Standardwaffe oder eine bestimmte andere Kanone zu nutzen. Dadurch ist die Belohnung für die teils harten Kämpfe eher unbefriedigend und enttäuscht. Da hilft es auch nicht, dass die bekannte Leiste, die den Einsatz der Waffen eigentlich begrenzen sollte, sich so schnell von selbst auffüllt, dass man nie in Not gerät. Um das Chaos perfekt zu machen, ist der normale Blaster meistens tatsächlich die beste Wahl, selbst die Bosse lassen sich alle recht angenehm mit der Waffe bekämpfen.

Zudem gibt es auch einige Zwischenbosse, die schon kreativer wirken, wie zum Beispiel zwei Roboter, die Pong spielen. Die zweite Begegnung macht aber einmal mehr das Problem mit der Geschichte deutlich, denn da sich der Boss des Levels unbedingt mit Beck unterhalten muss, verdeckt die Texteinblendung die Lebensleiste. Eben diese stümperhaften Feinheiten hinterlassen einen negativen Eindruck. Denn auch die Waffenwahl ist unnötig kompliziert, und trotz einer Schnellwahltaste muss man sich durch eine Liste kämpfen, deren Bedienung einen Austausch mitten im Geschehen unmöglich macht. Und auch das Herausfinden der passenden Level, die man mit der richtigen Waffe einfacher schaffen sollte, ist keine Herausforderung, da die besiegten Roboter in der Auswahl das schon durch Tipps verraten. Es ist zwar schön, dass sie im Hintergrund mitkämpfen, aber sowas dürfte Fans des Vorbildes nerven.

Unreale Technik

Was sich die Entwickler bei der Grafik gedacht haben, bleibt ein Rätsel. Die Levels sehen trotz vieler Elemente nie besonders detailliert aus, die gesamte Optik ist veraltet und selbst die Animationen sehen furchtbar aus. Besonders Becks Laufen wirkt viel zu langsam für den dreidimensionalen Look und vermittelt kein Gefühl des Tempos, welche das Spiel eigentlich so sehr in den Fokus stellt. Dabei gibt es sogar einige tolle Elemente, wie ein Monitor in einem Boss-Kampf, der das Geschehen in Echtzeit aus einer anderen Perspektive darstellt, sowas gibt es aber leider eher selten. Man braucht sich nur einmal die Explosionen anzuschauen - so etwas geht heutzutage in Spielen einfach nicht mehr. Schlimmer noch, der gesamte Stil vermittelt eine langweilige Atmosphäre, und dadurch entsteht einfach der typische Charme nicht. Man wird sich später höchstens an Beck erinnern, und das auch nur, weil man ihn spielt, ansonsten kommen sowohl Freunde als auch Feinde nie zur Geltung. Bereits nach wenigen Levels hat man sich also satt gesehen, und da auch das Gameplay nicht übermäßig überzeugt, werden wohl nicht alle Käufer bis zum Ende spielen.

Um das Paket an Katastrophen perfekt zu machen, bleibt die Bildrate nicht konstant. Schlimmer noch, manchmal geht sie so stark runter, dass man entweder in Zeitlupe spielt oder ein Ruckel-Fest erlebt, das die Laune endgültig verdirbt. Es ist unfassbar, wie ein grafisch so veraltetes Spiel so eine schlechte Performance bieten kann. Der Sound ist da schon besser, und die musikalische Untermalung sogar recht gut. Die Steuerung ist zwar teilweise überladen und manchmal durch fragwürdige Hitboxen schwammig, nach einer gewissen Zeit macht diese jedoch selten Probleme.

Eine Katastrophe?

Normalerweise ende ich ein Review mit dem Technik-Absatz, aber hier muss ich eine Ausnahme machen. Denn obwohl so unglaublich viel schief gelaufen ist, ist „Mighty No. 9“ kein schlechtes Spiel. Es ist aber auch bei weitem nicht die Wiederbelebung der „Mega Man“-Reihe, die den Fans versprochen wurde. Der Titel wirkt seelenlos, sogar manchmal lieblos entwickelt. Viele Feinheiten passen nicht, und dennoch ist es schön, sich durch die Level zu schießen und zu laufen. Mit dem DLC darf man auch einen weiteren Charakter steuern, und obwohl dieser nicht allzu besonders ist, bringt er Vielfalt in den Titel und zeigt manchmal auch auf, wieso Beck nicht der Held ist, den die Unterstützer verdient haben. Wer die Ursprungs-Reihe mochte, wird auch mit „Mighty No. 9“ seinen Spaß haben, vor allem dank der ähnlichen Struktur. Die freie Level-Wahl lässt nicht zu viel Frust aufkommen, und trotz unfairer Stellen gibt es auch solche, die unglaublich motivieren. Auch der Nervenkitzen, nicht zu sterben, da man mitunter vom Anfang des Levels starten muss, ist vorhanden und hält bei Laune. Nur ist eben die Durchführung mangelhaft und schafft es nicht, die guten Aspekte zu fördern. Hätte man die Ausführung des Kombo-Systems anders gestaltet, wären vielleicht bessere Levels entstanden, die tatsächlich spaßig wären. Wenn man aber ganze Passagen so überspringen kann, ist das einfach nicht gut.