Die „Tales“-Reihe hat sich über die Jahre zu einem richtigen Giganten des JRPG-Genres entwickelt und erfreut sich schon lange nicht mehr nur in Japan einer großen Beliebtheit. Doch nicht jeder Fan ist über jeden Ableger glücklich, und somit darf man jedes Mal gespannt sein, ob der nächste Teil ein Hit wird. „Tales of Berseria“ ist im vergangenen Jahr bereits erschienen, schafft nun aber endlich auch den Sprung in den Westen. Kann der Titel in die Fußstapfen der besseren Ableger treten, oder entpuppt er sich als Enttäuschung? Wir haben viele Stunden in der Welt verbracht und können euch die Antwort liefern.

Der Dämon in dir

Die Geschichte dreht sich um die junge Frau Valvet, die ihre Eltern sowie ihre ältere Schwester verloren hat und mit ihrem Schwager und kleinem Bruder in einem Dorf lebt. Wirkliche Freiheit können die Bewohner dort nicht genießen, denn in der ganzen Welt geht eine Pest um, die Menschen in Dämonen verwandelt. Als ein weiterer Blutmond ansteht, der beim ersten Mal diese Krankheit mitgebracht hat, wird zwar die Welt scheinbar gerettet, durch eine überraschende Wendung wird Valvet aber selber zum Dämon und für drei Jahre eingesperrt. Jedoch besitzt sie die einzigartige Fähigkeit, Dämonen zu fressen und sich die Kraft ihrer Opfer anzueignen. Als sie aus der Gefangenschaft fliehen kann, beginnt eine Reise, auf der sie nicht nur viele Verbündete und Feinde trifft. Das Ziel ist nämlich ganz klar die Rache an der Person, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hat.

Großes Kino, großes Spiel

Hat „Tales of Zestiria“ im vergangenen Jahr noch in Sachen Storytelling enttäuscht, ist „Tales of Berseria“ eine richtige Wucht. In der ersten Stunde wird nicht nur eine interessante Welt aufgebaut, sondern auch eine spektakuläre Wendung präsentiert, die alles kommende beeinflusst. Denn ist Valvet erst noch das fürsorgliche Mädchen, das immer nur das Beste für alle möchte, ist sie nach ihrer Gefangenschaft voller Rachegelüste, und sogar ziemlich kalt. Doch tatsächlich darf man sich auf eine vielschichtige Heldin freuen, die vieles durchmacht, um ihr Ziel zu erreichen. Natürlich gibt es wieder einige klassische Elemente, wie die große Reise um die Welt, doch das fällt nicht allzu negativ auf. Die Wendungen, die Dialoge und die Schauplätze sind allesamt so gut, dass man sich gar nicht mehr von den Erlebnissen trennen möchte.

Die Erzählweise der Geschichte trägt dieses glücklicherweise extrem gut. Die Unterhaltungen sind dynamisch und wirken eigentlich nie gezwungen. Hinzu kommen noch die mittlerweile klassischen Anime-Sequenzen, die wirklich fesseln. Man wünscht sich manchmal sogar, hier eine Serie zu schauen, denn neben der guten Erzählung ist die Bildgewalt beeindruckend. Natürlich wirken daneben die restlichen Zwischensequenzen nicht ganz so beeindruckend, erfüllen aber durchaus ihren Zweck und werden durch tolle Texte und Sprecher getragen.

Eine unterhaltsame Truppe

Neben Valvet kann auch der Rest der Truppe komplett überzeugen. Während einige aus Spoiler-Gründen hier keine Erwähnung finden sollen, darf man sich aus einem bunten Mix unterschiedlicher Charaktere freuen. Egal ob Dämon mit geheimnisvoller Hintergrundgeschichte, abgedrehte Hexe mit eigenen Plänen oder ehemalige Feinde, jeder Hauptcharakter kann etwas eigenes zur Gruppendynamik beitragen und nervt nicht, sondern unterstützt die gute Gruppenmechanik. Zusätzliche Gespräche, die jederzeit auftreten können, lesen sich ebenfalls gut.

Die Außenseiter-Gruppe trifft jedoch auch auf viele Gegner, die in Sachen Charme nicht immer glänzen können, jedoch auch auf ihre Art beeindruckendes abliefern. Viele sind kalt und kümmern sich nicht wirklich um das Wohl anderer, nutzen ihre Macht aber gelungen aus, um dennoch beliebt zu sein. Deshalb sind die Gespräche mit NPCs auch so toll, denn das ganze politische Klima ist extrem authentisch und versetzt den Spieler in eine beeindruckende Welt. Dass die Ereignisse viele Jahre vor „Tales of Zestiria“ spielen und sogar die Welt dieselbe ist, ist für Fans der Reihe natürlich besonders toll und wird auch durch zahlreiche Anspielungen, die nicht unbedingt notwendig sind um alles zu verstehen, gestützt.

Tales of: 1x1

Das Kampfsystem ist erneut actionreich geworden. Zu Beginn eines jeden Kampfes hat man eine bestimmte Anzahl an Seelen, die bestimmen, wie viele Angriffe man hintereinander ausführen kann, ohne eine Pause machen zu müssen. Die Zahl kann erhöht werden, wenn man Gegner besiegt oder Angriffen erfolgreich ausweicht, indem man erst in den Verteidigungsmodus wechselt und dann zur Seite eilt. Die Angriffe bestehen aus den bekannten Artes, die diesmal selber in Kombos zusammengesetzt werden können, um genaue Bewegungsabläufe zu bestimmen. Das bringt Vielfalt in die Kämpfe, ohne zu kompliziert zu sein. Natürlich gibt es auch besondere Artes und Magie, die durch Tastenkombinationen in die Kombos eingereiht werden können. Mit der Zeit erhält man neue Fähigkeiten, und natürlich kann man auch wieder jederzeit zwischen den Charakteren in der Party wechseln. Doch auch die KI wurde verbessert, und obwohl sie noch immer nicht perfekt ist, werden deutlich weniger Fehler gemacht, was die strategische Planung erleichtert.

Im Endeffekt erhält man hier genau das, was man erwartet, ohne dass es schlimm ist. Ein besonderer Angriffsmodus, für den man eine Seele permanent abgeben muss, der dafür aber besonders mächtig ist, erweitert die Angriffsmuster, jedoch sollte man nie wirklich überfordert sein. Zudem sind gerade anfangs die Tutorials ausführlich und die Kämpfe leicht, also hat man genug Zeit, um die Feinheiten herauszufinden. Und genau das macht auch hier wieder unglaublich viel Spaß, denn die Action läuft natürlich nicht planlos ab, und auf den höheren Schwierigkeitsgraden muss man durchaus genau abschätzen, welches Artes gegen welche Gegner effektiv ist. Dass gerade das Ausweichen gerne dynamischer sein könnte, lässt sich noch verkraften, auch wenn es das Kampfsystem noch ansprechender gemacht hätte.

Eine Welt voller Geheimnisse

Abseits der Kämpfe darf man die Welt bereisen, die zahlreiche unterschiedliche Schauplätze bietet. Dabei lassen sich Items und kleine Geheimnisse finden, Stichwort Emiauzipation. Denn kleine Seelen können an bestimmten Truhen eingesetzt werden, um Katzen zu befreien und sich Ausrüstung zu besorgen. Allgemein erhält man wieder genau das, was man erwartet, denn die einzelnen Gebiete bieten Abzweigungen, Dungeons und eine Menge Gegner zum leveln. Die Städte sind dabei besonders schön geworden und wirken manchmal richtig lebendig, wenn auch alles in Grenzen. Doch es macht Spaß jeden Winkel abzugrasen und sich über Ausrüstung zu freuen, während die Helden miteinander sprechen.

Probleme

Eigentlich würden wir hier am liebsten das Review beenden und dem Spiel seinen Award verleihen, doch trotz der großartigen Geschichte gibt es auch diesmal wieder einige Probleme. Am offensichtlichsten ist dabei tatsächlich, dass das Spiel in Sachen Gameplay und Welt gut ist und die Erwartungen erfüllt. Doch gerade hier fehlt etwas, denn wirklich einzigartige Elemente muss man mit der Lupe suchen. Zwar litten sowohl „Tales of Zestiria“ als auch „Tales of Xillia“ unter zu viel Experimentierfreudigkeit, doch hier besinnt man sich ein wenig zu sehr auf die klassischen Elemente. Die Weltgröße ist dabei das geringste Problem, denn zwar sind die Gebiete nicht extrem weitläufig, jedoch auch nicht überwältigend. Allerdings erscheint das Abenteuer deshalb manchmal etwas linear, jedoch gibt es dadurch wiederrum keine Längen. Es kommt also sehr darauf an, was man genau von dem Spiel erwartet.

Ein größeres Problem ist da schon das gelegentliche Backtracking, das zwar erneut nicht so dramatisch wird wie im Vorgänger, jedoch durch die langsame Laufgeschwindigkeit deutlicher wird. Es dauert sehr lange bis man wirklich schnell sein kann, und zuvor wird man nur marginal schneller, was einige längere Wege zur Tortur macht. Auch die Dungeons sind einfallslos und werden zwar durch kleine Puzzles abwechslungsreicher, jedoch noch immer zu linear, um abseits der Kämpfe zu interessieren.

Technik

Ein weiteres Problem ist die Optik. Zwar ist der Artstyle beeindruckend, jedoch wirken die Texturen matschig und werden der Welt nicht gerecht. Hier zeigt sich leider, dass das Spiel eben auch noch für die PlayStation 3 entwickelt wurde, denn an der eigentlichen Power der PlayStation 4 wird nicht gekratzt. Schöner ist da die Bildrate, denn in den Kämpfen darf man sich auf flüssige 60 Bilder pro Sekunde freuen, und jegliche Ruckler bleiben der Action fern. So macht der Kern noch mehr Spaß und ist erheblich dynamischer.

Die Sprecher verleihen der Reise natürlich ihren Charme. Zwar ist die englische Vertonung rundum gelungen, jedoch empfehlen wir trotzdem die japanische. Denn die Synchronsprecherin von Valvet leistet hier einen wahrlich beeindruckenden Job und verdient Respekt. Der Soundtrack kann sowieso punkten, mit einem Ohrwurm-Intro über viele verschiedene Themes. Zwar haben nicht alle davon eine extrem hohe Qualität, doch die Musik passt immer zur Situation und stört nie, sondern verbessert viele Szenen.