Team Ninja steht seit dem ersten „Ninja Gaiden” für knallharte Action-Titel. Seit dem letzten Ableger haben aber schon längst Spiele wie „Dark Souls” den Thron für Hardcore-Titel abgelaufen. Seit über vier Jahren sitzt der Entwickler nun schon am nächsten Titel, der nun kommt, um das Genre mit modernen Elemente aufzufrischen und wieder knallharte Action zu bieten. In den letzten Tagen haben sich zwei mutige Redakteure durch „Nioh” gekämpft und geschrien. Wie sie sich geschlagen haben, zeigt die folgende Review.

Der Samurai mit goldenem Haar

„Nioh” basiert auf einer Geschichte des Kult-Regisseurs Akira Kurosawa, die aber nie verfilmt wurde. Nach vielen Jahren hat Team Ninja seit 2012 die Schirmherrschaft über den Stoff übernommen und ist seitdem an dem Spiel am arbeiten. Die Geschichte folgt dem ersten ausländischen Samurai William Adams, der im frühen 17. Jahrhundert lebte, und bespickt sie mit übernatürlichen Elementen. Zu Beginn sitzt Adams im Tower of London fest und wird von seinem Guardian Spirit Saoirse befreit. Jedoch wird Saoirse am Ende von Edward Kelley, ein Antagonist mit dämonischen Fähigkeiten, gefangen genommen, um ihm den Weg zu einem sagenumwobenen Schatz in Japan zu zeigen, mit dem England den Krieg gegen die Spanier gewinnen könnte. Aus diesem Grund reist William Adams in das weit entfernte Land, das neben einem Krieg zwischen den historischen Kaiser-Familien auch noch von Yokai heimgesucht wird. Der Samurai mit goldenem Haar, was eigentlich eher Silber ist, trifft im Laufe seiner Reise auf viele bekannte Figuren und wird auch vom Ninja Hattori Hanzo angeheuert, um ihm und der Tokugawa Ieyasu-Familie zu helfen.

Eine Geschichtsstunde mit Monstern

Koei Tecmo veröffentlicht gefühlt am laufenden Band Spiele, die in einer ähnlichen Zeit-Periode angesiedelt sind. Aber trotzdem fühlt sich der Umgang mit dem historischen Stoff bei „Nioh” frisch und unverbraucht an. Es wird zwar nicht genau erklärt, welche Rolle die einzelnen Charaktere im realen Leben gespielt haben, aber das ist auch nicht schlimm, da es innerhalb des Spiels reicht, wenn man weiß, wer auf welcher Seite steht. Dazu kommen eben noch die japanischen Fabelwesen, die dem Ganzen einen fantastichen Anstrich gibt, der gut zu einem Videospiel passt – nur Krieg und Machtkämpfe zwischen den einzelnen Clans wäre einfach zu trocken gewesen. Dazu kommt eine qualitativ hochwertige Präsentation mit Full-Motion-Cutscenes, die alle größtenteils auf japanisch vertont sind, denn manchmal wechselt das Spiel auch auf Englisch, wenn zum Beispiel William oder Edward reden, was aber der Atmosphäre gut tut.

Eine nicht ganz zusammenhängende Welt

Im Gegensatz zu „Dark Souls” hat man bei „Nioh” keine offene Welt in der man sich zurechtfinden muss. Das gesamte Spiel ist in Haupt- und Nebenmissionen unterteilt, die man über eine Karte auswählen kann. Bevor man sich für eine entscheidet kann man noch einmal überprüfen, welches Level sowie welchen Schwierigkeitsgrad der Auftrag hat oder sein Equipment, Skills und mehr anlegen.

Ist man dann endlich im Spiel, dann fühlt es sich zunächst vom Ablauf her doch sehr nach „Souls” an. Aus der Verfolgerperspektive folgt man einem relativ linearen Weg und kann in den Leveln abseits noch ein paar Abkürzungen und Geheimnisse finden. Aber man fühlt sich trotzdem nicht, als wenn man vom Spiel eingeengt wird. Das einzige was fehlt ist, dass die Welt nicht wie aus einem Guss wirkt, da die Level selbst zwar stimmig gestaltet sind aber keine zusammenhängende Welt ergeben, in der man sich von Anfang bis Ende bewegen könnte. Wenn man sich aber nicht daran stört, dass es nur nett aussehende Set-Pieces sind, die kaum zusammenhängen, dann wird man einige sehr schöne Landschaften bereisen.

Variantenreiches Kämpfen

Doch die Länder sind natürlich nicht nur schön anzusehen, sondern mit einer Vielzahl an Gefahren gespickt, die man überwinden muss. Dafür hat man auch einige Angriffsmöglichkeiten zur Hand, genauer gesagt sechs Movesets aufgeteilt auf harte oder schwache Schläge sowie drei Stances, die man frei wechseln kann. Dazu kommt, dass jede der sechs Melee-Waffentypen sechs solcher Movesets hat und noch einmal um Skills, wie einen Abschluss einer Combo oder einen Parry, erweitert werden. Doch das ist noch längst nicht alles, denn es gibt auch noch eine Ausweich-Rolle, Fernkampf-Waffen, Ninjutsus, Omyo-Magie und vieles mehr. Wenn wir auf jeden einzelnen Aspekt des Kampfsystems eingehen möchten, dann würden wir den Rahmen der Review sprengen. Lasst euch auf jeden Fall so viel gesagt: Ihr werdet in den ersten Stunden viel herumprobieren und Eingewöhnungszeit brauchen aber selbst nach fast zwanzig Stunden finden wir immer noch neue Kniffe heraus, die man verwenden kann, um in den Kämpfen besser zu bestehen.

Reinigung durch Ki

Eine Technik möchten wir aber dann doch noch vorstellen: den Ki-Pulse. Dieser ist nämlich ein ganz essentieller Bestandteil, des sowieso schon mit Akzenten überhäuften Kampfes, der zeigt, wo die Stärken von Team Ninja sind. Mit dem Ki-Pulse kann man nach einem Angriff, wenn man den Knopf im richtigen Moment drückt, seine Ki-Erholung erhöhen und bekommt zudem noch einen kleinen Schaden-Boost. Aber man kann damit auch die Yokai-Ringe, die die geisterlichen Gegner zur Regenerierung ihres Ki verwenden, auflösen. Anstatt einem Ki-Pulse kann man sich aber auch dafür entscheiden, eine verbesserte Ausweich-Rolle zu machen, die über Skills auch noch besser gemacht werden kann. Man merkt also schon an dieser eher kurzen Erläuterung, dass ein kleines System in viele andere Gebiete ineinander greift und genau das ist es, was „Nioh” einfach rund macht. Jedes Element fühlt sich einfach richtig an und macht im großen Konstrukt Sinn.

Optionsreiche Ausrüstung

Genau diese Ineinandergreifung der Systeme führt sich auch durch andere Aspekte des Spiels. Die Ausrüstung ist im Gegensatz zu Spielen wie „Dark Souls” zufällig generiert, was wahrscheinlich für manche den Reiz ausmachen könnte, Gebiete mehrfach zu spielen. Wie schon in Spielen wie „Diablo III” hat sich gezeigt, dass solche Systeme einen hohen Widerspielwert bieten und das macht es hier auch. Die gesammelte Ausrüstung, die man vielleicht nicht mehr braucht, kann man dann auch auf mehrere Wege wieder los werden. Entweder man verstaut sie im Lager, verscherbelt sie beim Schmied für Geld, lässt sie in ihre Einzelteile für Ressourcen auseinander nehmen oder opfert sie an einem Schrein für Amrita und Items, die man im Gegenzug dafür bekommt. Gewollte Ausrüstung kann auch verbessert werden oder wenn einem das Aussehen nicht gefällt, kann man es auch gegen etwas Kleingeld, ohne die Werte anzufassen, aus einer Auswahl an Pre-Sets ändern. Eine Art Crafting gibt es natürlich auch, denn man kann auch Ausrüstung miteinander verschmelzen, wodurch neue Waffen entstehen, die Werte, Spezial-Attribute und auch noch Erb-Fähigkeiten übernehmen können. Also auch bei der Ausrüstung gibt es wieder unglaublich viele Systeme, die ineinandergreifen und einem so viele Möglichkeiten bietet, dass jeder genau so spielen kann, wie er Lust hat.

Fordernde Gegner

Ein wichtiges Element sind auch die Gegner. Denn diese sind nicht nur vielseitig gestaltet sondern können auch genauso angreifen, wie man selbst. Sie haben also verschiedene Stances, können blocken und haben auch auf den verschiedenen Waffen basierend andere Angriffs-Pattern, weshalb der Encounter mit einem gleichen Gegnertyp ganz anders verlaufen kann, je nachdem, welche Waffe er hat und wie er angreift. Dadurch bleibt das Spiel auch über viele Stunden hinweg fordernd, denn auch die Gegnertypen ändern sich stetig und es kommt immer wieder etwas dazu.

Die großen Highlights sind natürlich immer die Bosse, die zumeist am Ende einer Hauptmission auftauchen. Die Obermotze sind sehr detailreich sowie teilweise auch echt ekelhaft gestaltet, da kann man auch mal gegen einen riesigen Tausendfüßler kämpfen, der ein verzerrtes Gesicht und Haare hat. Die Bosse bieten öfters auch mal eine Vielzahl an Phasen sowie Angriffspattern. Sie sind nicht immer unbedingt die stärksten Gegner innerhalb einer Stage aber trotzdem schafft man sie eigentlich nie beim ersten Versuch und wenn sie dann gelegt sind, dann ist auch die Freude groß. Denn bei „Nioh” kann schon der kleinste Fehler dafür sorgen, dass man ganz schnell das Zeitliche segnet, da die Gegner ebenfalls schnell angreifen und oft auch direkt Kombos auspacken, die aber nur selten mit einem Schlag die komplette Lebensleiste aussaugen.

Online für den Clan

Bei „Nioh” kann man auch auf verschiedene Arten miteinander und bald durch einen Patch auch gegeneinander spielen. Den Online-Modus konnten wir bisher nur wenig antesten, da die Server erst seit Dienstag online sind, aber es läuft relativ simpel ab. Auf der Weltkarte kann man das Matchmaking auswählen und da unter verschiedenen Parametern wie bestimmte Missionen oder nur mit Freunden nach einem passenden Spiel suchen. An einem Schrein innerhalb einer Mission kann man auch über ein Item jemanden in sein Spiel rufen, der einem dann hilft. Wir konnten jetzt in der kurzen Zeit noch nicht feststellen, ob die Missionen auch auf zwei Spieler skaliert werden, jedoch fühlte es sich schon etwas einfacher an, wenn man zu zweit unterwegs ist. Derjenige, der beschworen wurde bekommt für seine Hilfe übrigens Glory-Punkte. Mit diesen kann man im späteren Verlauf des Spiels, wenn man dann die Funktion freigeschaltet hat, Items kaufen. Zudem schließt man sich ab dem Punkt auch einem der fast zwei dutzend Clans an und trägt einen asynchronen Krieg aus. Die Gewinner bekommen jede Woche zusätzliche Belohnungen. Selbst wenn man nicht Online spielen möchte sollte man sich einem Clan anschließen, da man dadurch noch einmal besondere Boni-Attribute wie Heilung von Status-Effekten durch normale Heilitems oder weniger Ki-Verbrauch beim Ausweichen. Diese kleinen Helfer würde man so ansonsten nicht im Spiel bekommen.

Flüssiges Geschnetzel

Wir konnten „Nioh” bisher nur auf der Standard-PS4 testen, aber schon da hat es sich technisch von einer sehr guten Seite präsentiert. Zu Beginn kann man aus verschiedenen Modi auswählen, die entweder gesperrte 30 FPS und damit ein Spielgefühl wie „Dark Souls” bieten, die die Auflösung möglichst hoch halten oder die versuchen, durch eine dynamische Auflösung die FPS auf bis 60 Frames zu pushen – die PS4 Pro hat sogar noch mehr Auswahl. Gerade letzteres funktioniert erstaunlich gut und in nur wenigen Szenen kommt es zu sehr starken Aussetzern aber das Spiel geht trotzdem niemals unter 30 FPS. Akustisch gibt es nur vereinzelt Tracks zu hören aber diese werden sehr stimmig eingesetzt und wartet mit einem orchestralen Soundtrack auf. Sowieso ist das Spiel an allen Ecken und Enden hochwertig produziert und man merkt, dass Team Ninja „Nioh” zu einem ganz großen Titel machen wollte, was ihnen auch gelungen ist.

Sebastians Meinung zu Nioh

Ich hab „Dark Souls” nach dem Tutorial unmotiviert aufgehört und auch in der Alpha von „Nioh” im letzten Jahr völlig genervt den Controller in die Ecke geworfen. Als absoluter „Souls”-Anfänger hatte ich ein wenig Angst, dass ich komplett versagen werde beim Testen von „Nioh”. Aber schon sehr früh hat es auf einmal Klick gemacht. Jetzt bin ich auch nach 20 Stunden und knapp der Hälfte des Spiels hochmotiviert und werde es auch noch weiterspielen. Die hohe Geschwindigkeit, die vielen Mechaniken im Kampf und einfach das motivierende Gefühl, auch die nächsten noch schwierigeren Hürden zu überwinden. Zudem merkt man, wie man sich nach und nach rein fuchst und an den Herausforderungen wächst sowie seine Fähigkeiten im Spiel verbessert. Ich hatte immer wieder beim Spielen das „Nur noch eine Runde”-Gefühl, was für mich persönlich immer ein Zeichen für ein gutes Spiel ist – und genau das ist „Nioh” auch.

Marcos Meinung zu Nioh

Das Schwierigste an „Nioh” war für mich definitiv, den Titel nicht ständig mit „Bloodborne” zu vergleichen. Deshalb war der Einstieg für mich wirklich hart und es hat gedauert, bis ich erfolgreich die ersten Bosse besiegen konnte. Doch genauso wie bei „Bloodborne” wird man nach der Eingewöhnungszeit mit einem großartigen Spiel belohnt, das zwar bekannte Elemente nutzt, dabei aber so viel anders macht und eigene Mechaniken einführt, sogar noch sehr viel mehr, sodass man gar nicht mehr vom Controller loskommt und merkt, dass es sich hierbei definitiv nicht um eine einfache Kopie handelt. Das Spiel kann frustrierend schwer sein, bleibt aber dennoch fair. Einzig die Welt konnte mich nicht überzeugen, da ich etwas von den detaillierten sowie zusammenhängenden Welten von From Software verwöhnt bin. Das ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt, der durch sehr viele positive Aspekte mehr als wett gemacht wird. Damit dürfte wohl ein heißer Kandidat für das Spiel des Jahres jetzt schon feststehen.