Bereits auf der Gamescom 2016 durften wir einen ersten Blick auf das unscheinbare „The Sexy Brutale“ werfen, das Knobelkost mit der Prämisse des Klassikers „Täglich grüßt das Murmeltier“ verbinden will. Tatsächlich waren wir damals schon schwer beeindruckt von dem Spiel, doch natürlich sollte man bei jeder Veröffentlichung vorsichtig sein, denn ein guter Eindruck macht noch kein gutes Spiel aus. Sollten die Spieler also der Einladung des Marquis folgen, oder die Reise zum Sexy Brutale meiden? Wir haben Lebensretter gespielt, um es euch zu verraten.

Der Marquis lädt ein

Der Spieler übernimmt die Rolle des stummen Priesters Lafcadio Boone, der sich plötzlich in dem riesigen Anwesen des Marquis befindet. Das Sexy Brutale beherbergt aber ein dunkles Geheimnis, denn obwohl den Gästen scheinbar jeder Wunsch erfüllt wird, arbeitet das Personal im Hintergrund daran, eben diese geladenen Besucher zu töten. Lafcadio will natürlich seine Bekannten retten, und passend dazu erhält er von dem mysteriösen blutigen Mädchen eine Uhr, mit der er die Zeit manipulieren kann. Er erlebt deshalb den Tag, an dem alle Gäste sterben, unendlich oft wieder, und muss dabei herausfinden, wie er diese retten kann. Doch das ist nur eine der Aufgaben, denn das zentrale Rätsel, wer hinter den Morden steckt, und wieso die Opfer auf brutale Weise ein Ende finden, zieht sich als roter Faden durch das Abenteuer.

Die Grundidee ist nicht unbedingt etwas neues, doch diese in einem Videospiel verwirklicht zu sehen, ist etwas Besonderes. Vor allem aber die vielen Geschichten, die alle parallel verlaufen, von denen man aber jede nacheinander verfolgt, überzeugen auf voller Linie. Jeder Charakter hat eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die dem Spiel unglaublich viel Charme, aber auch Dramatik bringen. Doch nicht nur die Geschichten, die direkt erzählt werden, auch der Hintergrund ist interessant, da man überall Informationen zu den Personen und Räumlichkeiten finden kann, die spannend geschrieben sind und wirklich dazu motivieren, jedes kleine Detail herauszufinden. Das Highlight ist aber tatsächlich das Finale, das uns durchaus überrascht hat und der guten Geschichte den perfekten Abschluss verleiht.

Same procedure as every day

Der Spielablauf ist schnell erklärt. Man steuert den Priester durch die verschiedenen Räume, untersucht Objekte, nimmt Items auf und setzt sie an der richtigen Stelle ein, um am Ende den Mord zu verhindern. Das wird durch entsprechende Markierungen auf dem Boden erleichtert, sodass man nicht vor jeder Wand stehen bleiben muss, um versteckte Hinweise zu finden. Das Besondere an „The Sexy Brutale“ ist aber, dass man als passiver Zuschauer agieren muss, also nicht mit den Akteuren sprechen oder direkt interagieren kann. Sollte man sich nämlich im selben Raum befinden, jagen einen die Masken der Anwesenden und ziehen einem Lebensenergie ab. Das ist zwar nie sehr viel, man kann aber währenddessen auch nichts im Raum tun, weshalb einem nur die Flucht bleibt.

Wer nun an klassische Point and Click-Abenteuer denkt, dürfte überrascht werden. Das Spiel bietet nämlich einen zwölf Stunden Zyklus, innerhalb dessen sich alle Charaktere bewegen und auch mit Objekten interagieren. Man muss also deren Schritte verfolgen und schauen, was sowohl Täter als auch Opfer zu welcher Uhrzeit machen, um die Lösung herauszufinden. Praktisch ist da die Karte, die jede Sichtung zur passenden Uhrzeit automatisch speichert. Der Spieler muss also das Geschehen beobachten, und durch geschickte Beobachtungen herausfinden, wie genau man wann etwas tun muss, um die Gäste zu retten.

Ein großartiger Spaß

Die Rätsel selber sind nicht unbedingt die schwierigsten, und mit der richtigen Planung dürfte man nie zu lange fest stecken. Doch gleichzeitig werden einem die Lösungen nicht auf die Nase gedrückt, sodass man wirklich die Zeitmechanik voll ausreizen muss, um jeden Hergang zu verstehen. Das Rätseln wird allerdings auch durch das Zusammenspiel mit der Geschichte angenehmer gestaltet, denn man möchte nicht nur schnell die Lösung finden, sondern auch genau beobachten, was welcher Charakter alles macht, um möglichst viel von den Geschehnissen mitzubekommen. Einen echten Zeitdruck gibt es allerdings nicht, denn obwohl man darauf achten muss, bestimmte Objekte zu bestimmten Zeiten zu manipulieren, kann man die Uhr jederzeit auf den Anfang zurückstellen, und an bestimmten Orten auch vorspulen.

Zugegeben, wenn man sich eine Szene mehrfach anschauen muss, weil man wartet, dass bestimmte Räume begehbar werden, könnte etwas Frust aufkommen. Tatsächlich ist es aber so motivierend, die Lösungen herauszufinden, dass man diesen Umstand leicht akzeptiert. Mit jedem neuen Tagesbeginn lernt man etwas hinzu, sodass die Wiederholungen zu einer echten Lehre werden. Zusätzlich gibt es noch eine Menge für Sammler, denn neben vielen Einträgen zu dem Gebäude lassen sich noch Charakterprofile sowie 52 Sammelkarten finden. Deshalb macht es auch nach dem Abschluss der Geschichte noch Spaß, 100% des Titels zu entdecken und somit tatsächlich alle Geheimnisse zu lüften.

Das besondere Erlebnis

Das Spielgefühl ist tatsächlich eines, das man so noch nicht erlebt hat. Das Zusammenspiel von der Geschichte und den simplen und doch vielfältigen Mechaniken lässt jeden Fall zu einem wahren Spektakel werden. Dabei muss man natürlich eine gewisse Portion schwarzen Humor billigen, denn gerade die Mordszenen können manchmal schockieren. Doch während einige Szenen absurd lustig wirken, sind andere wahnsinnig emotional und können geradezu Gänsehaut verursachen. Man möchte den schillernden Gästen helfen, und dennoch zeigt einem das Spiel auch danach noch die kalte Schulter. Obwohl man die Gäste einmal gerettet hat und dadurch zu einem weiteren Teil des Hauses Zutritt erlangt, beginnt der Tag normal von Vorne, sodass man auch im fünften Fall noch den Schuss aus der ersten Mordszene hören kann. Dadurch wird die Welt sehr viel dynamischer und glaubwürdiger gestaltet, und die Macher beweisen wirklich, wie sehr sie den Ablauf durchdacht haben.

Wenn man nach etwas Kritik suchen möchte, könnte man bemängeln, dass man bereits nach fünf bis sechs Stunden das Ende gesehen hat, und danach nur noch nach den Sammelgegenständen suchen kann. Doch eben diese Länge ist recht angenehm, denn nie hat man das Gefühl, dass man genug von dem Zyklus gesehen hat. Wenn man zudem einen Fall beendet, erhält man die Fähigkeit einer Maske, um weitere Bereiche und Geheimnisse aufzudecken. Zwar werden diese nicht gerade übermäßig in den Knobeleien eingesetzt, trotzdem motivieren sie ungemein dazu, auch bereits beendete Gebiete ein weiteres Mal zu betreten.

Technik

Optisch kann der Stil auf ganzer Linie abliefern. Der Comic-Look mit den fast schon niedlichen Charakteren ist eine wahre Augenweide, und verleiht dem Titel mit seinen durchaus dramatischen, gleichzeitig aber auch abstrusen Mordfällen genau den richtigen Stil. Lediglich die Kantenglättung ist nicht perfekt, doch das fällt einem dank der gut designten Räume nicht unbedingt auf. Schlimmer ist da schon die Bildrate, die nie wirklich stabil bleiben will und gerade beim Raumwechsel Probleme bereitet. Das stört zwar dank der Natur des Titels nie, dennoch zerstört es stellenweise die Ästhetik.

Der Soundtrack hingegen ist wieder ein Highlight und kann mit jedem einzelnen Track punkten. Einige davon sind sogar richtige Ohrwürmer, während andere genau die passende Emotion auslösen, die die Szenen benötigen. Der Soundtrack ist auch dynamisch, sodass er je nach Ort in andere Stücke übergeht. Synchronsprecher gibt es leider keine, die vor allem gegen Ende viel zur Stimmung hätten beitragen können, doch während des Gameplays ist es tatsächlich angenehmer, Texte zu lesen anstatt ein Stimmenchaos zu erleben. Dafür ist die deutsche Lokalisierung sehr gut gelungen.