Die „Tom Clancy’s Ghost Recon“-Reihe hat mittlerweile über 15 Jahre auf dem Buckel. Ursprünglich als Taktik-Shooter-Serie gestartet, hat sich die Marke einem immer breiteren Publikum eröffnet und dementsprechend auch an der Formel geschraubt, um höhere Verkaufszahlen zu generieren. Der letzte Konsolenableger, „Tom Clancy’s Ghost Recon: Future Soldier“, konnte noch vergleichsweise überzeugen, auch, wenn hartgesottene Fans einen schleichenden Verlust der Taktik-Shooter-Identität befürchteten. Mit „Tom Clancy’s Ghost Recon: Wildlands“ bringt Ubisoft Paris die vermutlich bisher drastischsten Änderungen in die altbewährte Formel. Ob der Neuanstrich funktioniert hat oder man sich damit in’s taktische Aus manövriert hat, verrät unsere Review.

Bolivarische Freuden

Einmal mehr versetzt es den Spieler in den Hinterhof der Vereinigten Staaten von Amerika. Diesmal ist jedoch nicht Mexiko das Ziel, sondern es geht weiter südlich, Richtung Bolivien. Wir schreiben das Jahr 2019 und die politische Situation hat sich in dem armen lateinamerikanischen Land zunehmend verschlechtert. Das Santa-Blanca-Drogenkartell hat seine Krallen von Mexiko aus nach Bolivien ausgestreckt und sich dort zu einem stattlichen Vertreter gemausert, auf den selbst Pablo Escobar persönlich stolz gewesen wäre. Die Vereinigten Staaten beobachten diese Entwicklung mit Sorge, ehe es den politischen Vertretern in Washington D.C. reicht und man das Drogenkartell zerschlagen will. Die Operation „Kingslayer“ läuft an, mit dem Ziel den kriminellen Machenschaften den Garaus zu machen, sowie „El Sueño“, den Kopf der Organisation, zu neutralisieren. Das „Ghosts“-Team arbeitet dabei mit einer lokalen Widerstandsgruppe zusammen und nimmt den Kampf gegen Santa Blanca auf. Es entspannt sich eine Geschichte, die schlussendlich nur als Ausgangspunkt für die Aktivitäten der „Ghosts“ dient. Die Hintergrundgeschichte war sicherlich noch nie eine besondere Stärke der „Tom Clancy’s Ghost Recon“-Reihe und dabei fügt sich auch der aktuelle Ableger in das Bild nahtlos ein. Sie erfüllt ihren Zweck, ist aber in jedem anderen Bereich mindestens so vorhersehbar und banal, wie irrelevant. Ähnlich verhält es sich mit den typischen charakterlosen Soldatenarchetypen, die den Squad bilden. Die Dialoge zwischen den Charakteren sind stellenweise so peinlich auf „cool“ und „hart“ getrimmt, dass es zum fremdschämen ist. Am Ende des Tages wird aber auch niemand ein „Tom Clancy’s Ghost Recon“-Spiel wegen der atemberaubenden Story oder den vielschichtigen Charakteren spielen.

Königsmörder

Zu Beginn des Spiels erstellt ihr euren Charakter in einem entsprechenden Editor nach euren Wünschen. Auffällig ist hierbei der Mangel an Optionen, wenn man bedenkt, wie man in vielen anderen Spielen mittlerweile tonnenweise Werkzeuge in die Hand gedrückt bekommt. Immerhin schaltet man im Laufe der Zeit weitere Möglichkeiten frei, während man die Physis des neuerstellten Soldaten nachträglich nicht mehr ändern kann. Die Prämisse des Spiels ist relativ simpel, der Spieler steuert sein Team durch das virtuelle Bolivien, um nach und nach das Kartell zu Fall zu bringen. In jedem Gebiet gibt es Bosse, die es auszuschalten gibt, die dann zu höheren Bossen führen, während man gleichzeitig mit den Rebellen zusammenarbeitet. Spielerisch erinnert das Spiel natürlich an seine Vorgänger, wobei man deutlich an taktischer Tiefe und Optionen eingebüßt hat. Den eigenen Charakter steuert man in einer Third-Person-Perspektive, während aus der First-Person-Perspektive geschossen wird. Das ist ein etwas gewöhnungsbedürftiger Ansatz, der sich für uns zu Beginn nicht sonderlich organisch angefühlt hat, allerdings kommt man dann doch relativ schnell hinein und dann funktioniert das eigentliche Gameplay auch ganz solide. Ein reines Third-Person-Erlebnis, mit offensichtlichen Ausnahmen, wie beim Scharfschützengewehr, wäre uns trotzallem lieber gewesen und näher an den Wurzeln der Serie. 

Wähle deinen Actionhelden

Während man also das südamerikanische Land vom Drogenkartell säubert, kann man entweder den Schleicheinsatz oder die Rambovariante bevorzugen, oder natürlich eine Mischung aus beidem. Aufgrund des Mangels an Möglichkeiten und Herausforderung, sowie den selben, unkreativen Missionsschemen, stellt sich leider auch sehr schnell ein repetitives Spielerlebnis ein, obwohl das Grundgerüst okay ist. Die taktischen Optionen sind relativ schnell erschöpft, so lassen sich beispielsweise die Gegner aus großer Distanz mit einer Flugdrohne auskundschaften und per Knopfdruck mit dem „Sync-Shot“, in dem das „Ghosts“-Team die markierten Gegner ohne Problem ausschalten. Oder ihr schickt eure treuen Soldaten direkt an die Front, während ihr aus sicherer Distanz euer Scharfschützengewehr sprechen lässt. Allerdings hat sich die K.I. das Prädikat „besonders dumm“ verdient, ein eigenständiges und nachvollziehbares Agieren auf dem Schlachtfeld sucht man leider vergebens. Stattdessen zerstören die eigenen Soldaten regelmäßig jede Illusion davon, dass man ein toptrainiertes Team an Elitesoldaten kommandiert, sondern eher drei Kopien von Frank Drebin aus „Die nackte Kanone“. Wer wirklich Spaß haben will, holt sich echte Spiele in das Boot. Dann kann man auch langsam erahnen, wohin Ubisoft mit dem Titel eigentlich will, denn aus einer Koop-Action-Perspektive kann man sich tatsächlich einiges an Spielspaß aus dem Titel ziehen. Sei es ein geordneter Schleicheinsatz, der mit viel Kommunikation geplant und getimt wird, oder eine wilde Verfolgungsjagd im Auto, die Szenarien sind bunt und sorgen für ordentliche Freudenmomente.

Welcome to the jungle

Nach dem man beispielsweise in „Tom Clancy’s Ghost Recon: Advanced Warfighters“ klar strukturierte Missionen hat, ist der neueste Ableger in die offene Welt abgetaucht. Der französische Publisher folgt damit seinen eigenen Trend, immer mehr Spiele in eine Open World zu transferieren. Ein durchaus interessanter, vielleicht sogar mutiger Ansatz, der aber nicht so recht zünden will. Stattdessen wird einem eine Wildnis präsentiert, die eben außer Wildnis nicht viel zu bieten hat. Man kämpft sich durch Hügel und Berge, durch den Dschungel und durch Dörfer, aber wirklich markante Orte mit Wiedererkennungswert sucht man hier vergebens. Insofern erinnert der Taktikshooter auch an „Just Cause“, das für uns wiederum ein Negativbeispiel für eine interessante Welt ist. Beide Spiele haben gemeinsam, dass sie einem zwar theoretisch viel Fläche bieten, jedoch der geschaffene Spielplatz aus vielen leeren Kilometern besteht, die wenig zum Erkunden einladen, weil entweder vieles gleich aussieht oder einfach uninteressant ist. Im Grunde sucht man die entsprechende Plätze dann nur auf, weil man von Missionswegen her muss, denn das Spiel ist randgefüllt mit zahlreichen Haupt- und Nebenmissionen, weshalb man am Ende auf eine stattliche Spielstundenanzahl kommt. Andererseits, will man bei der Fahrphysik auch nicht wirklich mehr Zeit im Fahrzeug verbringen, als wirklich notwendig. Die Kombination aus furchtbar unresponsiver und schwammiger Lenkung mit der Tatsache, dass man selten auf wirklich befestigten Straßen unterwegs ist, macht es dem Spieler schwer, längere Zeit ein konstant hohes Tempo zu halten, ohne den nächsten Fahrunfall zu provozieren. Glücklicherweise gibt es in Bolivien Helikopter in Hülle und Fülle.

Technik

Optisch kann sich das neueste Werk aus dem „Tom Clancy“-Universum durchaus sehen lassen, die Charaktermodelle müssen sich vor vergleichbaren Titel nicht verstecken, sondern zählen eher zu den ansehnlicheren Vertretern. Die bolivianische Wildnis darf sich in puncto Ästhetik glücklich schätzen und vibriert vor farbenfrohen Panoramen, dass man hier nicht die Arbeit hat schleifen lassen. Neben dem Mangel an wirklich erkundungswürdigen Punkten, wäre auch noch eine miserable optische Gestaltung wohl noch einmal deutlich schwieriger zu verdauen. Die Synchronarbeit ist zumindest im englischen Original okay, in der deutschen Sprachausgabe leider, wie bei so vielen Spielen, eine mittlere Katastrophe, die deutlich an Glaubwürdigkeit einbüßen lässt. Eine Sache haben jedoch beide gemeinsam: Oft hat das Gesprochene der Soldaten rein gar nichts mit den aktuellen Geschehnissen zu tun. Das lässt die ohnehin schon fragwürdigen Dialoge noch dümmer und deplatzierter wirken. Bei den weniger beeindruckenden Waffensounds, die sowohl an Wucht, als auch stellenweise an jeweilige Charakteristika vermissen lassen, können wir den Jungs nur den guten Tipp geben, sich ein oder zwei Ratschläge bei EAs Entwicklerteams wie DICE holen zu lassen.