Der erste Ableger der „Persona“-Reihe ist ursprünglich ein Spin-off der „Shin Megami Tensei“-Serie gewesen, doch spätestens nach „Persona 3“ hat die Reihe ihre eigene Dynamik entwickelt. Die Spiele bieten ein klassisches, rundenbasiertes Kampfsystem mit mehreren Finessen und eine Erzählung mit interessanten Charakteren und einer hervorragenden Präsentation. Für „Persona 5“ bauen die Entwickler bei Atlus die Stärken der Serie weiter aus und nehmen sich die Kritikpunkte der Fans zu bisherigen Serienablegern zu Herzen. Letzteres gelingt dem Team zwar nur bedingt, doch warum der Titel nichtsdestotrotz ein atemberaubendes Rollenspiel-Erlebnis darstellt, erfahrt ihr in unserem Testbericht.

Die korrupte Welt der Erwachsenen

Wie gewohnt, startet auch „Persona 5“ mit dem Semesterbeginn der japanischen Schulen im April. Der Protagonist des Spiels ist aktuell allerdings auf Bewährung, nachdem er eines Abends einer Frau geholfen hat, aber mysteriöserweise von der Polizei beschuldigt wird, Körperverletzung begangen zu haben. Der Protagonist muss sowohl seine Nachbarschaft als auch seine Schule wechseln und wird glücklicherweise noch von der Shujin Akademie in Tokio aufgenommen.

Doch auch an seiner neuen Schule bestimmt ein korruptes Lehrpersonal die Tagesordnung. Da der Volleyball-Lehrer Kamoshida ein erfolgreicher Athlet ist und auch dem Schul-Volleyball-Team zu Erfolgen verholfen hat, schweigen sowohl Schüler als auch Lehrer zu den Vorwürfen, dass Kamoshida Schülerinnen sexuell belästigt und seine Athleten willkürlich zu Grunde trainiert. Mit Ryuji und Ann findet der Protagonist jedoch zwei neue Freunde, die die Wahrheit enthüllen möchten. Ihre Bemühungen sind allerdings vergeblich, da alle Beteiligten entweder eingeschüchtert worden sind oder von Kamoshida profitieren.

Zu ihrer Hilfe eilt dann jedoch eine übernatürliche Smartphone-App, die das Team in die Schattenwelt bringt. In dieser haben sämtliche Personen, die verzerrte Lüste besitzen, eigene Paläste, in denen ihre Wahrnehmungen Gestalt annehmen und in denen Menschen wie Kamoshida ihr Ego als Schatz verstecken. Wem dieser Schatz abhanden kommt, der erlebt in der realen Welt einen Sinneswandel und gesteht seine Verbrechen. Für den Protagonisten, Ryuji und Ann ist die Sache damit klar: Die drei schließen sich zu den Phantomdieben zusammen und bekämpfen ihren Volleyball-Lehrer.

Die Gruppe wächst im Laufe des Spiels weiter an während sie zahlreiche Bösewichte bekämpft, doch das übergreifende Thema der Korruption zieht sich durch alle Abschnitte. Tatsächlich schneidet die Erzählung einige essentielle Probleme der japanischen Gesellschaft an, die genauso aber auch auf den Westen projiziert werden können und teilweise dort sowieso bereits existieren. Das Spiel motiviert zum Nachdenken und die Geschichte ist erwachsener, kritischer und realer als in bisherigen Serienablegern. Insgesamt bleibt einem die Erzählung also positiv in Erinnerung, auch wenn sie gelegentlich zu deutlich in Schwarz und Weiß einteilt und das Böse offensichtlich ist.

Mach es dir gemütlich

Sämtliche Ereignisse in „Persona 5“ spielen sich innerhalb eines Jahres ab, das heißt vom April bis zum März des darauffolgenden Jahres. Tatsächlich spielt man auch Tag für Tag durch. Ein einziger Tag ist nach dem folgenden Schema aufgebaut: Vormittags bis nachmittags ist man in der Regel an der Schule und hat einen vom Spiel vorgeschriebenen Ablauf zu beobachten. Ab und an sitzt man dabei im Unterricht und muss eine Frage beantworten oder schreibt eine Prüfung. Diese Fragen tragen häufig zum Verständnis bei und erklären unter anderem auch Eigenheiten der japanischen Gesellschaft oder unterrichten die Spielerin beziehungsweise den Spieler über berühmte Diebe der Menschheitsgeschichte.

Frei entscheiden kann man schließlich am Nachmittag nach dem Unterricht und am Abend; pro Tag darf man also in der Regel zwei Aktionen auswählen. Viele Tage sind durch die Story bereits belegt, aber man bestimmt in etwa über 100 Tage selbst.

Sofern man nicht in einem Dungeon ist, besteht der Rest eines „Persona“-Titels aus Gesprächen mit sogenannten Vertrauten (Confidants). Neben den Teammitgliedern, die sich häufig durch eine Ungerechtigkeit den Phantomdieben anschließen, gibt es eine Reihe von weiteren Personen, mit denen man eine freundschaftliche Beziehung aufbauen kann. Hierzu verbringt man mit der Person etwas Zeit; in der Regel kostet es die Spielerin beziehungsweise den Spieler einen Nachmittag oder Abend. Mit jedem Gespräch steigt der Confidant-Rang um eine Stufe bis zum Höchstwert von zehn.

Diese Gespräche sind ein wesentlicher Teil des Abenteuers, da sie nicht nur einen Einblick in die interessanten Charaktere des Titels geben, sondern auch erhebliche Vorteile im Kampf bieten. Ein höherer Rang mit den Teammitgliedern ermöglicht, dass diese mehr aushalten, kritische Treffer überleben oder sogar den Attacken des Protagonisten direkt folgen. Sämtliche Personen, die nicht im Team aktiv teilnehmen, erhöhen beispielsweise die Erfahrungspunkte aus einem Kampf oder bieten im Fall der Ärztin zusätzliche Items an, die sich als sehr nützlich erweisen.

Bei den Gesprächen hat man hin und wieder die Möglichkeit, aus zwei oder drei Antworten zu wählen. Je nach Antwort reagiert das Gegenüber auf eine bestimmte Weise und ist entweder erfreut oder weniger glücklich über den Protagonisten. Diese Punkte, die nach der Antwort auch explizit abgebildet werden, haben Einfluss darauf, wie früh sich die Person das nächste Mal mit dem Protagonisten treffen möchte. Da die Zeit in diesem Spiel sehr begrenzt ist, muss man also sehr genau die Gespräche verfolgen und bedacht antworten.

Leg dich bitte schlafen

An dieser Formel hat das Entwicklerteam nicht viel geändert; Spielerinnen und Spieler der früheren Serienableger werden sich sofort zuhause fühlen. Andersrum ist ein Großteil der Kritik, die bisherige Titel zu ihrer Zeit haben ertragen müssen, auch im Fall von „Persona 5“ gültig. Im aktuellen Ableger ist man zwar tatsächlich früher im Spiel und in einem Kampf als noch in „Persona 4“, doch der Spaß hält besonders anfangs immer nur kurz an, bis man wieder durch stundenlange Story-relevante Gespräche und Zwischensequenzen gezogen wird.

Überraschenderweise taucht dieses Schema aber auch im restlichen Abenteuer auf und man wird immer wieder zwei bis drei Wochen am Stück vom Spiel geführt, bis man wieder mehr Entscheidungen treffen kann, oder muss sich abends ständig schlafen legen, ohne dass es genauer begründet wird. Insgesamt ziehen und wiederholen sich einige Gespräche viel zu oft. Die träge Natur ist zudem auch in den optionalen Confidant-Gesprächen vorhanden; sie sind nach wie vor kaum interaktiv.

Allerdings machen gerade die interessanten Charaktere und ihre Vergangenheit die besondere Welt von „Persona 5“ aus, sodass man sich teilweise ohne Einwände durch lange Texte klickt. Da die Story aber beim ersten Spielen in etwa 100 Stunden umfasst, wünscht man sich hin und wieder doch etwas Abwechslung.

Komplett neues Dungeon-Design

Bilden die Gespräche und Interaktionen mit den Charakteren eine Hälfte des Spiels, so sind die Dungeons und Kämpfe die andere, und kein Serienableger ist in letzterem so souverän wie „Persona 5“.

Die Dungeons unterschieden sich in bisherigen „Persona“-Titeln nur in der Optik und bestanden sonst aus zufällig generierten Korridoren, doch das ist dieses Mal anders, auch wenn mit Mementos ein Dungeon dieser Art noch existiert. Bis auf Mementos sind alle Dungeons individuell gestaltete Paläste, die alle ein festes Gerüst besitzen, und bestehen aus mehr als nur ellenlangen Gängen.

Im Design sind die Paläste vielfältig; das Setting und die Aufmachung fügen sich häufig der zugehörigen Handlung. Beispielsweise nimmt der Volleyball-Lehrer aus der ersten Mission die Schule als ein mittelalterliches Schloss wahr, in dem er als König regiert – und die Umsetzung ist makellos. Aus Spoilergründen belassen wir es beim ersten Beispiel, doch die darauffolgenden Palästen setzen stets noch einen drauf.

Doch auch – oder gerade – im Gameplay hat sich die Reihe mit diesem fünften Hauptteil entwickelt. Sämtliche Palastbesitzer nehmen die Truppe um den Protagonisten als Eindringlinge wahr und die Phantomdiebe spazieren auch nicht geradeaus in das feindliche Gebiet ein, sondern infiltrieren dieses. Das Ziel ist es stets, den Standort des Schatzes auszumachen und eine Infiltrationsroute festzulegen. Schließlich müssen die Diebe erst einmal eine Calling Card an den Palastbesitzer senden, damit der Schatz durch die Bedrohung der Phantomdiebe eine physische Form annimmt und gestohlen werden kann. Konnte man in bisherigen Serienablegern in einem Durchgang einen Dungeon meistern, muss man sich in „Persona 5“ pro Palast mindestens einmal zurückziehen, um die Wahrnehmung der Person in der realen Welt zu verändern und damit ein Hindernis in der Schattenwelt zu beseitigen.

Innerhalb der Dungeons bewegt man sich auch nicht frei herum und muss sich als Meisterdieb im Verstecken beweisen und die Schattengegner in einen Hinterhalt locken können. Letztere haben den Vorteil, dass im Kampf jeder der vielen eigenen teilnehmenden Charaktere einmal angreifen kann bevor der Gegner ziehen darf. In der zweiten Hälfte jedes Palastes ist zudem das Weiterkommen an Rätsel gekoppelt, die unterhaltsam, doch nie allzu herausfordernd sind. Außerdem sind manche Dungeons, etwa ab dem vierten, häufig zu lang, gerade wenn man sie an einem Stück beenden möchte. Atmosphärisch fügen sich die Paläste mit ihrem Design und ihrer Topologie aber insgesamt optimal in die Phantomdieb-Aufmachung ein.

Ein spektakuläres Rollenspiel-Fest

Die rundenbasierten Kämpfe sind eine der größten Stärken von „Persona 4“ gewesen, und „Persona 5“ unterliegt seinem Vorgänger in keinem Aspekt. Das Grundgerüst bilden Schwächen und Stärken von den namensgebenden Persona-Wesen, die als die Manifestierung des menschlichen Charakters gelten. Die Teammitglieder besitzen jeweils ein Persona, bloß der Protagonist kann anfangs sechs und später bis zu zwölf Persona mit sich tragen.

Wer aus einem Kampf als Sieger hervorgehen möchte, muss im Wesentlichen nur die Schwächen des Gegners kennen und die Oberhand über Statusveränderungen besitzen. Am Kampf nehmen im eigenen Team gleichzeitig vier Charaktere teil und falls man aus einem Hinterhalt in die Auseinandersetzung gegangen ist, dürfen diese auch als erstes ziehen; ansonsten entscheiden die Initiativwerte über die Reihenfolge. Trifft man jedenfalls die Schwäche eines Personas, geht dieses zu Boden und der Charakter, der die Schwäche getroffen hat, darf ein weiteres Mal angreifen. Sind alle Gegner auf dem Boden und hat der eigene Charakter mit dem letzten Angriff eine weitere Runde hinzugewonnen, werden die gegnerischen Schatten von den Phantomdieben umzingelt.

Mit dem Dreieck-Knopf startet man eine sogenannte All-Out-Attacke, in der das Team gemeinsam angreift und in der Regel dem Kampf ein stylisches Ende bereitet. Alternativ kann man erstmals in „Persona 5“ auch mit dem Gegner verhandeln – wie zuletzt in „Shin Megami Tensei IV Apocalypse“ für den Nintendo 3DS. Bei einem erfolgreichen Gespräch schließt sich der Gegner dem eigenen Team an, gibt ein Item ab oder bezahlt die Spielerin beziehungsweise den Spieler. Der Erfolg eines Gesprächs hängt von der Natur des Gegners und den Antworten des Protagonisten ab.

Bei Misserfolg scheut sich das Spiel derweil nicht davor, einen mit einer heftigen Konterattacke zu bestrafen. Dasselbe erwartet einen auch, falls man in einen gegnerischen Hinterhalt gerät, weshalb man sowohl im Dungeon als auch im Kampf nachdenken sollte, bevor man handelt.

Die Fähigkeiten eines Meisterdiebes

Neben den regulären Angriffstypen wie Feuer, Eis, Elektro und Wind gibt es in diesem Spiel noch nukleare, psychische, heilige und dunkle Angriffe. Manche Gegner sind aber auch einfach nur gegen gewöhnliche Nahkampfattacken schwach. Neu ist, dass die Phantomdiebe nun auch über Schusswaffen angreifen können. Außerdem gesellt sich mit Baton Pass eine weitere Fähigkeit in das eigene Repertoire, die es ermöglicht, eine zusätzliche Runde eines Charakters auf einen anderen Mitstreiter zu übertragen und dabei den Angriffswert zu erhöhen.

Die Kämpfe in „Persona 5“ können sehr schnell zu einer bedrohlichen Herausforderung werden und machen es notwendig, die oben beschriebenen Mechaniken, Status- und Werteveränderungen zu meistern. Die Auseinandersetzungen sind oftmals derart gestaltet, dass man nicht bloß aufleveln kann und tatsächlich auch mit den Werten herumspielen muss – spätestens bei den phänomenalen Bosskämpfen.

Entscheidend ist oftmals auch, dass der Protagonist mehrere Persona besitzen und daher seine eigenen Stärken und Schwächen flexibel ändern kann. Erweitert wird letzteres zudem durch die Möglichkeit, zwei oder mehrere Persona zu stärkeren zu fusionieren. Insgesamt entwickeln sich die Kämpfe auch durch die Gespräche mit den Vertrauten, die dem Team einige nützliche Fähigkeiten anbieten. Leider eröffnet sich die vollkommene Pracht des Kampfsystems damit auch erst gegen Ende, sodass man anfangs mit weniger auskommen muss, auch wenn dieses bereits für sich stehen kann.

Eine stylische Präsentation

Man merkt dem Titel gelegentlich zwar an, dass er zunächst für die PlayStation 3 gedacht war, doch der Mangel an Details wird bestens durch einen einzigartigen Stil behoben. Das Design der Charaktere, Dungeons und des virtuellen Tokios ist wunderbar. Das Spiel strotzt nur so vor stylischen Kämpfen und Zwischensequenzen, und selbst die Menüs nach dem Kampf oder beim Einkaufen hätten nicht schöner aussehen können.

Gleichzeitig wird man von den umwerfenden Kompositionen von Shoji Meguro verwöhnt, der bereits bei den letzten beiden Serienablegern Beeindruckendes geleistet hatte, doch der Soundtrack von „Persona 5“ ist für mich der Höhepunkt der Serie. Womit Atlus zudem wieder punkten kann, ist eine gelungene englische Lokalisation in Sprache und Text. Sehr selten klingt und liest sich etwas nicht authentisch, doch insgesamt ist die Präsentation zufriedenstellend. Für Fans des Originals gibt es die japanische Synchronisation zudem als kostenlosen Zusatzinhalt über das PlayStation Network, sodass insgesamt im Grunde nur das Fehlen von deutschen Bildschirmtexten bemängelt werden kann.