Man darf wohl behaupten, dass die „Souls“-Reihe ein neues Sub-Genre erschaffen hat. Dabei geht es eben nicht nur um den Schwierigkeitsgrad, sondern den Fokus auf überlegte Kämpfe, die jederzeit die volle Aufmerksamkeit der Spieler verlangen. Deck 13 hat sich bereits mit „Lords of the Fallen“ daran versucht, und konnte ein gelungenes Spiel liefern, das jedoch einige Kritikpunkte ertragen musste. Anstatt nun einen Nachfolger zu veröffentlichen, liefern die Entwickler mit „The Surge“ ein neues Setting sowie ein überarbeitetes Kampfsystem. Tut dem Genre dieser Wechsel aber auch gut oder hat man sich zu viel vorgenommen? Wir sind öfter gestorben, als wie zählen können, und verraten euch, ob wir dabei auch Spaß hatten.

Der Aufstand der Roboter

Die Geschichte dreht sich um Warren, der einen furchtbaren ersten Arbeitstag erlebt. Eigentlich soll er durch einen Rig wieder laufen können, und dafür bei CREO-Tech arbeiten. Bei der Montage geht jedoch etwas gehörig schief, und als er aufwacht, ist nicht nur sein Rig beschädigt, alle Maschinen wollen ihn töten. Erst nachdem er einige andere Überlebende trifft, die oft ebenso ratlos über die Situation sind, erkennt Michael, dass die Maschinen nicht mehr helfen wollen, die Natur wiederherzustellen, sondern einen ganz anderen Plan für die Erde verfolgen.

Die Geschichte beginnt mit einem sehr gelungenen Intro, das sowohl kreativ als auch überaus brutal daherkommt. Im weiteren Verlauf machen die Entwickler zwar nicht unbedingt viel Gebrauch von solchen Zwischensequenzen, dennoch bleibt das Geheimnis recht spannend, und die Umgebung trägt die Geschichte, auch wenn das nicht unbedingt so ausgeprägt ist wie in anderen Genre-Vertretern. Die Charaktere, die man auf dem Weg trifft, sind leider selten erinnerungswürdig, und obwohl sie eigene Geschichten erzählen, und man ihnen sogar Fragen stellen kann, stechen nur wenige heraus. Allgemein bleibt der rote Faden aber interessant, wenn man seine Erwartungen nach dem Intro ein wenig herunterschraubt.

Maschinelle Glanzleistung

In „The Surge“ bereist der Spieler keine zusammenhängende Welt, sondern einzelne Gebiete, die sich optisch allerdings unterscheiden und durchaus miteinander verbunden sind, dann aber durch klare Ladezeiten. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Spiel linear wäre, denn diese Zonen verfügen jeweils nur über eine Medibay, die als Rücksetzpunkt dient, falls man stirbt. Und das passiert häufig, weshalb es wichtig wird, die verwinkelten Gänge zu verfolgen und somit Abkürzungen freizuschalten, um nicht immer wieder denselben langen Weg zu laufen.

Die Welt ist wirklich sehr gut gestaltet und kommt trotz den maschinellen Looks, der sich durch das gesamte Spiel zieht, wirklich gut daher. Die Gebiete sind schön ausgearbeitet, und bereits der Start kommt unerwartet bunt daher. In Sachen Gameplay glänzt der Titel dann aber erst richtig, wenn man ständig neue Wege erkundet, und versteht, wie die Orte aufgebaut sind. Es macht jedes Mal aufs Neue Spaß, Abkürzungen, Gegenstände oder gar Charaktere zu treffen, die man auf dem normalen Weg vielleicht übersehen hätte. Man hat nicht das Gefühl, man läuft einfach nur von A nach B, sondern begreift die Welt um sich herum.

Die richtige Seele

Natürlich ist das Bereisen solch einer Welt nicht wirklich lohnenswert, wenn das Kampfsystem nicht gut ist. Allerdings haben die Macher die besten Ideen des Genres mit einigen eigenen Ansätzen so gut verknüpft, dass dieses tatsächlich extrem gelungen ist. Die Schläge, die man mit den unterschiedlichen Waffen ausführen kann, dürfen horizontal oder vertikal ausgeführt werden. Ansonsten läuft man durch die Gänge, kämpft gegen die Gegner und muss eben diese Schläge so aneinanderreihen, dass man möglichst sinnvolle Kombos erstellen kann. Jeder Schlag zieht dabei etwas von der Ausdauerleiste, sodass man planen muss, wann man zuschlagen und wann ausweichen sollte.

Das an sich simple System erinnert stark an „Dark Souls“ und macht viel Spaß. Da die Gegner nie leicht zu besiegen sind, benötigt man ein Verständnis der tieferen Mechaniken, um wirklich alle Vorteile auszuspielen. Dieser Lernprozess endet auch nach vielen Stunden nicht, denn die zahlreichen Waffen, mitunter Überreste von Bossen, steuern sich allesamt sehr unterschiedlich und bringen eine neue Dynamik in das Kampfsystem. Wirklich langweilig wird es hier nie, weshalb man sich wirklich auf jeden neuen Kampf freut, um andere Taktiken oder Kombos auszuprobieren. Dabei bewegt sich der Charakter verhältnismäßig langsam, doch eben das Managen zwischen Geschwindigkeit, Ausdauer und einigen anderen Mechaniken macht den Reiz aus.

Machine Hunter G

Wer jedoch glaubt, dass hier das Gameplay fast ausschließlich kopiert wurde, der täuscht sich gewaltig. Während man in den Genre-Vertretern jeweils den Gegner anvisieren kann und ihn anschließend bekämpft, bietet „The Surge“ taktische Vorteile. Man kann nämlich die einzelnen Teile der Gegner anvisieren und diese gezielt angreifen. Hier entfaltet sich erst das gesamte Potential, denn während einige Teile gelb markiert werden, da sie gepanzert sind und man somit dort weniger Schaden anrichtet, kann man die blauen Körperteile anvisieren, um mehr Schaden auszuteilen und somit die Kämpfe schneller zu beenden. Das ist ein überraschend gut funktionierendes Konzept, das die Kämpfe stets überlegt gestaltet.

Jedoch ergibt es nicht immer Sinn, die ungeschützten Teile anzugreifen. Mit jedem Schlag erhöht sich nämlich eine Energieleiste, durch die man eine Drohne rufen kann, die beim Kampf aushilft. Sehr viel spannender sind aber die Finisher, für die man kurz den Viereck-Knopf gedrückt halten muss, und sich nicht schützen kann. Hat man jedoch vorher den Gegner geschwächt und setzt diese ein, darf man auf herrlich brutale Weise mit ansehen, wie die Feinde in Teile zerstückelt werden. Hat man nun vorher ein gepanzertes Stück angegriffen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man Materialien oder Baupläne erhält, um das eigene Rüstungsteil zu verbessern. Wer also seine Ausrüstung verstärken will, kann gezielt darauf hinarbeiten, eben diesen Loot zu erhalten.

Die Rüstung eines Überlebenden

Das erweiterte Kampfsystem ist eine wahnsinnig tolle Idee, denn man sammelt nicht mehr nur Altmetall, womit man im Level aufsteigt, sondern gezielt Teile für eine bessere Ausrüstung. Gerade deshalb ist es nicht wirklich frustrierend, oft gegen ähnliche Gegner zu kämpfen, denn man kann jedes Mal überlegen, welches Ausrüstungsteil man diesmal verbessern möchte. Da die Gegner nach jedem Tod ebenfalls wiederbelebt werden, dabei aber jeweils andere Panzerungen haben, bleibt das System vielfältig. Hier muss man darauf achten, wann genau man horizontale und vertikale Angriffe einsetzt, denn einen Arm sollte man natürlich nicht unbedingt auf erstere Weise attackieren. Das alles wird enorm wichtig, da das Crafting zwar simpel ist, jedoch zum tragenden Element für die Werteverbesserung wird. Dabei kann man seinen Charakter an den Spielstil anpassen, denn Fähigkeitspunkte gibt es nicht, und die Verbesserungen geschehen über Ausrüstung und Implantate, durch die man zum Beispiel Leben regenerieren oder die Leisten erweitern kann. Das ist erfrischend und nicht unnötig kompliziert, wobei dadurch das Aufleveln selbst etwas unspektakulärer erscheint. Die Implantate auszuwählen und dafür nur begrenzt viele gleichzeitig nutzen zu können, ist dennoch eine gute Entscheidung und lässt die Spieler genau herumprobieren, was die meisten Vorteile bringt.

Das Altmetall kann man derweil an der Medibay nicht nur zum Levelaufstieg verwenden, sondern auch zum Lagern, sodass man nicht ausgegebenes Metall nicht verliert. Trägt man nämlich etwas bei sich, muss man dieses an der Stelle des Todes wieder einsammeln, hat dafür aber nur 150 Sekunden Zeit. Das steigert den Druck enorm und verleitet zu riskanteren Aktionen, wenn man Gegner umläuft, um so zur rechten Zeit seine Beute zurückzuerhalten. Natürlich kann das aber auch frustrierend sein, wenn man in einem Gebiet umzingelt von mehreren Feinden stirbt. Allgemein sind diese Mechaniken wirklich interessant und unterhalten auch nach vielen Stunden noch, da man eine bessere Ausrüstung erhalten will, um in den Kämpfen noch effizienter zu sein. Man kann also behaupten, dass hier „Dark Souls“ auf „Monster Hunter“ trifft.

Jeder Gegner eine Gefahr

Die Bosse sind nicht so ein großer Fokus, weshalb sie nicht unbedingt zahlreich vorkommen. Dafür ist jeder Kampf extrem gut ausgearbeitet und hat nicht nur optisch etwas zu bieten. Der Spieler benötigt stets eine Strategie, um eine Chance zu haben, und herauszufinden, was man genau machen muss, ist unheimlich motivierend. Die mechanischen Ungeheuer unterscheiden sich dabei auch, sodass man nie einen ähnlichen Kampf erlebt.

Dennoch fällt auf, dass es hier nicht unbedingt darum geht, möglichst viele Bosse zu besiegen. Die einzelnen Kämpfe gegen normale Gegner sind nämlich deutlich schwieriger als in den Genre-Kollegen, denn es gibt nahezu keine Feinde, die man mit wenigen Schlägen erledigen kann. Zudem ist bereits der kleinste Fehler oft tödlich, und Gegner können den Spieler teilweise mit nur drei Schlägen zur Medibay schicken. Man gewöhnt sich im Verlauf deshalb an, die Gegner oft zu umlaufen, was einerseits ebenfalls zu spannenden Szenen führen kann, gleichzeitig aber die Kämpfe untermauert. Jeder Spieler muss selbst einschätzen, ob er eher schneller voranschreiten will, oder gerne auf einem Weg über 20 Mal stirbt.

Die Sache mit dem Balancing

Allgemein ist das Spiel in Sachen Schwierigkeit wirklich nicht zu unterschätzen. Dabei läuft das aber nicht ganz so dynamisch ab, wie man es gewohnt ist. Unfair fühlt sich das Spiel nie an, dennoch sind die Abschnitte manchmal zu lang, wenn man keine Abkürzungen findet, da wirklich jeder Gegner sehr mächtig ist. Das eigentlich clevere Level-Design ist sehr auf diese übersehbaren Wege ausgelegt, und es gibt auch sehr wenige sichere Zonen, dafür aber viele Wege dahin. Verliert man aber die Übersicht oder erkundet die verwinkelten Orte zum ersten Mal, führt der hohe Schwierigkeitsgrad zu viel Frust, da man sehr lange überleben muss, um sicher zu sein.

Das größte Problem ist aber die extrem zickige Kamera. Da es in „The Surge“ sehr viele recht enge Gänge gibt, hat diese oft das Problem, das Geschehen perfekt einzufangen, und wenn man dann noch auf mehrere Gegner trifft, fühlen sich die Tode dann doch unfair an, nicht aber wegen des Designs, sondern weil man einfach schlecht alles im Überblick halten kann. Das wird auch nicht dadurch besser, dass der Wechsel des Anvisierens zwischen den Gegnern durch die Steuerung etwas umständlich funktioniert. Gibt es dann noch Abgründe, sind Wutanfälle vorprogrammiert. Das passiert zwar nicht allzu oft, jedoch sind diese Stellen wahnsinnig frustrierend.

Technik

Optisch kann das Spiel zwar durch seine Farben und dem Sci-Fi-Look punkten. Schaut man sich aber die Texturen an, sinkt die Qualität ein wenig. Oft zu ähnlich und gerade in den langweiligeren Gebiete extrem generisch hat man sich manchmal vom Stil satt gesehen. Im Gegensatz dazu ist das Gegner-Design sehr durchdacht und überzeugt durchweg. Die Stars in der Technik-Abteilung sind jedoch die Animationen, die stets flüssig sind und das tolle Kampfsystem auch optisch ansprechend gestalten. Wirklich schön sind die Finisher, die manchmal durch die Zeitlupe noch epischer wirken.

Ansonsten bleibt „The Surge“ solide. Die Bildrate hat nur selten Aussetzer, der Soundtrack bleibt stark im Hintergrund und die Sprachausgabe ist auch auf Deutsch gelungen, auch wenn einige Akzente etwas unpassend wirken. Die Steuerung geht solide von der Hand, und es gibt keinerlei Input-Lag, was ein sehr präzises Gameplay ermöglicht.