Es gibt Spiele, bei denen man ratlos bleibt. Man spielt sie, und weiß selbst nach einiger Zeit einfach nicht, was man von ihnen halten soll. Genau so erging es mir bei „Polybius“, das von vielen in höchsten Tönen gelobt wird, während ich diese Faszination nicht einmal im Ansatz nachvollziehen konnte. Daraufhin habe ich mich ein wenig abstrakter mit dem Titel beschäftigt und die einzelnen Elemente, sowie das schiere Chaos von einem anderen Winkel betrachtet. Ob das meine Meinung geändert hat, erfahrt ihr im Test.

Schneller als das Auge erlaubt

Eigentlich ist das Prinzip sehr schnell erklärt. Man steuert ein kleines Raumschiff, das man zur Seite bewegen kann, während man geradeaus fährt, dabei Hindernissen ausweicht, durch Tore fährt, um schneller zu werden, sowie Objekte abschießt. Simpler könnte ein Spiel nicht sein, und vielfältiger wird das eigentlich nur durch die 50 Level, die allesamt nicht allzu lang sind, dafür aber jeweils eine andere Form bieten, auf denen sich das Raumschiff bewegt.

Wer hier allerdings eine klare Struktur erwartet, wird sich wundern. Das Spiel läuft nämlich extrem schnell ab, weshalb man bereits nach kurzer Zeit nicht mehr klar erkennen kann, was sich dort eigentlich auf der Strecke befindet. Das sind verrückte Objekte, unzählige explodierende Pixel und Kühe. Das alles ist so konfus, dass man beim ersten Mal noch gar nicht genau darauf achtet und nur versucht, allem auszuweichen und wild loszuschießen. Hat man alle Schilde verbraucht, die verschwinden sobald man auf ein Objekt trifft, muss man von Vorne beginnen.

Geschichtsstunde

Um den Grund für das Gameplay zu benennen, muss man etwas weiter ausholen. Es erinnert nämlich vom Ablauf her an den Arcade-Klassiker „Tempest“, das seiner Zeit viele begeisterte. Jedoch entstand in den vergangenen Jahren eine Legende rund um einen Arcade-Automaten mit dem Spiel „Polybius“, das in Sachen Gameplay ähnlich abgelaufen sein soll wie „Tempest“. Jedoch wurde dieses nach wenigen Wochen vom Markt genommen, da es epileptische Anfälle auslöste und Spieler regelrecht verstörte durch seine abstrakten Bilder. Die Nebenwirkungen sollen mitunter grauenvoll gewesen sein, doch Spieler waren regelrecht süchtig nach dieser Erfahrung.

Spätestens wenn man hört, dass den Gerüchten nach Männer in schwarzen Anzügen die Spieler beobachtet haben sollen und Daten abgelesen hätten, dürfte man schmunzeln. Auch die unterschwelligen Botschaften, nach denen Spieler gehorchen sollten, hören sich eher wie eine Geschichte an, die man nur im Internet erfinden könnte. Tatsächlich gibt es bis heute keine Beweise, dass das Spiel jemals veröffentlicht wurde, weshalb man stark davon ausgehen kann, dass sich hier nur jemand an einer urbanen Legende versucht hat. Dennoch könnte man dies als Hintergrundgeschichte für das Spiel „Polybius“ beschreiben.

Ist das Kunst?

Diese Merkmale werden nämlich auch in die reale Version des Spieles gebracht. Die blinkenden Farben haben bei uns bereits nach kurzer Zeit tränende Augen verursacht, und im VR-Modus stand ich kurz davor, mich zu übergeben. Es ist also eine visuelle Achterbahnfahrt, die verrückter kaum sein könnte. Die großen Objekte, die ständig blinkenden Farben, die gegen Ende sogar regelrecht explodieren, sowie zusätzliche Effekte fördern also nicht unbedingt das Gameplay, sondern lenken regelrecht davon ab, weshalb es wichtig ist, sich zu konzentrieren, um wirklich viele Punkte zu sammeln.

Startet man das Spiel, gibt es auch eine ausführliche Warnung, die man nicht ignorieren sollte. Jedoch kann man dieses optische Chaos als Kunst sehen, und es macht tatsächlich Spaß, die Level zu absolvieren. Man befindet sich irgendwann in einer Art Trance, und fokussiert sich wirklich nur auf das Geschehen, was durchaus beeindruckend ist. Neben dem klassischen Modus gibt es auch einen, in dem man keine Schilde hat und einen weiteren, bei dem man immer vom ersten Level aus startet. Wer also genau dieses Prinzip mag, wird auch nach Stunden noch Spaß mit „Polybius“ haben und eben diese chaotische Kreativität zu schätzen lernen. Bei uns war das leider anders.

Unsere Katastrophe

Bricht man nämlich einmal das Gameplay auf, wird es anspruchslos. Man bewegt sein Schiff einfach nur durch die Welt, kann aber kaum den großen Gefahren ausweichen. Es läuft viel zu schnell ab, um die völlige Kontrolle zu haben, was dadurch frustrierend wird, dass es sich zudem auch noch etwas träge steuert. Auch das gezielte Abschießen von Objekten wird zum Glücksspiel, und man fliegt die Strecken einfach nur ab, ohne dabei wirklich irgendetwas zu verstehen oder auch nur das simple Gameplay genießen zu können.

Auch die Tore sind ein Problem, da es zwar durchaus sinnvoll ist, durch diese zu fliegen, da man somit schneller wird und bei der Höchstgeschwindigkeit sogar alle Hindernisse zerstört werden. Jedoch ist das Navigieren durch die nicht völlig präzise Steuerung eher frustrierend und man trifft zu oft die Seiten, wodurch man einen Schild verliert. Dabei verliert man schnell den Fokus und möchte gar keine Punkte mehr sammeln, sondern nur durch das Farbenchaos kommen. Spaß sieht definitiv anders aus, und schon schnell war die Motivation verflogen.

Technik

Optisch ist das Spiel unbeschreiblich. Was die Klarheit der Texturen angeht ist alles jedoch gelungen, und die Bildrate beeindruckt besonders im VR-Modus mit stabilen 120 Bildern pro Sekunde. Auch 4K wird an der PlayStation 4 Pro unterstützt. Der Soundtrack passt eindeutig zum Geschehen und vermittelt auch den Retro-Charme solide.

Besonders ist definitiv, dass man das Spiel mit einem kompatiblen Fernseher in 3D genießen kann. Einige Effekte sind dabei wirklich schön, wobei der VR-Modus der Star ist. Man fühlt sich wirklich wie im Geschehen, und da die Welt größer ist, profitiert man davon sogar beim Gameplay. Man kann die kommenden Hindernisse tatsächlich sehen, und selbst bei einer schnellen Geschwindigkeit behält man mit der richtigen Konzentration die Übersicht. Jedoch setzt hier auch die Motion Sickness mitunter extrem ein, weshalb man nicht über einen längeren Zeitraum spielen sollte.