In den letzten Jahren schossen 3D-Adventure im Episodenformat wie Pilze aus dem Boden. Nicht zuletzt dem durchschlagenden Erfolg von „The Walking Dead“ ist es zu verdanken, dass das Genre eine Renaissance erlebt, lange, nach dem man dachte, es hätte sich aus dem Massenmarkt verabschiedet. Aber nicht jeder Entwickler kann oder will die Erfolgsformel von Unternehmen wie Telltale Games 1:1 kopieren. Die Entwickler von „Dreamfall: The Longest Journey“ setzen dabei auf ihre ganz eigenen Zutaten, um ein eigenes Erlebnis zu schaffen, können sich aber den neuen Einflüssen auch nicht ganz erwehren. Dabei schreckt man aber auch nicht vor mittlerweile weniger konventionellen, manch einer würde „veralteten“ Wegen, sagen, zurück, um die Vision von Ragnar Tørnquist, dem Studiogründer von Red Thread Games, einer Geschichte umzusetzen. Wie gut das Abenteuer aus norwegischem Hause ist und ob es uns überzeugen konnte, erfahrt ihr im Review.

Das Aufwachen

Die Handlung des Spiels ist eine Fortsetzung zu „Dreamfall: The Longest Journey“, das vor knapp zehn Jahren erschienen ist und die Fans mit einem nicht abgeschlossenen Kapitel der Videospielhistorie und Bauchschmerzen zurückließ. Im neuesten Ableger hinweg steuert der Spieler, ähnlich wie in „Tales from the Borderlands“, verschiedene Charaktere, die ihre eigenen Besonderheiten und Persönlichkeitszüge aufzuweisen haben und vor unterschiedlichen Problemen und Voraussetzungen stehen. Als Erstes übernimmt man die Kontrolle über die Heldin des Vorgängers, Zoë Castillo, die ursprünglich ein Dasein im Koma fristete und nun zu einem Leben in Europolis, einer Art europäischer Großstadt im Cyberpunk-Gewand, auf „Stark“, der Quasi-Erde von „Dreamfall Chapters“, zurückkehrt. Dabei muss die Heldin einerseits wieder zurück in ihr altes Leben finden, andererseits den Kampf gegen einen Megakonzern aufnehmen, der große Teile der Bevölkerung mit einer „dream machine“ gehirngewaschen hat.

Währenddessen ...

Der Zweite im Bunde, Kian Alvane, fristet sein Dasein aufgrund des Vorwurfs „Hochverrat“ in einem Gefängnis, in dem er auf seine Exekution wartet. Der Gefangene wird jedoch von Rebellen aus seiner Misere befreit und schließt sich in Folge dessen dem Widerstand an. Statt in den von Neonlichtern gefluteten Straßen von Europolis, beginnt die Geschichte hier auf Arcadia, einer typischen, etwas generischen, Welt, die Elemente der typischen, leicht dreckigen Fantasy-Mittelalter-Szenerie besitzt. Nachdem das Spiel ein direkter Nachfolger ist, haben sich die Entwickler viel Mühe gegeben, auch Neulingen eine Chance zu geben, die Geschehnisse in den passenden Kontext zu setzen. Das gelingt aber nur mit Mühe und Not und viel Wohlwollen des Spielers. Die Informationen zu den vergangenen Ereignissen und der Hintergrund der Beziehung der einzelnen Charaktere wird leider nur schlecht erläutert, erschwerend ist auch der etwas konfuse Zugang zur Geschichte. Im Idealfall schafft man den Spagat wie bei „The Witcher 3: Wild Hunt“ – genug Futter für alteingesessen Fans, aber nicht zu sehr ineinander verzahnt, als das man als Neuling wirklich auf die Folter gespannt wird. Die Gratwanderung gelingt „Dreamfall Chapters“ leider nicht, eher hat man das Gefühl, mittendrin in eine Fernsehserie einzusteigen und erst nach und nach die notwendigen Informationen zu erhalten, die aber am Ende doch zu rar gesät sind. Veteranen der Serie freuen sich jedoch darüber, die Geschichte fortsetzen zu können und viele Anspielungen auf vergangene Zeiten zu finden. In jedem Fall muss man viel Geduld mitbringen, es dauert einige Zeit, bis die Geschichte wirklich aus dem Quark kommt, dafür entfaltet sich eine Art von Story, die man sonst eher seltener im Videospielformat findet. Ob sie einen dann noch abholt, ist ein weiteres Fragezeichen, wir waren eher etwas hin- und hergerissen, zollen dem Spiel aber für seinen artistischen Ansatz Tribut und Respekt. Außerdem kann der Humor an manchen Stellen überraschend stark punkten und auch die Charaktere sind für ein Videospiel sehr durchdacht geschrieben. Weiters erwartet den Spieler im Laufe des Abenteuers auch eine spielerische Überraschung, die wir natürlich an dieser Stelle lieber für uns behalten.

Spielerische Durchschnittskost

Wer Spiele wie „Heavy Rain“, „Beyond: Two Souls“, „The Walking Dead“ oder „Tales from the Borderlands“ gespielt hat, wird die Mechanik des Spiels schnell wiedererkennen. In typischer Adventure-Manier steuert ihr den Charakter durch verschiedene Schauplätze, löst Rätsel und interagiert mit anderen Personen. Ein Hauptteil des Spaßes kommt hierbei durch die Dialoge und den Entscheidungen, die ihr im und außerhalb des Gesprächs. Diese wirken sich auf den weiteren Verlauf des Spiels aus, wenn leider auch in einem eher überschaubaren Rahmen. An dieser Krankheit nagen, nicht zuletzt aufgrund technischer und ökonomischer Limitierung, viele Genregenossen, weshalb man hier wohl auch keine wirklichen Quantensprünge erwarten konnte. In der allgemeinen Aufmachung und der Gestaltung von Aspekten wie zum Beispiel den Rätseln, hätte man sich jedoch einige neue Einflüsse einholen können. Das geht so weit, dass manche dieser Rätsel leider um einige Ecken zu weit gedacht sind und unnötig den Spieler länger aufhalten, als es sein muss und dann nicht einmal ein befriedigendes Erlebnis auslösen. In vielerlei Hinsicht wirkt „Dreamfall Chapters“ leider wie ein Spiel, dass schon einige Jahre auf dem Buckel hat und die letzten Entwicklungen im Genre verschlafen hat. Alles ist etwas klassischer, langsamer und behäbiger – das kann man mögen, wir persönlich sind aber dann doch eher Freunde der moderneren Formel, wie sie beispielsweise Telltale Games pflegt. In jedem Fall sollte man einiges an Sitzfleisch mitbringen, denn die Charaktere von „Dreamfall Chapters“ haben viel zu erzählen, dabei aber nicht immer spannendes oder relevantes.

Technik

Aus technischer Perspektive lässt das Spiel leider einiges zu wünschen übrig. In Zeiten von „Mass Effect: Andromeda“, legt man natürlich als Videospieler etwas mehr Augenmerk auf die Gestaltung der Gesichtsanimationen und diese sind leider bei „Dreamfall Chapters“ deutlich hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. Einige davon sind leider so missraten, dass sie einen aus der Immersion des Spiels herausreißen, was denkbar schlecht für ein Spiel ist, das einen Großteil seiner Anziehungskraft aus der Verbindung zur Geschichte und der Protagonisten darin zieht. Ein weiterer negativer Punkt sind die viel zu langen Ladezeiten, die dazu auch noch sehr großzügig über das Spiel hinweg verteilt ist. Man könnte argumentieren, dass insgesamt viele Spieler in dieser Generation damit hadern, aber für diese Art Spiel ist das doch etwas zu viel des Guten. Man stellt sich die Frage, was da genau so lange geladen werden muss – eine beeindruckende Grafik ist es zumindest nicht, dafür ein durchaus künstlerischer Stil.