Dank des Erfolges von Spielen wie „Divinity: Original Sin“, „Torment: Tides of Numenera“ und „Pillars of Eternity“ liegen Rollenspiele der alten Schule wieder voll im Trend. Dabei bringen diese modernen Klassiker auch die isometrische Perspektive und langsamere, strategische Kämpfe mit, die viele Spieler gerne wieder öfter sehen würden. Mit „Masquerada: Songs of Shadows“ wollen Witching Hour Studios ihre eigene Interpretation des Konzeptes nun auf die PlayStation 4 bringen. Ob ihnen das aber auch gelungen ist, erfahrt ihr im Test.

Der Ausgestoßene auf Mission

Die Geschichte spielt in Ombre, eine Welt dessen Klassensystem auf den ersten Blick eine klischeehafte Handlung vermuten lässt. Denn während die sogenannten Masquerada Zugang zu Masken mit magischen Kräften haben, was ihnen ein gutes Leben beschert, leben die Contadani in Armut. Als der Rebellenanführer Cyrus die Masken an diese Leute verteilen will, endet ein weiterer Plan tragisch für ihn. Cyrus Bruder Cicero wird daraufhin ins Exil geschickt und kehrt nach einem Zeitsprung von fünf Jahren zurück nach Ombre. Da der Krieg zwischen den beiden Fraktionen allerdings mittlerweile in vollem Gange ist, wird er von den Anführern der Stadt erneut auf eine Reise geschickt, um einen Mann namens Razitof Azrus zu suchen, der ebenfalls ein sogenannter Inspettore ist. Bereits zuvor Ausgesandte sind auf der Suche nach ihm nicht zurückgekehrt. Natürlich ist das nur der Beginn einer verhängnisvollen Kette von Ereignissen, die mehr Leid als Frieden bringt.

Die Geschichte fängt etwas gemächlich an, doch entfaltet sich schon recht bald zu einer spannenden Angelegenheit. Tatsächlich ist die Welt dermaßen detailliert ausgearbeitet, dass man gerne viele Texte zu den Hintergründen liest, während im eigentlichen Verlauf spannende Ereignisse alles auf den Kopf stellen. Die Twists sind gut ausgearbeitet, und bis auf eine etwas enttäuschende Entwicklung gegen Ende ist man wirklich motiviert, immer weiter zu kommen. Zudem wird man durch verschiedene Splittergruppen in ein verstricktes, politisches Spiel geworfen, das eine lobenswerte Tiefe erzeugt. Das ist auch nötig, denn während die Geschichte überzeugt, kann das Gameplay nicht mithalten.

Eine leblose Welt

Die Welt, die man erkundet, ist dabei noch solide. Die vielen Umgebungen wurden schön designed, auch wenn einige Innenräume sehr beliebig wirken. Das größere Problem ist eher, dass die Welt nur der Schauplatz bleibt und kein interaktiver Ort. Man wird stets zu einem Ziel gejagd, kann keine optionalen Gespräche oder Quests starten und hat keinen Grund überhaupt irgendetwas zu erkunden. Das ist schade, denn dadurch wird der Ablauf so linear, dass man schnell gelangweilt wird und sich trotz der spannenden Handlung wünscht, etwas mehr zu machen als das, was das Spiel gerade vorschreibt.

Damit die großen Räume nicht ganz so leer wirken, kann man noch zusätzliche Codex-Einträge oder Gegenstände finden, mit denen man seine Masken verbessern kann. Das motiviert aber nur bedingt und fühlt sich wie ein Hindernis an, um nicht zu linear zu wirken. Zudem gibt es auch während der Geschichte keine Dialogoptionen oder andere Abwechslungen. Das schadet dem Spiel zwar nicht direkt, da der Kurs sehr konstant gehalten wird, doch die spielerische Freiheiten von Rollenspielen wird leider dermaßen eingeschränkt, dass man durch den eintönigen Ablauf gelangweilt wird.

Vergrabene Ambitionen

Das Kampfsystem findet in Echtzeit ab, wobei man jederzeit die Zeit stoppen kann, um seine nächsten Aktionen zu planen. Jedoch kann man Gegner nicht direkt besiegen, sondern muss deren Verteidigung vernichten, um siegreich zu sein. Da dies allerdings viele Situationen schwierig gestaltet, erhält man ein Stellungssystem, bei dem die Position der Party dafür sorgen kann, dass man Feinde ablenkt und diesen von hinten direkten Schaden zufügen kann. Zudem darf man Zauber anwenden, um seine Masken zu verwenden, und ein Element-System bringt noch eine weitere Stufe hinzu, die bei jedem Kampf bedacht werden muss.

Das Kampfsystem ist extrem ambitioniert, und man ist wirklich motiviert seine Party effektiv zu nutzen. Dabei darf man regelmäßig Fähigkeiten anpassen und genießt somit viele taktische Möglichkeiten, die durch das Stellungssystem auf dem Papier wunderbare Kämpfe abliefern sollten. Leider wird das aber schnell chaotisch, und oftmals ist es tatsächlich leichter wild anzugreifen als die Tiefe zu nutzen. Zudem kann man während der Pause nur einen Helden steuern und muss viel manuell anpassen, während der Rest von einer mäßigen KI gesteuert wird. Das ist aber oft mehr Arbeit als nötig, denn verzichtet man auf die gute Planung, kommt man oft auch einfach nur bloßes draufschlagen mit willkürlichen Zaubern gut aus. Ein gutes Prinzip wird somit zur Enttäuschung, und bereits nach einigen Stunden ist die Luft schlicht raus. Hinzu kommt, dass der Schwierigkeitsgrad nur die Anzahl der Feinde und deren Stärke verändert, nicht aber das Verhalten verbessert. Somit werden die Kämpfe zur Hürde, während man eigentlich nur der Geschichte folgen möchte.

Der richtige Weg?

So viel Kritik das Spiel auch verdient, wenn man eher weniger Wert auf das eigentliche Gameplay legt und lieber eine sich entfaltende Geschichte erleben will, wird man hiermit großartigen Spaß haben. Die politischen Konflikte sowie unzählige Intrigen sind einfach so spannend, dass man das Ende unbedingt erleben möchte. Zwar ist es etwas unschön, dass man viel nachlesen muss, und einige eigene Begriffe erschweren es, der Handlung an einigen Stellen zu folgen. Doch wer komplett eintaucht, wird dafür auch ordentlich belohnt. Zudem kann das Kampfsystem für Einsteiger durchaus zum positiven Punkt werden, da es zwar taktische Freiheit bietet, aber nie überfordernd ist und somit an das Genre heranführt.

Technik

Optisch kann das Spiel wieder überzeugen. Obwohl nicht alle Orte glänzen, sind viele der Gebiete erstklassig gezeichnet und versprühen eine wunderbare Atmosphäre, die einige Ruckler verzeihen lässt. Auch der Soundtrack ist großartig geraten, während sehr gute englische Sprecher angeheuert wurden, um wirklich jeder Szene Leben einzuhauchen. Allgemein weiß die Präsentation also zu begeistern und betont einmal mehr, dass hier vor allem Wert auf Geschichte und Atmosphäre gelegt wurde. Die Steuerung ist überraschend zugänglich geraten, denn sowohl das Auswählen der Charaktere als auch die Planung in der Pause geht gut voran. Das zeigt aber einmal mehr, dass wirklich vielfältige Optionen fehlen, und die Kämpfe sich vielmehr wie eintönige Hack and Slay-Abschnitte anfühlen können als wirklich tiefe Schlachten. Zudem fehlt es an einer Zoom-Stufe, weshalb man in größeren Kämpfen oft nachjustieren muss.