Piranha Bytes ist wohl eins der bekanntesten Entwickler-Studios in Deutschland. Kein Wunder, haben sie doch mit der „Gothic“-Reihe das Genre maßgeblich geprägt, während der dritte Ableger dank einer schwierigen Partnerschaft der Reputation maßgeblich schadete. Zwar hat man versucht, die Fans mit den „Risen“-Spielen wieder glücklich zu machen, doch ganz so berühmt wie die ursprüngliche Reihe konnte der geistige Nachfolger nie werden. Jetzt geht man jedoch einen völlig neuen Weg und versucht mit „Elex“ nicht nur, eine neue Marke zu entwickeln, sondern auch ein völlig ungewohntes Setting für das Studio auf die Spieler los zu lassen. Hat sich die Arbeit aber auch gelohnt, oder sind die Fußstapfen schlicht zu groß? Wir haben uns auf Magalan begeben und wurden regelrecht überwältigt, doch ein großer Kritikpunkt hält das Spiel leider zurück.

Emotionen gegen Macht

In „Elex“ geht es um den Planeten Magalan, der eigentlich unserer Erde extrem ähnlich ist. Zumindest bis vor 160 Jahren, als ein Meteor einschlug und den Großteil der Lebewesen dort vernichtete. Doch so groß diese Tragödie auch war, dadurch entstand eine völlig neue Materie, das titelgebende Elex. Schnell sahen die Überlebenden das Potential, denn das Material dient nicht nur als Währung, sondern wird auch eingesetzt, um unglaubliche Maschinen zu betreiben und sogar Nahrungsmittel herzustellen. Wird es von Menschen eingenommen, werden diese nicht nur stärker, sondern können auch deutlich klarer denken, werden dafür aber von jeglichen Emotionen befreit. Nimmt jemand mit wenig Willensstärke zu viel Elex, verwandelt er sich regelrecht in ein Monster.

Hier kommt der Hauptcharakter Jack ins Spiel, der ein Mitglied der Albs ist, der Gruppe, die Elex einnimmt und nicht mutiert. Ihr Ziel ist es, die gesamte Welt zu kontrollieren und alle zu töten, die ihnen in die Quere kommen. Jack ist sogar ein besonders kaltherziges Mitglied, bis er plötzlich abstürzt und von einem anderen hochrangigen Mitglied der Albs verraten wird, was zu seiner scheinbaren Hinrichtung führt. Er überlebt das aber, und muss fortan auf Magalan ohne ständige Elex-Zufuhr überleben, was seine Emotionen wiederbelebt. Sein Ziel ist die Rache, doch dabei entdeckt er natürlich eine größere Verschwörung.

Eine starke Reise

Bei der Geschichte zeigen die Macher, was sie so alles auf dem Kasten haben. Man trifft zahlreiche lebendige Charaktere mit eigenen Geschichten und auch eigenem Charme. Jede Unterhaltung führt zu interessanten Ereignissen und erzählt mehr über die wahnsinnig detaillierte Welt. Man möchte wirklich alles darüber herausfinden, wie Elex die Menschheit verändert hat und wie vor allem diejenigen überlebt haben, die sich gegen die Alb gestellt haben. Das motiviert auch zum Erkunden, und insbesondere vor der Wahl einer Fraktion beschäftigt man sich überraschend ausführlich mit den verschiedenen Positionen dieser. Die Nebenquests helfen dabei enorm, denn anstatt beliebige Aufgaben zu erfüllen, hat alles einen Zweck und verrät nicht nur mehr über die Welt, sondern bleibt auch interessant.

Bei den tollen Charakteren überrascht diesmal auch der Held. Dieser ist nämlich eigentlich ein Bilderbuch-Bösewicht, muss sich dann aber nicht nur seiner Vergangenheit stellen, sondern auch umdenken, um überhaupt zu überleben. Dabei wurde seine Hintergrundgeschichte wunderbar gestaltet und man fühlt richtig mit, behält aber immer noch eine gesunde Distanz. Doch das macht die Dialoge umso besser, denn man erhält eben nicht die typischen Gut- oder Böse-Antworten, sondern stets passende Optionen, die übrigens auch stets ausformuliert sind. Da kann man dem Spiel durchaus verzeihen, dass die Hauptgeschichte nicht immer die spannendste ist und nach einem Hoch gegen Ende recht vorhersehbar bleibt. 

Die Qual der Wahl

Wer einmal ein Spiel von Piranha Bytes gespielt hat, weiß auch, dass es die obligatorischen Fraktionen geben muss. Davon gibt es einmal mehr drei Stück, denen man sich anschließen kann, wobei es in der Welt noch mehr gibt, inklusive Splittergruppen. Zuerst trifft man die Berserker, deren Absicht eigentlich die nobelste ist. Sie wollen nämlich das Elex in Mana umwandeln, mit dem der zerstörte Planet erneut fruchtbar gemacht werden kann. Die Kleriker hingegen sind eher religiös und wollen vor allem mit Technik und Kontrolle regieren. Verrückter sind da schon die Outlaws, die in der Wüste das Chaos suchen und manchmal an die „Mad Max“-Filme erinnern.

Alles in allem können diesmal alle Fraktionen komplett überzeugen. Zwar wirken die Berserker wie die typische Friedenstruppe, doch hier warten spannende Gefährten und Geschichten auf die Spieler, während die Outlaws herrlich verrückt sind. Es wird tatsächlich das Bild einer zersplitterten Welt gezeichnet, für die Einigkeit nicht ferner sein könnte. Dennoch haben alle gemeinsam, dass sie die Albs bekämpfen wollen, und man kann sich vorstellen, wie sich der Hauptcharakter als ehemaliger Alb mit wiedergewonnenen Emotionen fühlt.

Spielerische Vielfalt

Die Aufgaben sind nicht nur kreativ, sondern bieten auch spielerisch verschiedene Lösungswege. Der direkte Kampf gegen Gegner ist nämlich meist nur der offensichtlichste Weg, aber nicht unbedingt der spaßigste. Toll wird es, wenn man durch seine Überredenskünste den Verlauf vereinfachen kann, durch zusätzliche Informationen neue Optionen erhält oder gar seine Umgebung nutzt, um die Feinde in eine Falle zu locken. Es gibt stets sehr viele Optionen, und wer kreativ ist, wird auch belohnt. Gleichzeitig kann man fast alle NPCs töten – das kann Missionen ebenfalls vereinfachen, wenn man einen Gegenstand braucht, gleichzeitig werden dadurch unter Umständen aber andere Boni oder Missionen unlösbar gemacht.

All das wird durch eine großartige offene Welt unterstützt, die voller Geheimnisse und Belohnungen steckt. Sieht ein Gebäude, eine Höhle oder eine Ecke auch nur im geringsten interessant aus, befindet sich mit großer Wahrscheinlichkeit etwas dort. Seien es Missionen, Waffen oder nur Informationen über die Welt, es macht unglaublich viel Spaß, die interessante Welt aufmerksam zu erkunden. Auch die Vielfalt ist gegeben, denn die Städte und Landschaften fühlen sich immer unterschiedlich an und verhindern somit, dass der Ablauf zu monoton wird. Man kann sich also regelrecht verlieren und stundenlang außerhalb der Hauptquest verbringen, ohne diese zu vermissen. Zudem darf man ein Jetpack nutzen, das vertikales Erkunden ermöglicht. Leider ist dieses in der Luft zu langsam, weshalb die Nutzung nicht ganz so spaßig wie in anderen Genre-Vertretern gelungen ist.

Schwachpunkt Kämpfe

Leider müssen wir nach den Lobeshymnen auf den harten Boden der Tatsachen kommen, denn ein Rollenspiel lebt nun mal nicht nur von der tollen Welt, spannenden Charakteren und Geschichten. Das Kampfsystem ist ein wichtiger Punkt, und hier haben die Macher einige Fehlentscheidungen getroffen. Es gibt nämlich eigentlich ein Kombo-System, das sich aber alles andere als intuitiv anfühlt und auf Timing ausgelegt ist, was dank der Controller-Verzögerung selten funktioniert. Hinzu kommt noch, dass jeder Schlag Ausdauer verbraucht, ähnlich wie in „Dark Souls“. Das ist unglaublich nervig und sperrig, denn so werden selbst leichte Kämpfe zu frustrierenden Angelegenheiten, wenn es mehr Gegner gibt. Zwar machen die Fernkampfwaffen mehr Spaß, doch sind diese in den ersten Stunden viel zu schwach. Man wird also dazu gezwungen, ein langweiliges und nerviges System zu nutzen, das erst nach vielen Stunden wirklich ansatzweise intuitiv wirkt.

Leichter wird das alles, wenn man sich dem Crafting hergibt und hier zahlreiche Waffen und Rüstungen verbessern kann, um wirklich eine stärkere Ausgangsposition gegen die härteren Feinde zu haben. Trotzdem fühlt sich jeder Kampf zu ähnlich an, und die Waffen spielen sich nicht unterschiedlich genug, um tatsächliche Vielfalt mitzubringen. Zudem sind die Hitboxen derart ungenau, das man oft gar nicht weiß, wann denn der richtige Moment zum Ausweichen ist. Sind mehrere Gegner am Start, wird das zu einem einzigen Chaos, speichern ist also stets empfohlen. Es ist alles in allem ein unschönes System, bei dem man selbst nach Verteilung der Fähigkeitspunkte meist keine direkte Verbesserung spürt.

Katastrophale Technik

Hier kann man absolut nichts schönreden, denn optisch wirkt das Spiel veraltet. Ja, das Team ist nicht wirklich groß, dennoch wirken viele Texturen matschig, und es gibt mehr Clipping-Fehler als man zählen kann. Manchmal wird man sogar durch unsichtbare Stufen gestoppt, über die man steigen muss, was nicht gerade von Feinschliff zeugt. Schlimmer ist aber die Bildrate, die keine zehn Sekunden stabil sein kann. Manchmal artet das selbst beim Erkunden in ein Ruckelfest aus, was der Erfahrung schadet, obwohl das Erkunden noch immer wahnsinnig unterhaltsam bleibt. Hier muss ein Patch Besserung bringen, denn was bringt einem so eine detaillierte Welt, wenn das Bereisen zur Qual wird?

Auch die Steuerung ist unintuitiv, was vor allem die Kämpfe herunterzieht. Zwar hat man sich nach ein paar Stunden daran gewöhnt, doch das hätte noch eine starke Überarbeitung benötigt. Der Soundtrack ist eigentlich nicht schlecht, doch die Soundfehler häufen sich ebenso wie falsche Soundeffekte und einige Glitches. Zwar ist uns das Spiel nie abgestürzt, noch waren die Bugs extrem schwerwiegend, dennoch sollte so etwas nicht passieren. Am traurigsten ist dabei, dass die Atmosphäre darunter leidet und all die großartigen Design-Entscheidungen in einem schlechteren Licht dastehen. Etwas besser sieht es da bei der deutschen Vertonung aus, die zwar nicht immer überzeugt, im großen und ganzen aber ein gelungenes Paket darstellt.