Ob man sich mit „Thimbleweed Park” anfreunden kann, entscheidet sich wahrscheinlich schon in den ersten Spielminuten. Wirken die Aktionsverben am unteren Bildschirmrand auf den einen befremdlich und altbacken, lösen sie beim nächsten einen regelrechten Nostalgieschub aus. Denn mit „Thimbleweed Park” nehmen die Koryphäen Ron Gilbert und Gary Winnick den Spieler auf eine Reise ans Ende der 80er-Jahre mit und zeigen auf, was den Charme der Adventure-Spiele von damals ausgemacht hat – und machen dabei nur weniges falsch.

Eine Schublade zu vergangenen Zeiten

Bereits 2014 setzten sich die ehemaligen Lucasfilm Games-Entwickler Gilbert und Winnick zusammen und entschieden sich dazu, die Faszination klassischer Point and Click-Adventure zu erkunden. Die Idee resultierte schnell in der Kickstarter-Kampagne zu „Thimbleweed Park”, einem wilden Potpourri mit Ideen aus TV-Serien wie „Twin Peaks”, „Akte X” oder „The Twilight Zone”. Laut eigener Aussage solle sich das Spiel anfühlen, als öffne man eine Schublade und finde ein vergessenes Spiel von Lucasfilm Games.

Nutze, Nehme, Drücke, Ziehe

Das fängt mit den eingangs erwähnten Aktionsverben an. Klickt man ein Objekt an, muss man das passende Verb auswählen, um mit ihm zu interagieren. In der Praxis wählt man „Reden”, um sich mit einer Figur zu unterhalten, „Öffnen”, um ein Haus zu betreten und „Nutzen”, um Objekte aus dem Inventar einzusetzen. Was heute ungewöhnlich ist, war damals State of the Art. Überraschenderweise funktioniert das System auch heute noch intuitiver als man meinen würde. Doch nicht nur bei der Bedienung, auch an anderen Stellen merkt man ständig, dass Gilbert und Co sich die eigenen Spiele zum Vorbild genommen haben. Gerade am Humor stellt man fest, dass hier die Köpfe hinter Spielen wie „The Secret of Monkey Island” am Werk waren. In lockerer Art und Weise nimmt man alles aufs Korn was bei drei nicht auf dem Baum ist – einschließlich sich selbst. Geschickt wird mit der Meta-Ebene jongliert und regelmäßig die vierte Wand zum Spieler durchbrochen.

Zwischen Akte X und Twin Peaks

Auch wenn die Gag-Dichte sehr hoch ist, hat das nie negative Einflüsse auf die spannende Kriminalgeschichte, die „Thimbleweed Park” erzählt. Die beiden Agenten Reyes und Ray werden in die heruntergekommene Kleinstadt Thimbleweed Park geschickt, um einen Mord aufzuklären. „Akte X”-Fans fühlen sich auf der Stelle an das Agenten-Duo Mulder und Scully erinnert. Auch weil man schnell feststellt, dass in Thimbleweed Park einige äußerst merkwürdige Dinge vor sich gehen. Umso weiter man den mysteriösen Mordfall aufklärt, kommen Stück für Stück weitere spielbare Figuren hinzu. Ransome der Clown macht seinem Namen aller Ehre und beleidigt alles und jeden. Delores soll eigentlich die Kissenfabrik ihres Onkels übernehmen, sieht ihre Berufung aber als Spieledesignerin bei Mmucas Flem Games. Und dann wäre da noch Franklin, der unter mysteriösen Umständen gestorben ist und nun als Geist durch Thimbleweed Park zieht. Die Schicksale aller Figuren hängen zusammen, auch wenn es nicht immer den Anschein macht.

Wenn absurdes Denken zur Lösung führt

Möchte man dem Geheimnis von „Thimbleweed Park” auf die Spur kommen, sollte man in jedem Bildschirm ein wachsames Auge haben. Überall sind Gegenstände versteckt, die auf den ersten Blick nutzlos scheinen, in der richtigen Situation und Kombination aber elementar sind, um die teils knackig schweren Rätsel zu lösen. Wer sich von Rätseln in heutigen Spielen unterfordert fühlt, für den könnte „Thimbleweed Park” eine kleine Offenbarung sein. Selten liegen die Lösungen auf der Hand. Stattdessen sollte man ständig die Gegenstände in seinem Inventar überprüfen und in jeder erdenklichen Situation ausprobieren. Oft gilt, umso absurder etwas scheint, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zur Lösung führt.

Von Clowns, Videospiel-Entwicklern, Agenten und Geistern

Nicht einfacher wird es dadurch, dass sich manche Rätsel nur dann lösen lassen, wenn man zwischen den Charakteren wechselt. Einige Objekte können nur von bestimmten Figuren aufgesammelt werden und müssen dann an einen anderen Protagonisten übergeben werden. Das widerspricht oftmals aber sämtlicher Logik und sorgt zu Beginn für Verwirrung. So kann Delores gar nicht wissen, dass eine Maschine kaputt ist und diese repariert werden muss. Genau so kennen Figuren plötzlich Informationen, die man mit einem anderen Charakter in Erfahrung gebracht hat. Wer sich an Logik festhält, wird in „Thimbleweed Park” aber ohnehin nicht weit kommen. Störender ist es, dass man auf der Suche nach der Lösung eines Rätsels oft wild hin und her rennt, um mit den verschiedenen Charakteren alle Möglichkeiten auszuprobieren. Das kann nicht nur ermüdend sein, sondern auch schnell nervig werden. Wer mit der Denkweise von Point and Click-Aventures wie „Thimbleweed Park” nicht vertraut ist, sollte sich vielleicht im gemütlichen Modus an das Spiel heranwagen. Hier werden manche Rätsel ausgelassen, sodass man sich besser auf die Handlung konzentrieren kann.

Liebe bis ins kleinste Detail

Ein Motiv, dass sich durch das komplette Spiel zieht ist die unglaubliche Liebe zum Detail. Das fängt mit der Spielwelt an, in der trotz Pixel-Look jeder Bildschirm aufwendig und abwechslungsreich gestaltet ist. Wer sich genau umsieht, kann fast überall kleine, überraschende Details entdecken. Dazu gehören auch Easter Eggs wie ein lilaner Tentakel, der auf „Days of the Tentacle” anspielt. Mit der gleichen Detailverliebtheit hat man das Spiel auf Deutsch übersetzt. Mit Boris Schneider-Johne ist ein echter Coup gelungen. Schneider-Johne übersetzte bereits die ersten beiden „Monkey Island”-Spiele und steckt auch in „Thimbleweed Park” jede menge Herzblut. So wurden Dialekte auf die deutsche Sprache adaptiert und amerikanische Popkultur-Referenzen für die deutschen Spieler mit vergleichbaren ersetzt. Aus der „Tonight Show” wird kurzerhand „Wetten, dass”.

Etwas erschwertes Point and Click

Auch wenn das Point and Click-Genre wegen der Maussteuerung eigentlich auf dem PC ansässig ist, funktioniert die Steuerung auf der PlayStation 4 mit Analog-Stick überraschend gut mit kleinen Abstrichen. Nutzt man statt dem linken den rechten Analog-Stick, bewegt sich der Cursor etwas langsamer über den Bildschirm. Ein exaktes Objekt zu treffen ist somit deutlich einfacher und genauer. Aber man kann auch Objekte, die von Interesse sind, mit den Schulterknöpfe anvisieren und sehen, was man wirklich anklicken kann. Das ist aber immer kontextsensitiv von dem Punkt, wo sich der Cursor befindet, wodurch es immer wieder mal passieren kann, dass man länger sich durch Objekte klickt, als einfach direkt die Analogsticks auszuwählen. Zudem werden nicht immer alle Gegenstände von dieser Funktion erfasst und man muss auch vorher immer das gewünschte Verb auswählen, weshalb man auch sofort die Analogsticks verwenden könnte, was sowieso besser funktioniert.