Das unabhängige Entwicklerteam Platinum Games genießt aktuell einiges an Ansehen, zuletzt durch wunderbare Titel wie „Bayonetta 2“ und „NieR: Automata“. Gegründet wurde die Gruppe von ehemaligen Mitarbeitern des Tochterunternehmens Clover Studio von Capcom, das bereits mit „Viewtiful Joe“ während der GameCube- und PlayStation 2-Ära für Aufsehen gesorgt hat. Ein anderes, sehr beliebtes Spiel des Teams ist „Õkami“, das auf der PlayStation 2 eine GameRankings- und Metacritic-Bewertung von 93 erreicht und sogar mit Nintendos „The Legend of Zelda: Twilight Princess“ direkt konkurriert hat. Für viele gilt das Abenteuer um die Göttin Amaterasu als eines der zeitlosen Werke der Videospielgeschichte. Daher ist es fast schon selbstverständlich, dass Rechteinhaber Capcom den Titel auch in den neuen Generationen umsetzt. Nach der Portierung für die PlayStation 3 wird „Õkami HD“ nun am 12. Dezember 2017 und damit pünktlich vor Weihnachten auch für die PlayStation 4 veröffentlicht. Warum das Spiel für jeden Abenteurer eine Überlegung wert ist, versuchen wir im Folgenden darzulegen.

Eine wiederkehrende Bedrohung

Vor hundert Jahren stürzte das für seine kunterbunten Kirschblüten bekannte Dorf Kamiki ins Chaos, als es vom mystischen Drachenschlangen-Wesen Orochi heimgesucht wurde. Dieses verlangte als Opfergabe das Leben einer Jungfrau im Gegenzug für eine ein Jahr anhaltende Ruhe, doch der Krieger Nagi konnte dieses Ritual nicht akzeptieren, als seine Geliebte Nami auserwählt wurde. Er stellte sich der Bedrohung und wurde niederschlagen, doch dann tauchte eine in weiß gehüllte Wölfin auf und half ihm, Orochi niederzustrecken.

Seither wird die Legende um Nagi und die Wölfin Shiranui in Kamiki Generation für Generation weitergegeben, wenn auch der Glaube mit der Zeit verschwunden ist. 100 Jahre nach dem Kampf befreit sich Orochi allerdings aus der Mondhöhle und bedroht ein weiteres Mal das Dorf. Als es zu untergehen droht, erscheint jedoch die Sonnengöttin Amaterasu und stellt sich zusammen mit dem feigen Nagi-Nachfahren Susano dem Fabelwesen.

Die Erzählung in „Õkami“ folgt der japanischen Sage des Shintõ-Glaubens und findet daher bei Fans der fernöstlichen Kultur sicherlich Anklang. Doch es ist nicht nur der Mythos, der die Story des Spiels besonders gestaltet. Die Handlung bietet einige Wendungen, interessante und liebenswerte Charaktere sowie eine kunterbunte, lebhafte Region zahlreicher Geheimnisse, die zum Erkunden einladen. Außerdem überrascht der Titel bis zum Ende durchgehend mit spannenden Begegnungen und ruht erst, als schließlich der Abspann läuft. Die Einleitung ist an sich sehr träge und verlangt ihre Zeit, bis die Erzählung ihren Lauf nimmt. Es kommt dazu, dass die Geschichte sehr linear ist, auch wenn sie über zahlreiche Nebenaufgaben und eine dichte Atmosphäre verzweigt, und manche Abschnitte sich zu sehr in die Länge ziehen. Insgesamt erwartet einen jedoch ein spezielles Abenteuer, das nach seiner ersten Stunde zu fesseln weiß.

Göttliche Intervention

Da der Glaube der Menschheit an Shiranui und ihre vermeintliche Wiedergeburt Amaterasu nicht besonders stark ist, muss die Wölfin zunächst die Nippon-Region bereisen und ihre Kräfte wiedererlangen. Anfangs kann sie nämlich nur mit ihrem Sonnenspiegel regulär angreifen, doch schon bald erlernt sie ihre erste Pinseltechnik, die für göttliche Interventionen sorgt. Sowohl im Kampf als auch außerhalb der Konfrontation schlägt eine Schriftrolle auf, wenn man den R1-Knopf gedrückt hält. Dann kann man bestimmte Zeichen skizzieren und für Wunder sorgen, wie etwa über einen Kreis die Sonne aufgehen oder verwelkte Blumen erblühen lassen.

Im Kampf wird man nach eingestecktem Schaden und verstrichener Zeit bewertet und mit dem Yen als Währung und anderen Items belohnt. Die Attribute von Amaterasu wie ihre Lebensanzeige, ihr Tintenfassvolumen oder ihr Magen werden durch sogenannte Glückspunkte erweitert, die man für vollbrachte Naturwunder und wiederhergestellten Glauben erlangt. Dank zahlreicher Pinseltechniken hat man zudem irgendwann eine Palette an interessanten Fähigkeiten, sodass nicht nur die Kämpfe abwechslungsreicher werden, sondern auch die Welt sich weiter öffnet.

Das Spiel kann tatsächlich in beiden Aspekten überzeugen und ruht nicht in Repetition. Die Gegnertypen, die ebenfalls der Shintõ-Erzählung entlehnt sind, fallen zahlreich aus und verlangen wie die Rätsel im Spiel ein wachsames Auge sowie einen optimierten Umgang mit Pinseltechniken. Spektakulärer geht es selbstverständlich bei Bosskämpfen zu, die ebenfalls für Überraschungen gut sind. Die Welt selbst bietet interessante Charaktere, die mit eigenen Problemen zu kämpfen haben und göttliches Einschreiten ausgiebig belohnen. Unterm Strich wartet das Abenteuer mit einem weiten Angebot auf und sorgt stundenlang für spannende Unterhaltung.

Technik

Bereits zur ursprünglichen Veröffentlichung auf der PlayStation 2 hat „Õkami“ im Visuellen beeindrucken können, was hauptsächlich am grafischen Stil liegt. Das Spiel sieht wie eine direkte Umsetzung japanischer Malereien und Märchen aus. Mit der Portierung für die PlayStation 4 wird der Stil in hochauflösenden Grafiken dargestellt, wodurch der Titel auch heute noch seinen Charme vermitteln kann. Auf der PlayStation 4 Pro unterstützt der Titel sogar 4K.

Nichtsdestotrotz bemerkt man einige optische Schwächen, die man in einer Wiederveröffentlichung eines solchen wunderbaren Titels gerne behoben gesehen hätte. Der Stil trägt das Spiel nämlich visuell nur bis zu einem bestimmten Punkt, doch verwaschene Objekte sowie dick aufgetragene Ecken und Kanten hinterlassen einen faden Beigeschmack. Ähnlich verhält es sich mit der Tatsache, dass viel zu viele Objekte überhaupt erst auftauchen, wenn man in unmittelbarer Nähe ist. Gelegentlich hat man auch mit der Kamera zu kämpfen, da manche Begegnungen den vollständigen Bildschirm beanspruchen.

Die Steuerung ist generell zugänglich, doch das Malen der Pinseltechniken sorgen nach wie vor für frustrierende Momente. Gezeichnet wird nämlich bei gehaltenem R1-Knopf entweder über den linken Stick oder den Touchpad des DualShock 4. Die Skizzen eignen sich eigentlich für eine Bewegungssteuerung, doch der Touchpad entpuppt sich als recht unzuverlässig. Nur wer einen PlayStation Move-Motion-Controller sein Eigen nennt, wird dementsprechend auch von der natürlicheren Bewegungssteuerung profitieren können. Außerdem werden hin und wieder Ansätze für Skizzen nicht akzeptiert, wenn man nicht aus der richtigen Perspektive zeichnet.

Phänomenal sind hingegen die Musikstücke des Spiels, die unter anderem durch die Instrumentenwahl nicht nur die Stimmung des Landes der aufgehenden Sonne wunderbar einfangen, sondern auch in spannenden Kämpfen begeistern. Etliche Soundtracks entzücken beim Spielen und bleiben selbst einige Zeit nach dem fabelhaften Abenteuer in Erinnerung. Eine Sprachausgabe bietet der Titel hingegen nicht und die Bildschirmtexte sind zwar auf Deutsch, doch fehlerreich und weisen merkwürdige Zeilenumbrüche auf, sodass der Lesefluss häufig unterbrochen wird.