Der Deal zwischen Netflix und Telltale Games solle historisch werden. Während das Spielestudio große Marken wie „Stranger Things“ in Spiele verwandeln sollte, wurden auch Umsetzungen von Spielen für Netflix versprochen, angefangen mit „Minecraft Story Mode“. Ohne große Ankündigung sind die ersten drei Episoden nun spielbar, weshalb wir uns erneut in die Blockwelt begeben haben um euch zu verraten, was die Zukunft hätte bringen können.

Das Ende eine Ära

Bevor wir über „Minecraft“ sprechen, soll es um Netflix gehen. Bereits zuvor erschienen nämlich interaktive Filme, unter anderem „Der gestiefelte Kater und das magische Buch“, in dem der Zuschauer an diversen Stellen die Wahl zwischen zwei Optionen hat. Netflix versucht damit, ein alt bekanntes Prinzip wieder aufleben zu lassen, viele Schlagzeilen machte die Streaming-Plattform dadurch allerdings nicht. Das hätte anders werden können, schließlich sind sowohl Telltale Games als auch „Minecraft“ bedeutende Namen, doch das traurige Ende des Entwicklerstudios sollte der großen Revolution im Wege stehen.

An anderer Stelle wurde bereits genug über das Schicksal von Telltale Games gesprochen. Seien es die talentierten Entwickler, die plötzlich ohne Job oder Abfindung dastanden, sei es die Chefetage, die für teure Marken gezahlt, jedoch wenig eingenommen hat oder die Engine, über die sich Fans bereits seit „The Walking Dead“ beschweren. All das gehört nun der Vergangenheit an, denn wenn man den sehr glaubwürdigen Aussagen der ehemaligen Mitarbeiter Glauben schenken darf, ist nach dem einmaligen Netflix-Projekt Schluss. Das erklärt auch, wieso die Serie ohne Vorwarnung auf den Markt geworfen wurde und nicht einmal in den Empfehlungen der meisten Nutzer gelandet ist.

Wie viel „Spiel“?

Aktuell stehen die ersten drei Episoden von „Minecraft Story Mode“ zur Verfügung, die beiden letzten Kapitel sollen am 5. Dezember erscheinen und werden von Netflix auch genau so angekündigt. Damit dürfte sicher sein, dass weder die zusätzlichen Episoden, noch die zweite Staffel ihren Weg auf den Streaming-Dienst finden wird. Doch wie ist die Umsetzung nun gelungen?

Bereits nach der Auswahl der ersten Episode werden Spieler von einer neuen Einführung begrüßt, schließlich muss dem neuen Publikum erst einmal erklärt werden, wie das Spielprinzip funktioniert. An diversen Stellen der Reise muss der Spieler, respektive Zuschauer nämlich aus zwei Optionen wählen, die den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Im Falle der ersten Episoden sind das viele alternative Szenen, in Folge zwei verändert sich sogar der gesamte Ablauf. Zur Qualität der Geschichte wollen wir hier nicht zu viel sagen, denn während Fans und ein jüngeres Publikum sicherlich viel Spaß mit Jesse und den anderen Helden haben werden, zeigten wir uns nicht allzu begeistert, wobei der Titel weiterhin eine solide Unterhaltung bot. Was ist nun aber anders an der Umsetzung?

Nur das Gute bleibt

Zum einen wurden viele Entscheidungen entfernt. Durfte man im Original noch zahlreiche Sätze für Jesse auswählen, stehen einem nun meist weniger Optionen zur Auswahl. Besonders ärgerlich ist das nicht, denn in den Passagen, in denen die Aussagen unwichtig sind, vermisst man die größere Vielfalt nicht, während man ansonsten die übliche Auswahl von drei bis vier Antworten erhält, wenn diese Sinn machen. Die Erzählung wirkt deshalb konzentrierter, schließlich zwingt sich das Spiel nicht mehr dazu, jederzeit vier Optionen anzubieten.

Eine größere Änderung ist das Wegfallen von jeglichen anderen Interaktionen. Man kann mit Jesse nicht mehr herumlaufen, stattdessen geschieht das nun automatisch und man darf sich auf diesem Wege alle möglichen Dialoge anhören. Das Spiel wird somit endgültig zur Serie und man kann sich vielmehr auf die eigentliche Geschichte konzentrieren. Die Telltale-Spiele wurden nie für ihre Rätsel gelobt und oftmals hat die Erkundung das Geschehen eher gebremst. Nun funktioniert das Pacing viel besser, schließlich wird man weder durch eine unpräzise Steuerung, noch unnötig große Räume gebremst. Manchmal gibt es dann doch Momente, an denen man spezielle Orte auswählen kann, um die Reihenfolge der Erkundung zu bestimmen, doch selbst das funktioniert dynamischer und leichter als zuvor. Quick-Time-Events, die viele Spieler immer wieder nerven, entfallen glücklicherweise komplett.

Besser als das Original?

Es steht außer Frage, dass „Minecraft Story Mode“ nun sehr viel filmischer ist als zuvor. Das Ziel von Telltale Games war es immer, spielerische mit cineastischen Erfahrungen zu kombinieren und obwohl letzteres oft gelungen ist und in großartige Geschichten resultierte, war der spielerische Anteil stets weit hinter dem Potential und fühlte sich wie Pflicht an. Nun kann man sich endgültig zurücklehnen und die Geschichte viel mehr genießen. Das hat dann aber auch den Nachteil, dass die Geschichte und Inszenierung plötzlich sehr viel wichtiger werden. Obwohl wir ursprünglich nicht allzu gebannt von Jesses Abenteuer waren, funktioniert es interessanterweise besser auf Netflix und durch das schnelle Tempo wird die Geschichte plötzlich kurzweiliger und unterhaltsamer. Natürlich ist das höchst subjektiv, und jeder sollte die Erfahrung selbst machen. Durch den flüssigeren Ablauf, das schnellere Aneinanderreihen der Ereignisse und den Wegfall der Stellen, in denen die Laufzeit gestreckt wurde, dürften aber ein weitaus größeres Publikum angesprochen werden.

Telltale und die Technik

Ein Kritikpunkt, dem sich die Telltale-Spiele selbst auf guten PCs stellen mussten, war schon immer die Technik. Eine stotternde Bildrate, zahlreiche Glitches, nervige Ladezeiten und weiteres sind schon gar nicht mehr wegzudenken, weshalb die Netflix-Erfahrung wie eine kleine Revolution wirkt. Plötzlich gibt es keine Ladezeiten mehr, Glitches können nicht auftreten und dadurch, dass Videos abgespielt werden, bleibt das Abenteuer perfekt flüssig,sofern man natürlich keine Probleme mit der Internet-Verbindung hat. Es wäre ein wahr gewordener Traum gewesen, jede Geschichte des Studios in einer derart perfekten Form zu sehen. Zudem ist die deutsche Synchronisation direkt vorhanden, auch wenn die englische Fassung dank bekannter Sprecher wie Patton Oswalt deutlich besser ist.

Ein Abschied

„Minecraft Story Mode“ auf Netflix funktioniert wunderbar. Wer auf die kleinen Rätsel-Passagen sowie die Erkundung verzichten kann, die immer wieder in Kritik standen, erhält die bessere Erfahrung als in Videospielform. Eine perfekte Technik, konzentriertere Entscheidungen und ein schnelleres Pacing sorgen für genau die cineastische Erfahrung, die das Studio schon immer erzielen wollte. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass ich gerne jedes Telltale-Werk in dieser Form den ursprünglichen Umsetzungen vorziehen würde. Leider wird das nicht möglich sein, weshalb weder „The Walking Dead“, noch „Tales from the Borderlands“ auf Netflix erscheinen werden. So traurig das auch ist, es ist eine tolle Tatsache, dass das letzte Experiment des Studios ein voller Erfolg ist.