Wie Nintendo die Spieler fit machte: Vom Bowling bis zum Workout
Dass Nintendo die Spieler schon häufiger ins Schwitzen bringen wollte, beweisen Spiele wie „Dancing Stage Mario Mix“, doch der große Durchbruch einer völlig neuen Art der Videospiele gelang dem Traditionshersteller mit der Wii. Die Bewegungssteuerung wurde häufig belächelt, der Erfolg spricht aber für sich. Heute soll es aber gar nicht (nur) um Verkaufszahlen gehen, sondern um die Videospiele, die durch sportliche Einsätze erst ermöglicht wurden. Und da „Ring Fit Adventure“ vor der Tür steht, soll auch ein Blick auf die aktuelle Konsole geworfen werden, die diesen Markt erneut erobern möchte.
Ein Meilenstein der Industrie
Das Thema kann nicht angeschnitten werden, ohne eines der wichtigsten Videospiele aller Zeiten anzusprechen. „Wii Sports“ wurde für viele Jahre jeder verkauften Wii-Konsole beigelegt und dürfte wohl dafür gesorgt haben, dass vor allem die Gelegenheitsspieler, die nur eine Konsole im Haus haben wollten, sich für die Wii entschieden haben. Dabei wirkt das Spiel 13 Jahre später regelrecht primitiv, denn im Tennis wird lediglich das Schütteln der Wiimote erkannt, beim Golf geht es ruhig zur Sache, und das Bowling lebt vom richtigen Timing. Auch beim Baseball dürfte sich die Anstrengung in Grenzen halten, lediglich das Boxen erfordert einen intensiveren Körpereinsatz. Das liegt allem voran am Einsatz des Nunchuk, wodurch beide Arme registriert wurden, während schnelle Schläge wichtiger als Präzision waren.
Allerdings muss hier eine klare Differenzierung betrachtet werden. „Wii Sports“ ist ein Sportspiel, aber kein Fitness-Spiel. Das Spiel war nicht so beliebt, weil es ein Workout ersetzen konnte, sondern weil es Aktivität mit Gameplay und Zugänglichkeit verband. Selbst ältere Menschen konnten die praktische Wiimote in die Hand nehmen und per Bewegung Bowling spielen, anstatt Tastenanordnungen zu erlernen – die Bilder aus Altersheimen gingen jahrelang um die Welt. Kaum ein Familienfest kam noch ohne ein Bowling-Turnier oder schnelle Tennis-Matches aus. Der gesellschaftliche Einfluss eines Spieles war in dieser Form einzigartig, und auch der Nachfolger „Wii Sports Resort“ sowie die Neufassung „Wii Sports Club“ kamen nicht an die Beliebtheit des ersten Nintendo Wii-Spieles heran.
Workout beim Daddeln?
Den starken Vorlauf von „Wii Sports“ nutzte Nintendo, um sich vollends in der Fitness-Schiene zu etablieren. Dabei war „Wii Fit“ kein günstiger Spaß, denn das Spiel kam mit dem berüchtigten Balance Board daher. Dabei handelt es sich um eine Waage, die in Übungen und Spielen zudem die Druckeinwirkung auf die Fläche verteilt misst. War das vorherige Sportspiel noch simpel aufgebaut, musste man nun Muskel- sowie Yogaübungen absolvieren. Liegestütze, Push-Ups und die Baum-Position etablierten sich plötzlich in den Tagesrhythmus, während ein täglicher Test das Fitness-Alter bestimmte. Plötzlich war es möglich, an einer Konsole ein richtiges Workout zu absolvieren, und anhand eines Assistenten dabei noch Hinweise und Vorschläge zu erhalten, wie die eigene Leistung verbessert werden kann. Zwar lässt sich das Training mit einem Profi niemals ersetzen, doch viel näher konnte ein Spiel nicht an die Simulation herankommen.
Nintendo-typisch war die Präsentation liebevoll geraten, und der Fokus war erneut zweigeteilt. In den sogenannten Balancespielen wurde klassisches Gameplay mit den Möglichkeiten des Balance Board verbunden. Mal mussten Kugeln in ein Loch per Gewichtsverlagerung befördert werden, mal durfte der Spieler zum Skispringer werden. Die Highscore-Jagd, mehrere Schwierigkeitsstufen und die Zugänglichkeit, die hier zum Tragen kam, erwiesen sich als wichtige Ergänzung zum Erfolgsrezept. Zudem wurde das beliebte Boxen aus „Wii Sports“ adaptiert, durch den Fokus auf die Schlagbewegungen allerdings in eine waschechte Übung verwandelt. Die Fortsetzung „Wii Fit Plus“ bot noch mehr Spiele, musste aber nicht viel verändern, weil das Basispaket bereits ein riesiger Hit war.
Spiele zweiter Klasse
Während Nintendo mit einer beeindruckenden Perfektion jedem Spieler vorführte, wozu die Wiimote in der Lage war, zeigten sich viele Entwickler eher konservativ. Schließlich benötigte die Konsole ein breites Spieleangebot: „The Legend of Zelda: Twilight Princess“ und „Super Mario Galaxy“ sind dabei gute Beispiele. Beide nutzen die Bewegungssteuerung, allerdings für kleinere Bewegungen, die sich auch im Sitzen absolvieren lassen. Die Pointer-Steuerung wurde zudem häufig benutzt, während „Mario Kart Wii“ den Controller in ein Lenkrad verwandelte. Genau deshalb lassen sich die Spiele der Konsole in zwei Kategorien einteilen, denn diese großen Hits orientierten sich an traditionellen Spielen, auch wenn viele davon ein riesiges Publikum erreichten, das zuvor noch keine Berührung mit Action-Adventures oder Rennspielen hatte. Die zweite Kategorie wurde hingegen häufig belächelt, obwohl es gerade die war, die das kulturelle Phänomen beflügelte.
Die größte Marke
2009 wagte sich Ubisoft an ein exklusives Spiel für die Wii, das zu einer der wichtigsten Reihen des Studios mutieren sollte. In „Just Dance“ war der Titel Programm: Spieler sollten schlichtweg die Bewegungen, die sie auf dem TV sahen, nachtanzen. Obwohl nur die Bewegungen einer Hand registriert wurden, erfordern die Choreographien den gesamten Körper. Ehe man sich versieht, tanzt man mitten im Wohnzimmer, und nach einigen Runden ist Schwitzen garantiert. Passenderweise gehört der Just Sweat-Modus, in dem Kalorien mitgezählt werden, du den wichtigsten Bestandteilen der Reihe.
Der Erfolg des Konzeptes lässt sich einmal mehr durch die Zugänglichkeit begründen. Zwar dauert es etwas länger, bis man die Highscore-Listen erobern kann, doch sich eine Wiimote zu schnappen und mit Freunden zu tanzen, bleibt auch nach Stunden noch unterhaltsam. Es gibt sogar richtige Team-Choreographien, die immer verrückter werden. Online-Modi, kleine Geschichten und noch viel mehr haben die Reihe bereichert, doch es ist das simple Spielprinzip, das sich nie verändert hat, weil es bereits von Beginn an perfekt geraten ist. Satte 29 Titel gibt es bereits, während ein Streaming-Dienst das Spiel von den Konsolen auf alle Plattformen gebracht hat. Sogar die Filmrechte wurden verkauft. Und wenn jemand die Beliebtheit der Reihe auf Nintendo Wii anzweifeln möchte: Sogar das kommende „Just Dance 2020“ erscheint noch für die Konsole von 2006.
Invasion der Dritthersteller
Die regelrechte Flut an Genre-Vertretern, die in den Jahren der Wii folgten, lässt sich gar nicht zusammenfassen. Zu den Überraschungshits dürfte aber „Zumba Fitness“ gehören, das mit einem Gurt für die Wiimote geliefert wurde und den Tanzsport, der in diesem Zeitraum den Gipfel der Popularität erreichte, erfolgreich auf die Konsole brachte. Noch in diesem Jahr erscheint zudem der neueste Teil der Reihe, „Zumba Burn It Up!“, für Nintendo Switch. Selbst „UFC Personal Trainer“ erfreute sich einer großen Beliebtheit, insbesondere durch den Mix der Marke und sportlichen Übungen.
Auch Electronic Arts bot mit “EA Sports Active” zwei Spiele, die sich ihrer Prämisse hingaben. Die Beinschlaufe durfte auch hier nicht fehlen, und sogar das Balance Board wurde unterstützt. Der Fortsetzung lag ein Pulsmesser bei, und selbst eine NFL-Version erschien für Football-Fans. Es ist unglaublich, wie viele zusätzliche Geräte für Sportspiele erschienen sind – den Vogel schoss aber BigBen mit „Cyberbike“ ab, einem funktionsfähigen Trainingsfahrrad für die Konsole.
Die Konkurrenz
Obwohl sich PlayStation 3 und Xbox 360 an eine andere Zielgruppe richteten, schauten die Konsolenhersteller neidisch auf Nintendo. Es folgten Konkurrenzprodukte, wobei PlayStation Move der Wiimote am ähnlichsten war. Hier wurde der Controller anhand eines Lichtes mit der Kamera erkannt, das wurde aber erst Jahre später zu einer nützlichen Technik. Die Spieleauswahl war entscheidend, doch große Hits gab es nicht. Während Spiele wie „BioShock Infinite“ und „Counter Strike“ entsprechende Updates erhielten, erinnert sich heute kaum noch jemand an die beliebtesten Spiele. „Medieval Moves“ sowie „Sorcery“ wurden nicht zu den Publikumslieblingen, die sich Sony erhofft hat, und „Sports Champions“ ergab zwei spielerisch hochwertige Teile, die aber einen realistischen Stil boten und somit in der Zielgruppe weniger ansprechend waren als Nintendos hauseigene Produktionen. Umsonst waren die Bemühungen aber nicht, denn einige Jahre später erschien PlayStation VR und nutzte exakt diese Controller.
Microsoft ging mit Kinect einen anderen Weg, konnte aber ebenfalls nur am Erfolg kratzen – die Gründe für das letztendliche Scheitern würden den Rahmen des Artikels wohl sprengen. Die Kamera erkannte nicht nur die Handbewegungen, sondern den gesamten Körper, wodurch die Spielcharaktere sich theoretisch exakt so bewegen konnten, wie der Spieler. Das Motto, selbst zum Controller zu werden, nahm besonders „Kinect Adventures!“ in Anspruch, das zum Vorzeigetitel wurde. Auch „Just Dance“ erschien dafür, das Konkurrenzprodukt „Dance Central“ wurde aber zum eigentlichen Hit. Hier galt dasselbe Spielprinzip, doch erstmals waren deutlich exaktere Bewegungen erforderlich. Fitness-Programme gab es durchaus, insgesamt war die Auswahl aber nicht groß genug, und auch nicht qualitativ hochwertig genug, um den erwünschten Markt einzunehmen.
Ein unglücklicher Wechsel
Nintendo selbst konnte den starken Vorlauf nicht nutzen und verbucht die Wii U nun als Enttäuschung – dabei gab es durchaus Futter für Fitness-Enthusiasten. Die Grundeinstellung der Konsole war allerdings eine andere, was „Nintendo Land“ bewies. Das beigelegte Spiel stellte vor allem das GamePad in den Fokus und nicht etwa die Wiimotes oder die Bewegungssteuerung, die noch immer genutzt wurden. Die bekannte Zielgruppe erhielt später stattdessen „Wii Sports Club“, bei dem die bekannten Sportarten durch das GamePad ergänzt wurden. Leider experimentierte Nintendo hier mit Tageslizenzen, die überhaupt nicht gut ankamen. Wer den vollen Zugang zu allen Sportarten wollte, musste in der Handelsversion 40 Euro zahlen – zu viel für einen Titel, den fast alle Spieler schon in- und auswendig kannten.
Der Fehler wurde mit „Wii Fit U“ nicht wiederholt. Neue Spiele, Modi und eine komplette Tanz-Abteilung stellen eine gute Evolution der Reihe dar, die leider hiermit auch ihr Finale fand. Dafür gab es aber ein zusätzliches Gerät, nämlich einen Schrittzähler. Somit konnte auch die Bewegung abseits der Konsole gemessen und später übertragen werden, um ein umfassendes Gesamtbild über den Alltagssport zu erhalten. Bis heute gibt es wohl keine Software, die so zugänglich, übersichtlich und allumfassend ist – im Zeitalter von Smartphones haben die meisten ihre Statistiken aber immer dabei. Zudem gibt es immer mehr Leute, die sich lieber komplexere Programme anschauen, um noch präzisere Statistiken zu erhalten.
Ein noch immer lebendiges Genre
Somit verlor die einstige Erfolgsformel ihre Zielgruppe immer weiter – während den Wii-Spielern zu wenige neue Anreize geboten wurden, auf die HD-Konsole umzusteigen. Mittlerweile finden sich die aktivsten Titel in der Virtuellen Welt – insbesondere „Beat Saber“ gehört wohl zu den intensivsten und spaßigsten Spielen aller Zeiten. Selbst dedizierte Trainingsprogramme wie „BoxVR“ erfreuen sich einer großen Beliebtheit und stürmen regelmäßig die entsprechenden Charts, während „Dance Central“ eine Rückkehr feierte. Doch auch Nintendo gibt noch nicht auf, hat sich in den ersten Jahren von Nintendo Switch aber traditionellen Spielen gewidmet.
Dabei agiert das Unternehmen als Publisher von „Fitness Boxing“, dass sich als rhythmisches Boxspiel versteht. Entsprechende Popsongs begleiten richtige Übungseinheiten, die so anstrengend sind wie man es sich vorstellt. Auch hier wird der Kalorienverbrauch gemessen und sogar in Statistiken protokolliert, die an „Wii Fit“-Zeiten erinnern. Doch weil der Fokus nur auf einer Sportart liegt, werden hier keine Maßstäbe gesetzt. Zudem ist die Motivation, jeden Tag zurückzukehren, nicht mehr gegeben, sobald man die Lieder zu häufig gehört hat.
Die Zukunft ist heute
Der wohl größte Versuch seit „Wii Fit“, sich wieder auf dem Fitness-Markt zu etablieren, ist „Ring Fit Adventure“. Allerdings wird die Erfolgsformel nicht einfach kopiert. Zwar soll sich das Spiel als tägliches Workout eignen, insbesondere durch den Ring-Con, der auch ohne Elektronik als waschechtes Trainingsgerät durchgeht. Und auch der Werbe-Fokus auf die Familie sowie Mini-Spiele soll dafür sorgen, dass die Fans von damals zurückkehren.
Vielmehr möchte das Unternehmen aber die bereits große Spielerbasis von Nintendo Switch dazu bringen, sich zu bewegen. Zu Wii-Zeiten wurden Gelegenheitsspieler gelockt, eine Nintendo Switch ist aber auch bei Vielspielern häufig die beliebteste Plattform. Deshalb liegt der größte Fokus auf dem Abenteuer, das wie ein Rollenspiel abläuft. Anstatt Angriffe lediglich auszuwählen, muss der Spieler diese als Übung ausführen, und auch zwischen den Kämpfen erhält man keine Pause. Wie gut das funktioniert, werden wir erst im Test herausfinden, doch bereits die Prämisse zeigt, dass Nintendo sich so experimentierfreudig zeigt wie schon seit Jahren nicht mehr. Die Verbindung von Workout, Spaß für die gesamte Familie und einem waschechten Einzelspieler-Abenteuer ist dem Unternehmen selbst mit den größten Erfolgen noch nicht gelungen.
Das sagen unsere Leser:
Nach den 10 Minuten spielen war ich krass aufgewärmt und am schwitzen dabei habe ich noch nicht einmal LVl. 1 der Spielwelt geschafft und ich bin gerade einmal Fitnesslevel 2 von keine Ahnung wieviel. Soweit ich an den Screenshots gesehen habe kann es bis Fitnesslevel über 50 gehen.
Es ist seine 70 € wirklich wert!! Ich kann es sehr empfehlen wenn man das Spiel als Fitness-Spiel sieht. Man kann sich Online mit seinem Jahrgang vergleichen und vieles mehr. ^^
Auch ich erinnere mich sehr gut, als Kinect für die X Box 360 erschien. Habe ebenso mitbekommen daß Kinect nicht wirklich irgendjemandem überzeugte, zumalKinect schlicht gefühlt eine lose Kopie von Wii Sports, Wii Fit und Eye Toy (Playstation 2) war.
Auch bei Wii Fit hatte ich viel Spaß. Vor allem dabei, beim Ausdauerlauf zu mogeln, indem die Vernbedienung einfach nur sehr schnell hinauf- und hinunterbewegt wurde
Ansonsten kannich nicht oft genug betonen, 1-2-Switsch selbst sehr zu mögen