Videospiele sind unterhaltsam, lehrreich, vielfältig - und noch sehr viel mehr. Dem Medium sind kaum Grenzen gesetzt, und dennoch gibt es überraschend wenige große Titel, in denen LGBTQIA+-Repräsentation stattfindet. In unserer Pride-Artikelreihe wollen wir deshalb genau die Titel in den Fokus rücken, die hier gute Arbeit geleistet haben - oder auch solche, hinter denen ein vielfältiges Team oder eine bunte Community steht.

Bugsnax

Bunt ist „Bugsnax“ auf jeden Fall. Spielende landen als Journalist auf einer Insel, auf der Lebensmittel wie Erdbeeren, Burger oder Pommes als Tiere leben. Ziel ist es, mit einigen Hilfsmitteln sowie der Umgebung alle Bugsnax zu fangen, doch all das wird von einer überraschend starken Handlung umrahmt. Einst lebten nämlich mehrere Charaktere gemeinsam im Dorf Snaxburg. Seit die Leiterin der Expedition Elizabert Megafig verschwunden ist, haben jedoch alle die Gemeinschaft verlassen - im Laufe des Abenteuers finden sie aber wieder zueinander und lüften dann sogar noch das Geheimnis der lebenden Leckereien.

Die Geschichte lebt vor allen von den enorm starken Charakteren, die alle Lasten mit sich herumtragen. In zahlreichen Videotagebüchern erfahren Spielende dann auch von der Liebe zwischen den Frauen Elizabert und Eggabell Batternugget, sowie den Höhen und Tiefen dieser. Die emotionalen Momente funktionieren wunderbar und beweisen, dass die queere Identität nicht das einzige Charaktermerkmal für Repräsentation sein muss, und sollte. Zudem sind die Charaktere keineswegs eindimensional, denn die Tatsache, dass sie queer sind, definiert nur ihre Beziehung, nicht aber die tiefgreifenden Eigenschaften. Und dann wären da noch Snorpy und Chandlo, deren Beziehung zu den witzigsten und schönsten Momenten von „Bugsnax“ gehört. Die reine Positivität ist derart erfrischend, dass wir uns dringend eine Fortsetzung des Indie-Hits wünschen.

„Bugsnax“ ist für Nintendo Switch, PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series, Xbox One und PC erhältlich.

Tell Me Why

Das französische Studio Don’t Nod hat bereits mit „Life is Strange“ einen Homerun geschlagen, „Tell Me Why“ ist aber eine wahre Offenbarung in Sachen LGBTQIA+-Repräsentation. Im Zentrum stehen die Zwillinge Tyler und Alyson, die sich nach dem Tod ihrer Mutter nicht mehr gesehen haben, und nun zurück in die Heimat kehren. Tyler ist ein Trans-Mann, und hat auch deshalb Angst davor, zurückzukehren, schließlich ist die Reise mit einem schweren Trauma verbunden. Übernatürlich wird es dann, als sie herausfinden, dass sie Fragmente der Vergangenheit sehen können. Die Mutter der beiden wollte Tyler nämlich anscheinend umbringen, doch hinter ihrem Zusammenbruch steckt mehr, als sie ahnen. Einmal mehr liegt es an den Spielenden, zahlreiche Orte zu erkunden und Entscheidungen zu treffen, die den Ausgang der Handlung beeinflussen.

Spiele dieser Größe, in denen ein Trans-Charakter die Hauptrolle übernimmt, gibt es leider viel zu selten. Deshalb ist die Arbeit von Don’t Nod so bemerkenswert, denn „Tell Me Why“ ist in Kooperation mit GLAAD und Trans-Mitarbeitenden von Xbox entstanden. Das leider noch viel zu häufige Deadnaming (die Nutzung des abgelegten Namens) oder ein unsensibler Umgang werden deshalb vermieden, gleichzeitig steht Tyler zu seiner Identität, die immer wieder thematisiert wird. Er spricht über seine Kindheit, seine Transition und wie er heute damit umgeht. Sichtbare Repräsentation ist immens wichtig, auch in Videospielen, die die aktuelle Welt aufgreifen wollen. Das Spiel zeigt wunderbar, wie die Tatsache, dass Tyler trans ist, sein Leben und seine aktuelle Erfahrung beeinflusst, jedoch gleichzeitig nicht sein einziges Charaktermerkmal ist.

Wieso ist es nun plötzlich gut, wenn seine queere Identität eines der wichtigsten Themen des Spieles ist, obwohl ansonsten gelobt wird, wenn queere Charaktere als normaler, nicht besonderer Teil der Welt angesehen werden? Der Unterschied liegt in der Intention: Wird eine fantasievolle Welt erschaffen, in der sich Spielende wohl fühlen sollen, sollten LGBTQIA+-Charaktere, wie alle anderen auch, normaler Teil dieser sein. Wenn die Intention aber darin liegt, reale gesellschaftliche Themen zu reflektieren, dann sollten diese auch entsprechend im Fokus stehen, mit all ihren Seiten. Würden Videospiele davor zurückschrecken, oder sich nur auf fiktive Themen konzentrieren, würden sie sich im Vergleich zu anderen Kunstformen extrem einschränken.

„Tell Me Why“ ist für Xbox Series, Xbox One und PC erhältlich. Über den gesamten Monat Juni hinweg gibt es alle drei Episoden zudem kostenlos im Microsoft-Store sowie auf Steam. Zudem steht auf der offiziellen Website ein FAQ zur Verfügung, in dem sensible Fragen geklärt werden.

Hades

Zagreus, der Sohn des mächtigen Hades, will die Hölle verlassen und in der Welt der Menschen nach seiner Mutter suchen. Dabei erhält er Hilfe von Freunden der Unterwelt sowie der Götter, die den Verwandten endlich treffen wollen. Was folgt, ist eines der besten Roguelikes der letzten Jahre, denn Zagreus kämpft sich durch zahlreiche Areale und Bosse, sammelt immer stärkere Upgrades ein und muss seine Reise von vorne antreten, wenn er stirbt. Die theoretisch simple Handlung lebt von den zahlreichen Charakteren, denn jeder von ihnen hat eine Geschichte zu erzählen, die sich erst nach vielen Durchläufen offenbart.

Zagreus ist bisexuell. Auf den ersten Blick sind das viele Videospielcharaktere, wenn die Protagonisten die Wahl zwischen Romanzen mit zwei Geschlechtern haben. In den meisten Beispielen sind diese Beziehungen aber Teil einer einzelnen Storyline, und lassen dem Spieler die Wahl, an wen die Helden interessiert sind - Spielersexuell wird das häufig genannt. Zagreus ist aber offen bisexuell geschrieben, zeigt ohne Wahl der Spielenden in vielen Dialogen sein Interesse an zahlreichen Göttern und Untertanen und kann sogar mehrere Beziehungen gleichzeitig führen. Verurteilt, wie leider in unserer Welt, wird das zu keinem Zeitpunkt, und das ist die Magie von Videospielen, die ein eigenes Universum erzeugen und zeigen, wie wunderbar die Realität sein könnte, wenn niemand aufgrund seiner Liebe oder Identität diskriminiert werden würde.

Zagreus ist aber selbstverständlich nicht der einzige Vertreter des Regenbogens, und genau hier entkommt Supermassive Games dem Problem, LGBTQIA+-Charaktere rein als sexuelle Personen darzustellen. Eine der umfangreichsten Quests dreht sich um Achilles, der zwar homosexuell ist, allerdings keinen potentiellen Partner für den Protagonisten darstellt. Er ist nämlich bereits an Patroclus vergeben, und wer zahlreiche Aufgaben erledigt, kann beide in einer wunderbaren Szene wieder vereinen. Das ist das Tolle an der Repräsentation von „Hades“: Jede romantische Szene führt die Geschichte voran. Und all das zieht sich noch viel weiter: Mit Dusa gibt es die viel zu seltene asexuelle Vertretung, und Chaos ist ein nicht binärer Charakter.

„Hades“ ist für Nintendo Switch, PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series, Xbox One und PC erhältlich.