Im August des letzten Jahres kündigte Square Enix gemeinsam mit den Entwicklern von Dontnod Entertainment einen recht überraschenden Titel an. Mit „Life is Strange“ wollten sie in die jüngsten Erfolge ihres letzten Titels „Remember Me“ treten und den Spielern eine einzigartige Geschichte im Episodenformat erzählen. Die erste der insgesamt fünf Episoden ist am 30. Januar sowohl für die Konsolen als auch für den PC erschienen und entführt Käufer für 4,99 Euro in die Welt von Max Caulfield ein.

Achtung! Veränderte Review-Struktur

Bevor wir mit unserem Test beginnen, wollen wir zuvor auf unsere etwas veränderte Struktur hinweisen. In der Regel decken wir in unseren Testberichten das Gesamtpaket aus Handlung, Gameplay und Technik ab. Da bei „Life is Strange“ ein Episoden-Format zum Einsatz kommt, stellen wir an dieser Stelle lediglich den Handlungsinhalt der jeweiligen Episode vor. Ausführliche Informationen zu Gameplay und Technik, sowie eine Gesamtbewertung der Staffel nach aktuellem Stand findet sich hingegen unter folgendem Link.

» Zum gesamten Review

Da bei „Life is Strange“ die Geschichte und die Entscheidungen stark im Vordergrund stehen, wollen wir darauf hinweisen, dass dieses ausführliche Review Spoiler enthält und wichtige Ereignisse der Handlung vorgreift.

Episode 1: Chrysalis - Handlung:

Max Caulfield ist ein 18-jähriges Mädchen, das ihrer Leidenschaft zu fotografieren sehr gerne nachgeht. Nach ihrem Abschluss entscheidet sie sich dazu, in ihre Heimatstadt Blackwell zurückzukehren und ein Fotografie-Studium auf der Blackwell-Academy zu beginnen. Die Geschichte beginnt rasant an einem Leuchtturm in einem düsteren Wald. Dort hat sich ein gewaltiger Sturm seinen Weg an das Land gebahnt und zerstört alles in seiner Umgebung. Max wird mit diesem Ungetüm konfrontiert und sucht Zuflucht an einem sicheren Ort auf der Spitze einer Klippe. Dort angekommen wird ihr bewusst, dass dies kein Sturm eines normalen Ausmaßes ist, sodass ein Gefühl der Hilflosigkeit aufzieht. Die ganze Szenerie stellt sich Augenblicke später als Traum heraus, den sie während des Unterrichts in der Klasse erlebt hat und sie in Schweiß ausbrechen lässt. Um ihren Kopf klar zu kriegen, besucht sie die Mädchen-Toilette, wo direkt ihr nächster Schicksalsschlag auf sie wartet. Versteckt hinter den Kabinentüren wird Max Zeugin eines Verbrechens.

Zwei ihrer Mitstudenten, ein Junge und ein Mädchen, liefern sich nach einem Streit ein Gerangel, in dem der Jugendliche eine Waffe zieht. Die Situation eskaliert und bildet mit dem Tod des Mädchens den Wendepunkt in „Life is Strange“. Max, die das ganze beobachtet hat, schafft es durch Ausstrecken ihrer Hand die Zeit zurück zu drehen und wacht erneut im Klassenzimmer auf. Geschockt von den Ereignissen und ihrer neuen Fähigkeit wird ihr bewusst, dass dies kein Traum gewesen ist und sie die Möglichkeit hat, das Mädchen zu retten. Nach erneutem Abspielen der Szenerie schafft sie es, den Feueralarm zu betätigen und den Angreifer am Mord zu hindern. Das Mädchen entkommt und die Schule wird evakuiert. Max wird zur Heldin. 

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Ihr wird klar, dass das Zurückspulen der Zeit ein hohes Risiko birgt, es jedoch um das Retten vieler Menschenleben wert ist. Neben ihrem besten Freund Warren und der kalten Rivalin Victoria findet sie eine Menge Leute auf dem Campus, denen sie helfen möchte. Das gesamte Gelände der Universität ist übersät mit Vermissten-Postern, die den Namen Amber Rachel zieren. Das Mädchen ist bekannt als wunderschöne Vorzeigestudentin, die Mitglied im renommierten Vortex-Club ist und einige Wochen zuvor auf mysteriöse Weise verschwunden ist.

Beim Betrachten vielerlei Hinweise wird Max von Nathan am Parkplatz abgefangen. Der Junge, der am Morgen kurz davor war, einen Mord zu begehen und den sie verjagte, drohte jetzt plötzlich ihr. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass sie Zeugin war und möchte die Macht seiner Eltern, denen der gesamte Campus gehört, nutzen, um Max zum Schweigen zu bringen. Glücklicherweise wird die kleine Protagonistin von genau dem Mädchen gerettet, dem sie zuvor ein zweites Leben geschenkt hat. In diesem Augenblick erkennt sie, dass diese Mitschülerin Chloe ist, ihre ehemalige beste Freundin. Nach fünf Jahren Trennung sehen sich die beiden auf der Flucht des verrückten Nathan wieder und entscheiden sich, in alten Zeiten zu schwelgen. Es stellt sich heraus, dass es Chloe war, die alle Poster von Amber Rachel verteilte und eine Suchaktion startete. In Maxs Abwesenheit wurden die beiden nämlich unzertrennlich und verbrachten seitdem jeden Tag miteinander.

In der Wohnung von Chloe angekommen findet Max zahlreiche Hinweise zum überstrengen Stiefvater ihrer ehemaligen besten Freundin. Sie findet heraus, dass er der Sicherheitsmann auf der Blackwell-Academy ist. Schlechte Nachrichten für sie, denn der kontrollierende Mann hat sie bereits seit ihrer Einschreibung im Auge. Auf ihrer Erkundungstour durchs Haus finden sich neben nostalgischen Erinnerungen aus der Kindheit auch neues Stalker-Material zu allen möglichen Schülern.

Nach einer kurzen Eskalation des Stiefvaters treten Max und Chloe ihren Weg zu einem bekannten Ort an, jenen Leuchtturm, von dem die frische Studentin in der Klasse träumte und die beiden ihre Kindheit gemeinsam verbracht haben. Plötzlich geschieht etwas Unerwartetes: Max bricht zusammen und sieht in einer weiteren Vision, das Blackwell in fünf Tagen von einem riesigen Sturm heimgesucht wird. Das Ziel in „Life is Strange“ wird am Ende der ersten Episode deutlich: das Rätsel um die vermisste Amber Rachel lösen und das Unheil des Tornados durch ihre neue Fähigkeit zu verhindern.

Unsere Meinung

Wie nicht untypisch zu Episoden-Spielen, wird man auch in der ersten Episode zu „Life is Strange“ in die Haupthandlung eingeführt. Die Charaktere werden vorgestellt und die Situation um Max und ihre neue Fähigkeit wird in ersten Schritten erklärt. Zu Beginn sind die Momente im Klassenzimmer wirklich nachvollziehbar gehalten und sorgen für einen angenehmen Einstieg. Man lernt erste Funktionen durch Beobachten kennen und kriegt schnell Lust auf mehr.

Das Prinzip, sich erst einmal die Umgebung anzuschauen, Hinweise zu finden und schlussendlich Gespräche zu führen, um an neue Informationen zu gelangen, ist sicherlich keine Neuheit auf dem Spielemarkt. Der Titel macht es jedoch weder besser noch schlechter als Titel des selben Stils. Die Besonderheit kommt erst durch Maxs Fähigkeit ins Spiel und sorgt für ungeahnte Möglichkeiten. Anfangs scheint diese noch recht ungewohnt und man erhält den Drang nach jeder kleinsten Aktion die Zeit umzukehren, um das Ergebnis nach einer anderen Wahl zu erleben. Mehrfach erwischt man sich dabei, einige Minuten an der selben Situation zu hängen, weil man sich nicht entscheiden kann, was das beste für den weiteren Handlungsverlauf ist. Neben offensichtlich schwerwiegenden Entscheidungsmöglichkeiten sind recht banale Aktionen auch keine Seltenheit. Demnach ist es unklar, ob das Wässern der hauseigenen Zimmerpflanze etwas bewirkt oder ob das Ignorieren von dieser eine kritische Folge hat. Oft passiert es, dass man paranoid jede einzelne Ecke des Gebiets durchsucht, weil mögliche Hinweise vielleicht doch noch irgendwo auftauchen.

Es wird schnell klar, dass die Charaktere die Basis des Spiels bilden. Von der Haupthandlung abgesehen, kann Max in den zahlreichen Nebenaktionen und Gesprächen an vielerlei neue Informationen kommen, die ihr beim Hauptziel helfen. Mit dem Zeitsprung der fünf Jahre und Beschreibung von damaligen Charakteren ist es recht überraschend, die Entwicklung einiger zu sehen. Chloe beispielsweise war damals ein braves, jedoch aufgewecktes Kind und hat mit Max vielerlei Unsinn angestellt. Beim Wiedersehen hat sie sich äußerlich und im Verhalten wesentlich verändert. Im Gegensatz zu Max testet sie ihre Grenzen gerne aus und möchte kein langweiliges Leben führen. In den vergangenen fünf Jahren ist sicherlich viel passiert, da scheint es teilweise unrealistisch, dass die Zeit in Chloes Haus beinahe still gestanden ist. Man findet alte Fotos, gemalte Bilder, zerbrochene Sachen und vieles mehr an Stellen, die sich in fünf Jahren verändern hätten müssen.

Auf der Universität bildet Victoria die Rivalin unserer Protagonistin. Geringfügiges Mobbing und kleinere Hass-Aktionen sind alltäglich. Auch Warren, der beste Freund von Max, hat eigensinnige Charakterzüge und es ist offensichtlich, dass er das Mädchen nicht nur als gute Weggefährtin betrachtet. Alles in allem sind die Charaktere sehr individuell gehalten. Kaum ähneln sich zwei Personen und die eigene Lust wird angeregt, mit jeder einzelnen Person zu reden.

Die Haupthandlung wird nicht bereits zu Beginn deutlich, sondern entwickelt sich im Laufe der Zeit. Der verhinderte Tod von Chloe auf dem Schulklo bildet den Auftakt zu großen Möglichkeiten. Mit der Einführung von Chloe, Warren und Victoria lassen sich viele Szenerien im Kopfkino durchleben. Die zahlreichen Vermissten-Poster zu Amber Rachel deuten auf ein erstes richtiges Ziel hin und Max erhält in Gesprächen viele Informationen zu ihrem verschwinden. Gemeinsam mit dem drohenden Sturm bildet die Vermisste die Hauptziele in „Life is Strange“ und lässt die Neugier auf die folgenden Ereignisse stetig wachsen.