Es ist bereits sechs Jahre her, dass der teambasierte Egoshooter „Overwatch" von Blizzard veröffentlicht wurde und bereits in kurzer Zeit mit seinen vielfältigen Charakteren und Modi die Herzen vieler Shooter-Fans eroberte. Nach einer langanhaltenden Flaute, was neue Inhalte angeht, wurde es nun höchste Zeit für frischen Wind. Diesen soll es in Form von „Overwatch 2“ geben, das den Vorgänger ablöst. Ob das gleiche Spielprinzip auch nach sechs Jahren noch begeistern kann, klären wir in unserem Test.

Weniger Verteidigung, dafür aber mehr Bewegung

Die erste große Änderung im Vergleich zum originalen „Overwatch“ wird sichtbar, sobald man in das erste Match lädt. Denn die beiden Teams, die sich in unterschiedlichen Modi miteinander messen, bestehen nicht länger aus sechs, sondern nur noch aus fünf Heldinnen und Helden. Ein Tank-Slot wurde gestrichen, sodass die Teams sich nun aus einem Tank, zwei Unterstützungs- und zwei Schadenseinheiten zusammensetzen. Das wirkt sich natürlich auch auf das Gameplay aus, denn mit nur einem Tank auf beiden Seiten geraten die Matches deutlich seltener in einen Stillstand, bei dem beide Teams nur hinter Schilden sitzen und sich gegenseitig anstarren. Stattdessen verlaufen die Runden nun deutlich dynamischer und schneller. 

Um den Tanks durch die alleinige Verantwortung das Leben gleichzeitig nicht noch schwerer zu machen, wurden einige Charaktere wie Cassidy und Mei überarbeitet. Die berüchtigte Blendgranate von Cassidy, die sein Gegenüber für kurze Zeit erstarren ließ, wurde durch eine Magnetgranate ersetzt und Mei kann ihre Gegner nicht länger komplett einfrieren. Auch einige andere Charaktere wurden überarbeitet. Orisa beispielsweise, die im ersten Teil noch durch ihre langsamen Bewegungen und ihren Schild bekannt war, besitzt nun deutlich offensivere Fähigkeiten wie einen Speer, mit dem sie Gegner zurückstoßen kann.

Neue Gesichter

Neben Überarbeitungen altbekannter Charaktere gibt es aber auch ein paar Neuzugänge. Darunter fällt aufseiten der Tanks beispielsweise Junkerqueen, die mit ihren Fähigkeiten Blutung und damit Schaden über Zeit hinzufügen kann und mit einem kurzzeitigen Geschwindigkeitsschub noch mehr Tempo ins Spiel bringt. Die Veteranin Sojourn sorgt für Zuwachs bei den Schadenseinheiten und kann durch ihren Powerslide schnell Distanzen zurücklegen, während sie dank ihrer Railgun auch auf Distanz massiven Schaden austeilen kann. Die japanische Unterstützerin Kiriko macht das Trio der Neuzugänge komplett und ist von ihrer Spielweise her womöglich auch der interessanteste neue Charakter. Denn zum einen kann sie mit etwas Übung mächtigen Kopfschuss-Schaden mit ihren Kunai austeilen, zum anderen heilt sie Verbündete auch auf mittlere Distanz zuverlässig mit Heilungstalismanen. Braucht ein Verbündeter dringend Hilfe, kann sie sich auch zu diesem teleportieren und negative Effekte aufheben oder mit ihrer ultimativen Fähigkeit für das ganze Team die Feuerrate und Bewegungsgeschwindigkeit erhöhen sowie Cooldown-Zeiten reduzieren. Alle drei Charaktere fügen sich gut in das Spiel ein und unterstreichen durch ihre Fähigkeiten den deutlich dynamischeren Ansatz von „Overwatch 2“ im Vergleich zum Vorgänger.

Wer komplett neu in „Overwatch“ ist, muss sich keine Sorgen machen, direkt zu Beginn von den vielen Charakteren und ihren Fähigkeiten überfordert zu werden. Denn komplett neuen Accounts stehen am Anfang nur 13 der mittlerweile 35 Heldinnen und Helden zur Verfügung, alle anderen werden durch das Absolvieren von Matches nach und nach freigeschaltet. Das erlaubt es Neueinsteigern, sich zunächst an eine begrenzte Auswahl eher einfach zu spielender Charaktere zu gewöhnen und die grundlegenden Spielmechaniken zu lernen. 

Schlachten auf der ganzen Welt

Dynamisch ist auch der neue Modus Schub, bei dem zwei Teams auf symmetrischen Karten um die Kontrolle über einen Roboter kämpfen. Wer den Roboter bis in die gegnerische Basis oder vor Ablauf der Zeit am weitesten voranbringen kann, gewinnt dabei. Schub spielt zumindest bisher auf verhältnismäßig großen Karten und gibt Spielerinnen und Spielern viele Möglichkeiten zum Flankieren, was frischen Wind in die Modus-Auswahl bringt. Insgesamt bringt „Overwatch 2“ sechs neue Karten, die euch unter anderem nach Portugal, Rom und in die USA entführen und besonders visuell dank ihres Detailreichtums einen starken Eindruck machen. Besonders gut gefallen hat uns die in Monaco situierte Karte Circuit Royal, in der man von einem Außenbereich in eine Hotellobby vordringt, die viele Möglichkeiten zum Flankieren und sogar einen Zugang zu einem Balkon und einem Poolbereich bietet. Insgesamt hatten wir auch den positiven Eindruck, dass es auf den neuen Karten eher selten zu Pattsituationen kommt, was jedoch auch an der neuen Teamaufstellung mit einem Tank weniger liegen könnte.

Veränderungen auch auf Mikro-Ebene

Neben neuen Karten und Charakteren gibt es in „Overwatch 2“ auch im Detail einige Neuerungen. Besonders hilfreich ist das neue Ping-System, mit dem ihr auch ohne Sprachchat euren Mitspielerinnen und Mitspielern mitteilen könnt, wo sich Gegner befinden, von wo aus ihr attackieren möchtet und mehr. Zudem wurde das Medaillen-System abgeschafft, durch das im Vorgänger Spielerinnen und Spieler mit dem meisten Schaden, der meisten Heilung etc. ausgezeichnet wurden. Stattdessen sind nun alle relevanten Werte in einem neuen Scoreboard zu sehen, das jederzeit für alle einsehbar ist. Das soll ebenso für die Reduzierung toxischen Verhaltens sorgen wie die verpflichtende Verknüpfung der eigenen Handynummer bei neuen Accounts, um Smurfs und Cheater aus dem Spiel zu halten. Schade ist dafür aber, dass auch die Highlight-Karten am Rundenende abgeschafft wurden. Auch hier wurde man zuvor für herausragende Leistungen angezeigt und konnte von eigenen und gegnerischen Teammitgliedern durch Upvotes Anerkennung bekommen. Durch die Abschaffung dieses Systems werden nun leider oftmals nur noch Schadenseinheiten im Play of the Game zur Schau gestellt, da diese hier durch den Fokus auf Eliminierungen gegenüber Tanks und Unterstützungseinheiten einen wesentlichen Vorteil haben. Auch das Anerkennungssystem wurde geändert, denn nachdem es im Vorgänger möglich war, sowohl Teammitglieder als auch Gegner nach dem Match ein digitales Lob auszusprechen, ist dies in „Overwatch 2“ nur noch beim eigenen Team und in begrenzter Anzahl möglich. 

Free-to-Play oder Pay-to-Win?

Der wohl größte Unterschied zum originalen „Overwatch“ ist allerdings wohl nicht im Gameplay zu finden, sondern im Monetarisierungsmodell. Während das Originalspiel als Vollpreistitel in die Läden kam und sich kosmetische Gegenstände durch Herausforderungen oder durch Lootboxen freischalten ließen, bietet „Overwatch 2“ ein saisonales Free-to-Play-Modell mit Battlepass. Beim Battlepass lassen sich durch regelmäßiges Spielen oder durch das Kaufen von Stufen überwiegend kosmetische Gegenstände freischalten. In dem kleinen Wörtchen „überwiegend“ liegt auch unser Hauptkritikpunkt am Battlepass, denn auch neue Helden müssen erst freigeschaltet werden. In der ersten Saison betrifft das die neue Unterstützerin Kiriko, die erst ab Level 55 freigeschaltet wird, sofern man nicht das Originalspiel besitzt. Nach der ersten Spielwoche können wir versichern, dass es sich dabei keinesfalls um einen unwesentlichen Zeitaufwand handelt. Das ist insbesondere für alle diejenigen frustrierend, die kein Echtgeld ausgeben möchten, da nur Spielerinnen und Spieler, die tiefer in die eigene Tasche greifen, direkt den neuen Charakter ausprobieren können.

Ebenfalls frustrierend ist die Tatsache, dass der Battlepass als Stufenbelohnung keine Ingame-Währung gibt, die für den Kauf des nächsten Battlepasses oder kosmetischer Gegenstände verwendet werden kann. Selbst durch die ebenfalls neuen täglichen, wöchentlichen und saisonalen Herausforderungen können lediglich 60 Münzen verdient werden, während ein neuer Battlepass mit 1000 Münzen zu Buche schlägt und legendäre Skins sogar 1900 Münzen kosten. Selbst die Skins, die im Vorgänger durch Lootboxen oder gegen Ingame-Währung erhältlich waren, sind im Preis fast um das Doppelte gestiegen und, sofern ihr keine Währung im Vorgänger übrig hattet, sogar nur noch gegen Echtgeld kaufbar. Ein faires Preismodell sieht anders aus.

Versprechen für die Zukunft

Falls Blizzard an ihren Versprechen festhält, dürfte das saisonale Modell glücklicherweise den größten Kritikpunkt am Vorgänger, nämlich den Mangel an neuen Inhalten, ausmerzen. Regelmäßige Events sollen ebenso für Langzeitspaß sorgen wie neue Karten und Charaktere, die alle zwei Saisons zum Spiel hinzugefügt werden sollen. Hier muss Blizzard dann allerdings auch wirklich abliefern, denn ansonsten droht „Overwatch 2“ das gleiche Schicksal wie dem Originalspiel, selbst wenn nächstes Jahr der neue PvE-Modus dazustoßen soll.