Bereits lange vor dem Release war klar: „Beyond“ wird dem Medium Film näher sein als alle Videospiele zuvor. Dies hatte nicht nur mit der Grafik und der Inszenierung zu tun, sondern vor allem dem Mitwirken zweier Schauspieler: Ellen Page und Willem Dafoe. Ob diese beiden die hohe Kunst des Schauspielens auch auf ein Videospiel übertragen können und dennoch – oder eben deshalb? – die Daddler und Zocker unter uns begeistern, erfahrt ihr in unserm Review!


Niemals allein

Jodie würde gerne wie jedes andere Mädchen sein, ist es jedoch nicht. An ihrer Seite befindet sich Aiden, ein immaterielles Wesen, das sich jedoch physisch in der Umgebung und bei Lebewesen bemerkbar machen kann – und es auch regelmäßig macht. Was anfangs nur ein Ärgernis für die Eltern der kleinen Jodie ist, wird immer mehr zum ausgewachsenen Problem. So beschließen sie, ihre Tochter in die Hände einer auf übernatürliche Phänomene spezialisierten Forschungseinrichtung zu geben, wo von nun an Professor Dawkins Aiden erforscht und über Jodie wacht. Doch ihre Fähigkeiten scheinen auch an anderer Stelle Interesse zu wecken…

Zeitsprünge

Bei „Beyond“ folgt man keiner gradlinigen Story. Vielmehr erlebt man viele kleine und große Episoden aus Jodies Leben, welche von der frühen Kindheit bis hin zur jungen Erwachsenen reichen. Dabei wird immer wieder in der Zeit vor und zurück gesprungen. Eine Episode erlebt man als Kind, gefolgt von einer erwachsenen Jodie, um kurz danach wieder ein Teenager zu sein. Diese Erzählweise mag nicht jedem gefallen, doch kann man nicht abstreiten, dass die Reihenfolge der Auszüge aus Jodies Leben mit Bedacht gewählt wurde. Wo andere Spiele mit Längen aufwarten, wurden hier bewusst Dramaturgie, Action, und auch ruhigere Szenen zu einem mitreißenden Gesamtpaket zusammengefügt. Man lernt Jodie nach und nach besser kennen, kann ihre Handlungen immer mehr nachvollziehen und ist von ihrer Lebensgeschichte von Anfang bis Ende gefesselt. Und dieses Ende hat je nach Entscheidungen und Handlungen einige Variation in petto, genauso wie viele Ereignisse im Laufe der Geschichte.

Knöpfchendrücken?

Sowohl Jodie als auch Aiden werden vom Spieler kontrolliert. In den meisten Szenen kann man frei wechseln, auch wenn klar ist, wer von beiden für das Vorankommen nötig ist. Aiden ist dabei frei im Raum steuerbar, jedoch durch eine übernatürliche „Nabelschnur“ mit Jodie verbunden, wodurch er immer in ihrer Nähe bleiben muss. In seinem Aktionsraum kann er jedoch vorbestimmte Gegenstände benutzen oder auch Menschen unter seine Kontrolle bringen – oder sogar töten. Jodie dagegen kann in den meisten Szenen frei gesteuert werden und ebenfalls an bestimmten Stellen mit der Umgebung interagieren. Meist befindet man sich dabei in kleinen Arealen oder folgt fest vorgegebenen Gängen. In manchen Kapiteln geht es jedoch auch offener zu. Besonders cineastisch wird es in den Actionszenen. Hier werden im Gegensatz zu vergleichbaren Spielen keine Knöpfchen eingeblendet. Das Spiel schaltet in die Zeitlupe und der Joystick ist entsprechend Jodies Bewegung in die richtige Richtung zu drücken. Was sich spielerisch zwar eingeschränkt, dafür umso filmreifer inszeniert anfühlt, hat auch seine Probleme. So ist in einem kleinen Teil der Actionszenen nicht ganz ersichtlich, welche Richtung nun die richtig ist. Umso ärgerlicher daran ist, dass der Ausgang dieser Szenen manchmal den Verlauf der Story beeinflusst.

Logikprobleme

So fesselnd die Story auch ist und so filmreif alles präsentiert wird: es gibt Ungereimtheiten verschiedenster Arten, die den Spieler aus der Spielwelt reißen. So kann man zum Beispiel nicht durchgehend zu Aiden wechseln. Was gen Ende des Spiels dank Jodies Wortmeldung Sinn macht, ist zu Beginn einzig und alleine von den Entwicklern dazu erdacht, für die jeweilige Szene bei der richtigen Person zu bleiben. Ist man dann doch als Aiden unterwegs, werden die nächsten Einschränkungen deutlich. Kann er in einem Kapitel frei durch ein großes Gebäude fliegen, reicht an anderer Stelle eine kleine Hauswand als Barriere. Auch ist immer vorgegeben, mit welcher Person Aiden in welcher Weise interagieren kann. Der Spieler muss hier nicht selbst überlegen, sondern er wird dank verschiedenfarbiger Auras immer auf die richtige Lösung gelenkt. Doch nicht nur beim Gameplay, auch innerhalb der Spielwelt geht es nicht immer logisch zu. Wenn ein fünfjähriges Mädchen schreit, sollten dann nicht die Erwachsenen im Nebenraum zumindest einen Blick durch die geöffnete Tür werfen? Hier wurde eindeutig Dramaturgie über Logik gestellt, und von diesen Momenten gibt es mehrere, die zum Teil deutlich prägnanter und somit störender ausfallen.

Filmreif in Bild und Ton

Was hier in Sachen Technik erreicht wurde, wird wohl auf der PS3 das Maß aller Dinge bleiben. Man kann zeitweise wirklich vergessen, dass man vor einem Videospiel sitzt. Nicht alleine die Grafik bewirkt dies; es ist die komplette Inszenierung. Kameraperspektiven und –fahrten, die durch Licht und Sound erzeugte Stimmung, und besonders die Animationen. Hier wird nicht einfach gelaufen: Auf der Flucht schaut Jodie oft hinter sich, als kleines Kind schlänkert sie fröhlich mit den Armen. Und Komponist Hans Zimmer hat sich nicht weniger ins Zeug gelegt als bei den großen Hollywoodblockbustern, sondern auch für ein Videospiel Stücke komponiert, die noch lange nach Ende des Spiels im Ohr bleiben – Gänsehaut inklusive.