Fortsetzungen haben es immer schwer. Egal ob der Vorgänger Top oder Flop war, muss sich der zweite Teil immer einem schwierigen Erbe stellen. Vor dieser Herausforderung steht Ubisoft auch mit „Watch_Dogs 2“, nachdem viele Fans wegen zu hoher Erwartungen an das Erstlingswerk der jungen Spielereihe herbe enttäuscht wurden. Auf der gamescom hatte ich nun die Chance, an einer Präsentation des Spiels teilzunehmen und mir ein Bild davon zu machen, wie Ubisoft das Erbe von „Watch_Dogs“ und Hauptcharakter Aiden Pearce mit dem zweiten Teil antreten wird.

Hacker sind jetzt Parcours laufende Hipster mit Gangster Attitüde

Die Entwickler von „Watch_Dogs 2“ und Ubisoft nutzen jede Chance, um zu versichern, dass man sich die Kritik am ersten Teil zu Herzen genommen hat. Das war schon im Juni auf der E3 zur Ankündigung so und war auch einer der ersten Sätze während der Präsentation auf der gamescom.

Das Ergebnis dieses Versprechens ist eine Generalüberholung: Spielte der erste Teil noch in Chicago und seinen Untergründen, wechselt „Watch_Dogs 2“ nun mit seinem Schauplatz ins strahlende San Francisco, dort wo auch zufälligerweise die IT-Hochburg, das Silicon Valley, angesiedelt ist. Der Protagonist Pearce muss zudem seinen Hut oder besser gesagt Basecap nehmen. Stattdessen kommt mit Marcus Holloway ein nun deutlich jüngerer und dynamischer Protagonist zum Zug. Sorry Aiden, aber die Zukunft liegt bei der Jugend.

Statt langem Ledermantel, legt Marcus Wert auf Röhrenjeans, Hoodies und Sportschuhe in seiner Gaderobe. So darf ich in der Präsentation bestaunen, wie sich Marcus in einem Designer-Laden neu einkleidet. Über eine Milliarden Kombinationen verschiedener Kleidungsstücke soll es geben. Damit man auf diese beeindruckende Zahl kommt, werden auch sündenhafte, aber zugegebenermaßen bequeme, Crocks als Schuhmode im Sortiment des Spiels geführt.

„Watch_Dogs 2“ versucht allgemein, ein anderes Bild der im Spiel dargestellten Hacker-Kultur zu zeichnen. Nicht nur, dass Aiden Pearce niemals in Röhrenjeans vor die Türe gegangen wäre: Der neumodische Hacker aus San Francisco beherrscht außerdem Parcours und unterhält sich mit seinen Freunden im Gangster-Akzent. Für meinen Geschmack wirft „Watch_Dogs 2“ hier ziemlich viel durcheinander. Das Spiel erreicht so aber einen eigenen, wenn auch schrillen Stil, der sich deutlich mehr aus der Masse heraushebt als sein Vorgänger.

Per Knopfdruck loshacken

Doch was hat der Hacker 2.0 denn tatsächlich so auf dem Kasten? Ubisoft möchte mit „Watch_Dogs 2“ die Umwelt noch deutlich interaktiver gestalten. Der Anfang dafür sind neue Hacks, die Protagonist Marcus von seinem Handy aus durchführen kann. Autos können nun beispielsweise ferngesteuert und bei voller Fahrt angehalten werden. Praktisch, wenn man einen schicken Sportwagen auf der Straße vorbei rasen sieht oder einfach schnell einen Fluchtwagen benötigt. Wirklich viel neue Hacking-Möglichkeiten konnte ich dann bislang allerdings noch nicht ausmachen. Das mag aber auch an dem Inhalt der Präsentation liegen, die ihren Schwerpunkt darauf legte, möglichst viele Aspekte des Spiels abzudecken.

Jedes Spiel braucht Drohnen!

Immerhin besitzt Marcus deutlich mehr Gadgets als sein Vorgänger. Mit einer Mini-Drohne kann er zu jedem Zeitpunkt seine Umgebung auskundschaften. Drohnen sind zwar aktuell ein Trend in Videospielen, die jeder Entwickler scheinbar unbedingt in seinem Spiel unterbringen möchte, aber in „Watch_Dogs 2“ macht es zugegebenermaßen Sinn. Früh in der Präsentation fliegt Marcus mit seiner Drohne auf einen Turm, den er sonst nicht hoch klettern könnte, um dort ein Störsignal auszuschalten. Später wird die Drohne genutzt, um ein bewachtes Gebiet und die Sicherheitsleute auszukundschaften.

Die Drohne selbst eignet sich übrigens auch wunderbar, um Gegenstände in der Umgebung zu hacken. Per Knopfdruck sind Klimaanlagen, Stromkästen und ähnliches gekapert und zur explosiven Sprengfalle umfunktioniert. Das ging auch bereits im Vorgänger. Hier musste man sich aber mühselig von einer zur nächsten Überwachungskamera manövrieren. Man merkt eben doch, dass Aidens Methoden längst überholt sind.

Neben der Mini-Drohne trägt Marcus außerdem ein kleines RC-Fahrzeug bei sich. Für alle, die den durchaus gelungenen DLC zu „Watch_Dogs“ gespielt haben, ist das zwar nichts neues, doch der Jumper ist ein nützliches Werkzeug, um unentdeckt an bewachte Orte zu gelangen. Denn wie im ersten Teil darf der Spieler frei entscheiden, wie er eine Mission angeht: Ob unentdeckt oder mit lärmenden Alarmglocken, ob blutig oder gewaltfrei, obliegt vollkommen der Herangehensweise des Spielers. Das hat auch im ersten Teil schon gut funktioniert und die zusätzlichen Gadgets sollten es einfacher gestalten, die Missionen möglichst unentdeckt abzuschließen. Wenn man dann eben doch auffliegt, zündet man halt seine präparierten Sprengfallen, lässt die Maschinenpistole sprechen und hackt sich kurzerhand einen Fluchtwagen bei Fuß. So funktioniert das anscheinend in San Francisco.

Ohne Follower bist du nichts wert

Nicht unerwähnt bleiben sollte das neue Follower-System. Lag Aiden Pearce noch sehr viel daran unerkannt zu bleiben, feiert Marcus seine größten Hacks direkt im Social Web ab. Für gelungene Missionen erhält man neue Follower, die bei Erreichen eines Meilensteins neue Missionen freischalten. Anscheinend gibt es aber auch weitere Möglichkeiten, Follower hinzuzugewinnen, beispielsweise für das Knipsen von Selfies an populären Orten innerhalb San Franciscos. Wer dem Social-Wahn bislang entgangen ist, bekommt ihn eben dann demnächst im Spiel aufgezwungen.

Noch mehr social wird es, wenn es um die Online-Modi geht. Gezeigt wurde uns der Online Koop-Modus, der in der finalen Version nahtlos und ohne Ladebildschirm funktionieren soll. So soll man sich mit einem anderen Spieler zusammentun und gemeinsam Missionen annehmen können. Die Infiltrationen in „Watch_Dogs 2“ eignen sich hierfür gut, wie mir auch in der Präsentation bewiesen wurde. Ob sich dieser Modus aber nur auf speziell ausgewählte oder auch Missionen der Story bezieht, konnte mir weder die Präsentation oder ich mir selbst im nach hinein beantworten. Ubisoft wird zu diesem Thema in den nächsten Wochen sicherlich noch genügend Informationen preisgeben.

If you’re going to San Francisco … ?

In höchsten Tönen loben darf man die Spielwelt von „Watch_Dogs 2“. Auch wenn sich das Spiel keine eigene fiktive Spielwelt wie beispielsweise „Grand Theft Auto V“ erschafft, ist es beeindruckend wie die Straßen und Orte von San Francisco in „Watch_Dogs 2“nachgebaut wurden. Bei einem 360 Grad Flug mit der Drohne sehe ich die ikonische Golden Gate Bridge, die Umrisse der Gefängnis-Insel Alcatraz oder das Silicon Valley am Horizont. Wie exakt das nun alles wirklich ist, kann ich schlecht bewerten, da ich noch nie die Gelegenheit hatte, San Francisco zu besuchen. Doch auch so wirkt die Spielwelt zumindest in der Präsentation sehr lebhaft. Wer ein Auge fürs Detail hat, wird viele nette Kleinigkeiten entdecken: Ein zulange geparktes Auto sammelt Laubblätter auf der Windschutzscheibe, die beim Anlassen des Motors vom Winde verweht werden, während ein Hund an die nächste Straßenlaterne pinkelt.

Technisch konnte ich keine Makel ausmachen, doch speziell bei derartigen Präsentationen, in denen ausgewählte Passagen vorgeführt werden, sind die gezeigten Szenen nicht sonderlich aussagekräftig. Die gezeigte Version lief immerhin auf einer PlayStation 4 mit stabiler Bildrate.