Ubisoft hat uns vor kurzem eingeladen und die Möglichkeit gegeben, die ersten Spielstunden von „Far Cry New Dawn“ anzuschauen. Welche Eindrücke wir gewinnen konnten und ob wir für die Veröffentlichung eine positive Prognose abgeben können, lest ihr in dieser Preview.

Was ist passiert?

Die Ausgangssituation von „New Dawn“ ist durchaus interessant. Denn das Ende von „Far Cry 5“ hat die gängigen Spielregeln ausgehebelt und den Fanatiker Joseph Seed, der das gesamte Hope County terrorisierte und seine Anhänger auf eine scheinbar fiktive Apokalypse vorbereitete, gewinnen lassen. Nachdem der Spieler den Schurken stellte, wurden tatsächlich mehrere Nuklearschläge ausgelöst und die Vorhersage des falschen Propheten bewahrheiteten sich. 

Dieses Ende wirft die Fragen auf, ob Seed tatsächlich Kenntnisse hatte, von denen der Spieler nichts wusste, oder war alles eine Farce und nur ein unglücklicher Zufall? Warum wurde überhaupt ein Nuklearkrieg ausgelöst? Auch eine moralische Frage konnte durch das Ende aufgeworfen werden. Haben die Handlungen des Spielers und die damit zusammenhängende Zerschlagung des Kultes die Überlebensschancen der Bewohner des Countys in letzer Konsequenz drastisch verschlechtert? Was treibt Seed eigentlich nach dem vermeintlichen Weltende? Als mehr oder weniger direkte Fortsetzung hat „New Dawn“ damit ausreichend Potential für eine spannende Handlung.

Die Menscheit ändert sich nie

Die eigentliche Geschichte setzt 17 Jahre nach der Apokalypse wieder ein. Der nukleare Winter ist überstanden und die Natur hat sich zurückgekämpft. Anstatt karges, unwirtliches Ödland, erblüht überall in Hope County die Landschaft. Die Überlebenden konnten sich zu einer kleinen Gemeinde zusammenschließen und haben sich eine neue Heimat errichtet. Diese neu gewonnene Idylle wird jedoch zerstört, denn die Highwaymen, eine Gruppierung umherziehender Plünderer, haben sich ihren Weg nach Hope County gebahnt und drohen die harte Arbeit nieder zu reißen. Aus diesem Grund kontaktieren die Bewohner eine Task Force, die sich bereits beim Wiederaufbau verschiedenster Siedlungen hervorgetan hat. Als Mitglied dieser Truppe gelangt die Spielfigur in das krisengeschüttelte Gebiet. Doch wie so oft, kommt es anders als man denkt. Durch einen Hinterhalt wird der Großteil der Task Force ausgeschaltet und der Protagonist kann sich schwer verletzt retten. Nun liegt es in der Hand des Spielers, das Schicksal der Bewohner zum besseren zu formen. 

Mit dieser Prämisse ähnelt „New Dawn“ natürlich stark seinem Vorgänger. Eine terroristische Gruppierung bedroht die Bewohner der Region und der Spieler muss diese Vereinigung zerschlagen. Aufgrund der offen gebliebenen Fragen aus dem Vorgänger kann dieser Aufhänger sich in den ersten Spielstunden nicht effektiv entfalten. Die Highwayman sind im Vergleich schlicht nicht interessant genug und auch der Protagonist bleibt zunächst erschreckend blass. Ohne eine echte Hintergrundgeschichte ist seine einzige Qualität die gekonnte Handhabung von Feuerwaffen. Ob ein Bezug zu den Ereignissen und Figuren des Vorgängers besteht, bleibt zunächst offen. Dieser wäre wünschenswert, denn die ersten Nebenfiguren, die man in den ersten Missionen trifft, sind durchaus charmant und ihre Geschichten sollten möglichst viel emotionale Schlagkraft entwickeln.

Schurke nach Formel X

Auch das Markenzeichen der „Far Cry“-Serie, ihre überzogenen Antagonisten, enttäuschen zunächst. Die Highwayman werden von den Zwillingsschwestern Mickey und Lou angeführt. Auch wenn sie die ersten weiblichen Schurken der Reihe sind, präsentieren sich beide in der Einführungsmission als verzogene, brutale Persönlichkeiten mit psychopathischen Zügen. Zusätzlich halten die beiden Schwestern einen bedeutungsschwangeren Monolog über Macht und dem Recht des Stärkeren bevor der scheinbare Gipfel der Brutalität mit der Bedrohung eines Kindes erreicht wird. Allerdings löst dieses Persönlichkeitsprofil im Kontext der Serie keine Überraschung mehr aus. Denn eigentlich passt diese Beschreibung auf alle vorherigen Antagonisten zu und die bekannte Formel wurde dann jetzt zum ersten Mal auf weibliche Figuren übertragen. Dieser Eindruck wiegt besonders schwer, wenn bereits in den ersten Missionen die Existenz von Joseph Seed zum Zeitpunkt der Geschichte bestätigt wird und sich das Interesse des Spielers direkt auf diese Figur ausrichtet und seine Rolle und Geschichte erforscht werden möchte. Es bleibt abzuwarten, ob „New Dawn“ beide Handlungsebenen zufriedenstellend zusammenführen kann. Denn dem Ersteindruck zu urteilen, verlieren Mickey und Lou ihre Eigenständigkeit und stehen im Schatten von Joseph Seed.

Idylle nach dem Untergang

Bei seiner Spielwelt geht „New Dawn“ augenscheinlich keine Risiken ein. Schauplatz ist erneut Hope County, jetzt jedoch in einer leicht veränderten Fassung. Einige Gebiete liegen in Ruinen oder haben durch enormen Bewuchs ihr Aussehen verändert. Während man den Entwicklern hier Faulheit vorwerfen könnte, ist die Wiederaufbereitung der alten Spielwelt an dieser Stelle aufgrund der narrativen Verbindung durchaus angebracht. Bei der Gestaltung der Apokalypse hat „New Dawn“ sich nicht an bekannten Titeln wie „Fallout“ orientiert, sondern eher von „Rage 2“ oder „Borderlands“ Inspirationen erhalten. Die Extreme dieser Titel werden zwar nicht erreicht, aber die Spielwelt ist farbenfroh und auch die Gegner haben ihre Rüstungen und Fahrzeuge zunächst in kunterbunten Farben besprüht, bevor sie zu ihren Raubzügen aufgebrochen sind. Auch die Tiere haben Farbspritzer abgekommen und besitzen stellenweise bunte Hörner und Geweihe. Aufgrund der eher subtilen Darstellung der Apokalypse wirkt das Gebiet auf den ersten Blick nicht sonderlich lebensfeindlich, abgesehen von den umherziehenden Plünderern, ist es sogar fast schon idyllisch. Im Kontext der Heimatverteidigung kann dieser Ansatz auch gewollt sein, um den Spieler vor Augen zu führen, warum die Bewohner an ihrer Heimat hängen, doch während der ersten Streifzügen konnten wir noch nicht das Alleinstellungsmerkmal der Spielwelt von „New Dawn“ finden. 

Alles wie immer oder nicht?

Nach dem Monolog über die Rahmenbedingungen bleibt jetzt nur noch ein Überblick über das Gameplay. Zunächst ist die klassische Ubisoft-Formel weiterhin die Grundlage des Spielerlebnis. In der offenen Spielwelt stehen neben den Hauptmissionen zahlreiche Nebenbeschäftigungen zur Verfügung. Bewohner von Hope County benötigen die Hilfe des Spielers, Begleiter wollen freigeschaltet werden, Basen der Kontrolle des Gegners entrissen und Wildtiere erlegt werden. Viel Innovation auf dieser Ebene ist nicht zu erwarten und zu diesem Zeitpunkt weiß eigentlich jeder, was er beim Kauf eines Ubisoft-Titels bekommt. 

Als größte Neuerung lassen sich die leichten RPG-Elemente nennen, die über das eigentliche Gameplay-Gewand herüber gestülpt wurden. Zusätzlich kommt die eigene, aufrüstbare Basis dazu und wird von einem neuen Spielmodus, den Expeditionen, ergänzt. Zunächst sind Waffen, Ausrüstungsgegenstände, Gegner, Gegnercamps und die eigene Basis in drei Stufen aufgeteilt. Eigene Ausrüstung höherer Stufe ist typisch für ein Rollenspiel effektiver aber dementsprechend sind Gegner höherer Stufe auch schwieriger zu töten. Zusätzlich kann auch die eigene Basis mehrstufig aufgerüstet werden. Um diese Systeme dreht sich zwar der gesamte Gameplay-Loop von „New Dawn“ aber richtig warm sind wir damit in den ersten Stunden nicht geworden. 

Nett gemeint, aber überflüssig

Die Aufrüstung der eigenen Basis wird früh in den Mittelpunkt gestellt. Um die Module aufzurüsten benötigt es Spezialisten, die durch Nebenaufgaben angeheuert werden, und Treibstoff, den es für die Befreiung von eingenommenen Lagern gibt. Während die Nebenaufgaben durchaus spaßig sind, fühlt sich die Belohnung durch neue Module nicht sonderlich befriedigend an. Rüstet der Spieler das Waffenlager erstmals aufm kann er Waffen der zweiten Stufe herstellen und das Krankenlager gewährt einen dauerhaften Bonus auf Lebenspunkte. Wirklich nötig sind diese Errungenschaften nur, weil Gegner höherer Stufe sinnlos viele Kugeln fressen ohne von normalen Gegnern nennenswert abzuweichen. Früh im Spielverlauf kann der Spieler schon Büffel der Stufe drei oder Gegnerlager der Stufe drei erreichen aber mit Waffen der ersten Stufe wird ein derartiger Kampf eine überflüssige Tortur, einfach weil die Zahlen zu hoch sind und nicht aufgrund der eigenen Unfähigkeit.

Aufgrund dessen wird der Spieler gezwungen, Nebenaufgaben abzuschließen, nur um bessere Waffen zu bekommen. Neue Waffen oder Ausrüstungen scheinen jedoch keine nennenswerte Anpassungsmöglichkeiten zu geben, und auch die Perks, die sich durch Herausforderungen freischalten lassen, bieten nur generische Boni wie mehr Inventarplatz, mehr Munition oder eine höhere Reichweite. Aus diesem Grund lässt sich nicht wirklich ein einzigartiger Spielstil, das Markenzeichen eines jeden Rollenspiels ausformen, wodurch dieser Aspekt aufgesetzt wirkt und lediglich als Streckung des Gameplays zu dienen scheint. Als weiterer Negativaspekt ist der permanente Lootzwang, mit dem der Spieler sich konfrontiert sieht, zu nennen. An jeder Ecke muss Krempel zur Herstellung von Waffen, Fahrzeugen, Munition aufgesammelt werden und lenkt vom eigentlichen Inhalt, den spaßigen Schießereien, ab. Inwiefern der neue Spielmodus der Expeditionen diesen Kreislauf ausbricht, konnten wir in unserer Anspielsession noch nicht feststellen.  In diesen Aufträgen startet der Spieler mit dem Hubschrauber von der eigenen Basis und wird in Einsatzgebieten verteilt in den USA gebracht. Hier warten besonders schwere Herausforderungen, die dafür hochwertige Belohnungen versprechen. Nach den ersten Erfahrungen mit dem RPG-Elementen bleibt aber abzuwarten, ob das Sammeln dieser Ausrüstung langfristig motivieren kann oder lediglich eine Beschäftigung unter vielen ist.