Vor zwei Jahren eroberte „Far Cry 3“ zu Recht die Herzen vieler Fans im Sturm. Nach einem eher mageren und enttäuschenden Vorgänger, waren die Erwartungen an das Open World-Spiel nicht allzu hoch. Die Luft schien so langsam aus der Serie draußen zu sein. „Far Cry 3“ brachte frischen Wind in die Open World-Serie. Mit einem atemberaubenden Insel-Setting, zahllosen Möglichkeiten, einem interessanten Antagonisten, vielen Nebenaufgaben und anderen Aspekten, wurde der Ubisoft-Titel von Fans als Spiel des Jahres deklariert. Nun steht seit geraumer Zeit der Nachfolger in den Läden und dementsprechend stellt sich die Frage, ob „Far Cry 4“ es schafft, in die großen Fußstapfen seines Vorgängers zu treten? Oder wiegt das Erbe doch zu schwer? Wir haben unsere Badehose, Caipirinha und die traumhafte Insel gegen Kletterausrüstung, heiße Schokolade und verschneite Berge eingetauscht, um dieser Frage auf die Spur zu gehen. Ob wir einen guten Tausch gemacht haben oder doch über den Tisch gezogen wurden, erfahrt ihr in unserem Review.

Alte Geschichten neu

Der Spieler übernimmt die Rolle von Ajay Ghale, einem Mann, der seine Wurzeln zwar in dem fiktiven Staat Kyrat in den Himalaya-Gebirgen hat, allerdings in den USA aufgewachsen ist. Seine Mutter ist verstorben und nun soll er die Asche dieser zurück an ihren Heimatort bringen. Doch, wie soll es anders sein, es kommt natürlich wieder anders, als man es erwartet hat. Die Reisegruppe, mit der Ajay unterwegs ist, wird von den Truppen von Pagan Min, dem selbsternannten Königs von Kyrat, angegriffen. Der Spieler landet dadurch in„Gefangenschaft“ des eigenwilligen Despoten. Dieser herrscht mit eiserner Faust und handelt oft scheinbar irrational, gewalttätig sowie brutal. Es liegt nun an Ajay, gemeinsam mit der Widerstandsgruppe Der Goldene Weg, den Kampf gegen das Regime von Pagan Min zu führen und Kyrat von seiner Terrorherrschaft zu befreien.

Unglücklicherweise macht „Far Cry 4“ nicht allzu viel aus dieser durchaus interessanten Ausgangsposition. Die Story zündet nie wirklich. Dies liegt wohl nicht zuletzt an dem Open World-Konzept. In einem linearen Spiel wie „Heavy Rain“ lässt sich eine Story einfacher erzählen, als in einem Sandbox-Titel wie „Far Cry 4“. Die Charaktere lassen dementsprechend auch oft Tiefgang vermissen. Hier und da gibt es einige interessante Dialoge, aber richtig in Gang kommt das Ganze nie. Erschwerend kommt hinzu, dass man das Gefühl hat, alles schon mal erlebt zu haben. Ajay, der Hauptcharakter, teilt so einiges mit dem Helden aus „Far Cry 3“, Jason. Beide sind anfangs noch alles andere als Kämpfernaturen und geraten ungewollt in eine Sache, die zunächst viel zu groß für sie erscheint. Doch beide wachsen, glaubwürdig oder nicht, in ihre Rolle hinein.

Selbst Pagan Min wirkt ein wenig wie ein Abziehbild von Vaas, dem charismatischen Antagonisten aus „Far Cry 3“, für den wiederum sichtlich der Joker aus dem US-Kinofilm „The Dark Knight“ Pate stand. In der deutschen Version teilen sich beide sogar denselben Synchronsprecher. Etwas, das noch im Vorgänger alles in allem recht gut funktionierte, wirkt nun leider nur wie ein Aufguß. Die Stärke von „Far Cry“ liegt aber ohnehin ganz woanders, und nicht unbedingt bei der Story. Wo man sich weniger beschweren kann, ist das Setting. Das Himalaya-Gebirge wurde noch nicht so oft in Videospielen verwurstet und der letzte richtig große Titel, der sich dorthin verirrt hat, ist auch schon etwas länger her. Dadurch wirkt das Ganze frischer und tuschiert etwas die sonstigen „been there, done that“-Erfahrungen, die man in diesem Gebirgsabenteuer immer mal wieder macht.

Ein Spielplatz voller toller Spielsachen

Spielerisch haben die Entwickler bei „Far Cry 4“ kaum Kompromisse gemacht. Wie schon im Vorgänger, hat der Spieler ein riesiges Areal zur Verfügung, das nur darauf wartet, erobert zu werden.Die spannende Landschaft bietet das perfekte Umfeld, um allerlei Aufgaben zu erledigen. Dem Spieler stehen zahlreiche Hauptmissionen zur Verfügung, die die Story vorantreiben, aber auch abseits davon bieten sich verschiedene Wege. Egal, ob Jagd auf exotische Tiere, Transportmissionen, Eroberung von Türmen oder einfach stundenlanges Wandern durch die traumhafte Welt, der Shooter bietet reichlich Abwechslung. In diesem großen Sandkasten steht dem Spieler die Tür weit offen.

Um dem Rechnung zu tragen, gibt es auch zahlreiche Waffen, Gadgets und Fahrzeuge, damit man sich auch wirklich richtig austoben kann. Dadurch bleibt dem Spieler offen, ob man beispielsweise eine gegnerische Stellung in Rambo-Manier mit der dicksten Wumme freiräumt oder sich doch lieber auf den Spuren von Sam Fisher begibt und einen Schleichweg einschlägt. Durch die verschiedenen Möglichkeiten kann man regelmäßig an der Taktik feilen und neue Ideen entwickeln. Die Shooter-Mechanik selbst erlaubt sich keine groben Fehler, auch, wenn man auf Konsolen durch „Halo” und andere Titel auch schon besseres gewohnt ist. Gerade bei Schusswechseln über größere oder besonders kurze Distanz entpuppt sich schnell die feine Klinge, die „Far Cry 4“ klar fehlt. Die Fahrzeugsteuerung hätte ebenfalls ein Feintuning nötig, dies merkt man spätestens bei den Rennen auf Zeit. Ein gutes Feature ist ebenfalls, dass man öfter in der Story sich zwischen den zwei Wegen der zwei Anführer des Goldenen Pfads entscheiden muss. Im Großen und Ganzen erwarten den Spieler keine großen Überraschungen, weder im positiven, noch im negativen Sinne.

Never change a winning team

Relativ früh merkt man allerdings, dass Ubisoft wieder sehr konservativ mit etablierten Serien umgeht, wenn sie groß genug sind und die Franzosen schrauben nur marginal an der Formel. Große Innovationen oder Neuerungen sucht man in diesem Berg-Abenteuer vergebens. Es wirkt in vielerlei Hinsicht so, als hätte „Far Cry 3“ seine Koffer gepackt und wäre in die Berge gezogen. Der Mangel an echten Neuerungen wird ein Faktor sein, an dem sich genug Spieler stoßen werden. Dafür sind die kleineren Neuigkeiten, wie die Elefanten oder der Kletterhaken, gut in das Spiel implementiert und bringen reichlich Spaß. Die, die mit „Far Cry 3“ schon massig Vergnügen hatten, werden auch hier voll auf ihre Kosten kommen. Bei dem unabwendbaren Nachfolger sollte man sich im Hause Ubisoft allerdings schon Gedanken machen, wie man die Serie frisch hält, ähnlich, wie es mit dem Vorgänger funktioniert hat, sonst landet man sehr bald in der „Call of Duty“- oder „Assassins Creed“-Falle.

Multiplayer, wo kein Multiplayer notwendig ist

Für viele Spieler war der Onlinemodus im Vorgänger kaum der Rede wert. Der Fokus lag auf dem Einzelspielererlebnis, im Onlinebereich gibt es einfach eine viel zu starke Konkurrenz, als dass man sich zu lange damit aufhalten könnte. Ubisoft war sich dieser Sache bewusst und hat versucht, den Multiplayer näher in den Fokus zu rücken. Ein Fünf gegen Fünf-Multiplayer mit verschiedenen Modi auf zehn Karten wird geboten. Auch hier offenbaren sich jedoch wieder dieselben Schwierigkeiten. Wenn dem Spiel die Erkundungsmöglichkeiten, der Sandkasten, die offene Welt und so weiter weggenommen wird, bleibt ein Titel, der einfach als Shooter selbst nicht so gut funktioniert, wie die großen Konkurrenten in diesem Genre. Der Mangel an neuen Ideen oder Alleinstellungsmerkmalen führt unweigerlich dazu, dass man sich wieder so bald wie möglich in den Singleplayer-Modus begibt.

Eine durchaus erfreuliche Sache ist der neue Koop-Modus. Man kann sich einen Freund schnappen und gemeinsam Kyrat unsicher machen. Zwar sind die Story-Missionen hierbei deaktiviert, aber man kann dennoch reichlicher Schabernack treiben. Da gerade so ein Sandbox-Spiel dafür geradezu prädestiniert ist und reichlich Potenzial für viele, lustige Stunden bietet, handelt es sich hierbei um eine der wenigen, spannenden Neuerungen.

Technik

Das Abenteuer in den Bergen kommt dank Dunia-Engine in schönen 1080p daher. Die Welt ist bildschön gestaltet, von kristallklaren Seen über atemberaubende Berge jagt ein erstaunliches Bild das Andere. Dies alles trägt entscheidend dazu bei, dass das Setting auch wirklich zündet und sich nicht verläuft. Das Spiel zählt alles in allem definitiv zu den schöneren Titeln auf der PlayStation 4. Mit 30 FPS wäre zwar durchaus noch Luft nach oben, aber diese werden immerhin relativ konstant gehalten. Ansonsten hat der Titel sich keine gröberen Fehler zuzuschreiben. Die KI kämpft hier und da immer noch in manchen Situationen, beispielsweise agiert sie stellenweise immer noch relativ unbeholfen, wenn der Spieler einen Schleichansatz versucht. Außerdem kämpfen die NPCs (un)glücklicherweise ähnlich mit der Fahrzeugsteuerung, wie der Spieler. Alles in allem hat sich die KI aber, besonders bei offenen Feuergefechten, im Vergleich zum Vorgänger gebessert. An dieser Stelle sei auch die Synchronisation erwähnt. Diese ist im Originalton top, doch auch die deutsche Version gehört zu den stärkeren Vertretern, mit bekannten Sprechern wie Thorsten Michaels, der beispielsweise auch Weslej Snipes oder Sean Bean seine Stimme leiht. Technisch hat man hier einen Titel aus der PlayStation 4-Bibliothek, der relativ weit oben einzuordnen ist.