Denkt man an Electronic Arts in der Nacht, ist man als Fan von kleinen Spielen um den Schlaf gebracht. So fallen einem beim Gedanken an das Unternehmen doch eher Mammutprojekte wie „Battlefield“, „FIFA“ und „Need for Speed“ ein. Umso überraschender war die Ankündigung eines Spiels auf der vergangenen E3. „Unravel“ aus dem Hause Coldwood konnte sogleich mit dem knuffigen Wollemännchen Yarny einige Anhänger gewinnen. Ob das Brimborium um den Titel auch nach Erscheinen gerechtfertigt ist, klärt unser Test.

Wolle Petry?

„Weiß der Geier oder weiß er nicht – Ganz egal ich …“ Somit sei mal sichergestellt, dass ein jeder Leser nun für den Rest des Tages einen Ohrwurm hat. Ganz abseits von Schlagerhits siedelt sich das Geschehen rund um „Unravel“ an. In der Rolle von Yarny, einem hässlich-schönem Kerlchen aus Wolle – ganz wie der Herr Petry – macht man sich auf den Weg, Erinnerungen in Form von Fotos zu einem Ganzen zu formen. Die Oberwelt, wenn man sie denn so nennen will, ist ein kleines altes Häuschen in dem angestaubte Fotos als Leveleingang für Yarny herhalten. Betritt man solch ein Foto, erwartet einem dahinter unterschiedliche Welten mit einer ungefähren Spielzeit von 15 bis 30 Minuten. Ich selbst habe „Unravel“ gerne zur vorabendlichen Stunde eingelegt, um mich in zwei, drei Leveln umfassend zu entspannen.

Entdeckungsreise

In einem Mix aus Knobelei und gemächlichem Jump 'n' Run erforscht man realistisch gestaltete Erinnerungen, vom Strand über eine sommerliche Wiese bis hinzu winterlichen Gebieten. Immer im Schlepptau ist der namensgebende Garn, der von Zeit zu Zeit sein Ende erreicht. In diesem Fall gilt es neuen Strick aufzusammeln, um weiter zu kommen. Selbstredend ist der rote Faden Schlüssel zu allerlei Rätseln und Passagen: Da wird schnurstracks ein Trampolin gespannt oder sich im Cliffhanger-Stil einen Abhang heruntergestürzt. Brücken werden geschlagen und Gegenstände geschoben. Dabei sind die Ideen zum Einsatz des Fadens wirklich abwechslungsreich aber in den meisten Fällen nicht schwer umzusetzen. Der Schwierigkeitsgrad siedelt sich im unteren Bereich an, dies ist vor allem der fairen Kontrollpunkte und Hinweisen im Spiel selbst zu verdanken. Selten wird man an einer Stelle zu lange grübeln, was wiederum dem Spielfluss gut tut. Wer allerdings die jeweils fünf versteckten Geheimnisse bergen möchte, muss sich dann doch sehr geschickt und ehrgeizig zeigen. Ob man hierfür jedoch die Motivation aufbringt, bleibt jedem selbst überlassen.

Feinde Yarnys sind beim Durchqueren unter anderem Wasser, Gewitter, Schneestürme oder einfach zu hohe Abgründe. Die verschiedenen Kommandos, wie zum Beispiel knoten und schwingen, gehen intuitiv von der Hand und lassen Yarny geschmeidig durch die Level hangeln und laufen. Zu beachten ist dabei lediglich der erwähnte knappe Faden, denn viele Knoten und Bahnen bedeuten natürlich einen hohen Verbrauch der roten Wolle. Die bereits genannten Rücksetzpunkte lassen einem in solch einem Fall aber jegliche Fehler ausbessern. Ein wenig Versuch und Irrtum spielt hier also mit aber nicht in solchen Ausmaßen, dass Frust einkehrt.

Aus vielen Bildern wird ein Ganzes

Wer „Unravel“ spielt, wird von Beginn an merken, wie viel Liebe in diesem Spielchen aus Schweden steckt. Zugegeben: man muss der Typ für etwas gemächlichere Titel sein. Ist man dies, dann findet man in Yarny aber mit Sicherheit einen emotionalen Anker. Das Spiel erdet einen auf gewisse Art und Weise und lässt einen wieder ein bisschen Kind werden. Nicht etwa weil die Hauptfigur einen gewissen Niedlichkeitsfaktor besitzt, sondern weil die Erinnerungen des Spiels es schaffen, eigene Erinnerungen aus der Kindheit abzurufen. Dabei wird das Spiel bei jedem Spieler einen ganz eigenen Eindruck hinterlassen, der je nach Emotionalität, vielleicht auch stärker oder schwächer ausfallen wird. Von der Hand zu weisen ist dabei aber nicht, dass „Unravel“ wirklich schick geworden ist und zusammen mit dem Soundtrack eine entspannte Gesamtatmosphäre aufbaut.