„ICO” und „Shadow of the Colossus” gelten als Meisterwerke der Videospielgeschichte auch wenn sie einige Fehler aufweisen. Deshalb waren viele Spieler gespannt, als im Jahre 2009 der nächste Titel ganz offiziell vorgestellt wurde. Das Abenteuer namens „The Last Guardian” rund um einen kleinen Jungen mit seinem Fabelwesen, das ein Hybrid aus mehreren Tieren ist, konnte schon mit einem ersten Teaser die Massen überzeugen. Dann war es bis zum letzten Jahr still geworden und viele haben den Titel längst abgeschrieben. Doch jetzt ab dem 7. Dezember steht er endlich in den Läden bereit und ich konnte die emotionale Geschichte endlich komplett erleben. Wieso sich „The Last Guardian” auch wieder trotz Fehler als ein atmosphärisches Meisterwerk entpuppt, zeigt die folgende, spoilerfreie Review.

Für wen ist das Spiel gedacht?

Zunächst einmal ein kleiner Hinweis zu dem folgenden Test, da das Spiel eine ganz bestimmte Gruppe an Spielern anspricht. Es geht darum, eine emotionale Geschichte in einer atmosphärisch dichten Welt zu erzählen. Das Gameplay und die Technik ist dabei eher in den Hintergrund geraten. Da ich aber genau das erwartet habe, wird die Review zwar auf alle Aspekte eingehen aber am Ende war für mich die Geschichte, die Atmosphäre, die Welt sowie das Miteinander zwischen Mensch und Tier wichtiger, als ein auf Glanz poliertes Grafik-Feuerwerk zu erleben.

Ein bestialisches Erwachen

Doch starten wir mal ganz am Anfang: Mitten in einer Ruine wacht ein kleiner Junge auf, der vor sich das sagenumwobene Monster Trico findet, das verletzt am Boden liegt. Zudem hat er aus irgendeinem Grund Zeichnungen auf seinem Körper, dessen Bedeutung noch unklar sind. Mit viel Liebe und Fürsorge muss man dann als Spieler Trico mit Essen wieder auf die Beine bringen und langsam seine Zuneigung gewinnen. Nach den ersten Hindernissen ist dann klar, dass die beiden es nur dann schaffen können aus diesem Ort zu entkommen, wenn sie zusammen arbeiten.

Ungewissheit als treibendes Mittel

Die Geschichte von „The Last Guardian” spielt sich, wie schon bei den anderen Spielen von Ueda, eher im Hintergrund ab, ist aber trotzdem eine treibende Kraft, die einer der Hauptakteure ist. Man wird bis zum Ende wahrscheinlich noch einige Fragen offen haben und man fragt sich oft, wann diese nun endlich geklärt werden, aber wenn der Abspann läuft, sollte eigentlich alles klar sein. Man könnte auch noch genauer auf die Story eingehen aber das würde einen großen Aspekt vom Spiel wegnehmen: die Ungewissheit über so viele Dinge. Denn in dem Abenteuer, das von der Länge her für den ersten Durchlauf mindestens eine zweistellige Zahl benötigen wird, weiß man nie genau, wann nun Schluss ist. Ein Highlight-Part, der auch in Richtung Finale hätte gehen können, folgt dem nächsten, aber dann nimmt das Spiel doch wieder eine Wendung, wodurch man als Spieler sich immer die Frage stellt, wie weit man nun ist. Dieser Aspekt macht das Spiel aber gerade erst spannend, da man sich immer in Gefahr sieht und in jedem Moment etwas passieren kann, mit dem man nicht gerechnet hat. Genau mit diesem Mittel weiß Ueda einfach zu spielen und setzt es perfekt um.

Eine düstere, antike Welt

„The Last Guardian” hat neben der Geschichte aber auch noch eine sehr dichte Atmosphäre. Das zeigt sich allein schon mit dem stimmigen Intro, das einen sofort mit einem choralen Soundtrack begrüßt und verschiedene Fabelwesen zeigt. Dadurch wird eine fantastische Welt innerhalb von Sekunden aufgebaut, in die man sich sofort verlieren kann. Auch die ganze Architektur des Ortes ist zwar ähnlich zu der aus „ICO” oder „Shadow of the Colossus” aber eben diesen Stil findet man sonst in kaum einem Spiel, weshalb er sich auch hier frisch und unverbraucht anfühlt. Vor allem nach zehn Jahren nimmt man diese düstere, antike Welt mit ihren ausgebleichten Farben hin und erfreut sich daran, wenn das Licht in den Bäumen bricht und ein übersättigtes Bild in einer fremdlichen Welt zeigt.

Ein Abenteuer voller Rätsel

Aber ab dem Punkt fragt man sich wahrscheinlich, was man denn nun spielerisch eigentlich in dem Spiel macht und wieso man sich durch diese anders wirkende Welt bewegen sollte. Die Antwort darauf kommt später, zunächst einmal zum Spielablauf an sich: „The Last Guardian” ist ein schlauchiges Action-Adventure hauptsächlich mit Rätsel-Einlagen. Diese reichen von Schalter-Rätseln über Physik-Spielerien bis zu kleinen Labyrinthen, durch die man navigieren muss. Dabei geht es stets darum irgendwie einen Weg zu finden, um einen bestimmten Weg zu öffnen, damit sowohl Trico als auch der Junge zusammen voranschreiten können. Man folgt also im Grunde immer nur einem geraden Weg bis zum nächsten Rätsel, löst dieses und läuft zum nächsten. Wäre die Welt aber nicht so faszinierend, wäre das Spiel ab dem Punkt schon durchgefallen.

Immer wieder anders

Zudem sind die Rätsel sehr abwechslungsreich gestaltet. Es kommt selten vor, dass man die gleiche Sache immer und immer wieder machen muss. Selbst wenn einmal etwas gleich ist, dann muss man es auf eine andere Art und Weise erledigen. Bis zum Ende des Spiels hat man immer wieder neue Mechaniken, die man zwar von Anfang an hätte nutzen können, man aber niemals brauchte. Wer sich also genau mit Trico und den Aktions-Möglichkeiten während des Spielens beschäftigt, der wird im späteren Verlauf weniger Probleme haben, denn die Rätsel sind oft sehr frustrierend gestaltet.

Da man nur zwei sehr vage Hinweise in der Form von kleinen Boxen, die die Steuerung auch bis zum Ende des Spiels ohne Option, sie auszuschalten, erklären, sowie noch vageren Monologen des Hauptcharakters hat, wie man das Ziel erreicht, kann man schon einmal mehrere zehn Minuten an einem eigentlich simplen Rätsel sitzen. Dazu kommt ein anderer ganz entscheidender Faktor, der für manche einer der besten aber auch der schlimmsten Aspekte des Spiels werden kann: Trico.

Trico: Ein Tier mit Verstand

Der beflügelte Kumpane ist nicht nur ein riesiges Tier, sondern er verhält sich auch oft wie eins. Denn Trico ist nicht, wie man vielleicht denken könnte, ein vorgescripteter Begleiter, sondern er hat eine eigens agierende KI, die für jede Situation verschiedene Verhaltensmuster hat, die zufällig aber während des Spielens immer passend ausgespielt werden. Zudem kann man mit Befehlen Trico indirekt steuern, was nicht immer perfekt funktioniert. Aber das ist in Bezug auf die Immersion, mit einem Tier herumzulaufen, nicht schlimm, da es weiter zeigt, dass man hier einen wirklich lebendigen Begleiter mit eigenem Kopf hat, der auch mal lieber sich kratzt anstatt die Wand hoch zu springen.

So cool dieser Aspekt auch ist, folgen daraus leider auch einige Abstriche, die man machen muss, die manchmal sogar in völliger Frustration und Wut enden können. Denn oft braucht man Trico auch, um irgendwo hin zu kommen. Wenn dann aber der augenscheinlich richtige Befehl auch nach dem zehnten Mal nicht richtig funktioniert und einfach nichts passiert, dann sucht man in dem Areal selbstverständlich nach neuen Hinweisen, was man machen muss. Das führt dann letzten Endes dazu, dass man mehrere Minuten umherirrt, nichts findet, sich denkt, dass die eigentliche Lösung, die man im Kopf hatte auch nichts bringt und so dann die Lösung nachschauen muss. Wenn man dann aber feststellt, dass man das Richtige ausprobiert hatte aber einfach nur Trico gerade nicht wollte oder man den Befehl an der falschen Stelle innerhalb des Areals angewendet hat, dann ist ein DualShock-Weitwurf vorprogrammiert.

Einfache Kämpfe

Ein wenig für Auflockerung sorgen die Kämpfe. In diesen muss man als Junge den herannahenden Gegnern, die einen in ein Tor verschleppen wollen, ausweichen, während Trico wild umherspringt und diese mit einem Schlag erledigt. Man kann auch mit zwei Möglichkeiten aktiv am Kampf teilnehmen, jedoch hat das mehr Stil als Nutzen, dennoch ist es gut, dass man während diesen Szenen nicht nur flüchten muss. Die Kämpfe laufen also dementsprechend ohne große Einwirkung vom Spieler ab, aber das ist auch nicht schlimm, denn sie sind trotzdem actionreich inszeniert und vor allem helfen sie dabei, noch mehr emotional in das Spiel investiert zu sein. Wieso das so ist, werde ich an dieser Stelle nicht verraten.

Eine emotionale Bindung

Am Ende ist es aber die schon öfter erwähnte emotionale Bindung, die durch Mimik und einfach der Interaktion mit Trico zustande kommt, die einen immer wieder verzückt. Wenn man Trico nach einem langen Sprung, wo er gerade noch fast abgestürzt ist, einfach durch Streicheleinheiten beruhigt, schmelzen auch die letzten Herzen. Was ebenfalls dazu führt, dass man als Spieler sehr schnell mit Trico mitfühlt, ist das Design. Denn durch die Verbindung mehrerer Tiere zu einem Hybrid und der Mimik, die einem Hund gleicht, entwickelt man über den Spielverlauf eine tiefe emotionale Bindung mit Trico, die ich so selten in einem Videospiel mit irgendeinem Charakter hatte. „The Last Guardian” schafft es wie kaum ein anderes Spiel, dass man zu einem erst fremden, wilden Tier, das in der Spielwelt als Menschenfresser bekannt ist, eine so innige Beziehung aufbaut, dass man in vielen Momenten einfach nur da steht und von der Szene sowie Tricos Verhalten gerührt ist.

Kamera-Probleme, Ruckler und Delays

Kommen wir zunächst einmal zu den negativen Punkten in Sachen Technik. Das Spiel wurde 2009 für die PlayStation 3 angekündigt und das merkt man leider auch immer wieder. Gerade die Umgebungstexturen, wie der Boden, sind sehr matschig und leicht verschwommen. Zudem erreicht das Spiel auf der normalen PlayStation 4 in vielen Szenen, gerade dann, wenn etwas zu Bruch geht, gerade einmal eine Frame-Zahl im zehner Bereich. Aber das stört überhaupt nicht, da das Spielgeschehen davon nicht unterbrochen wird und man niemals aus diesem Grund einen Bildschirmtod erleidet. Ein wenig nerviger kann da schon für manche die Steuerung werden. Gerade die Kamera aber auch normale Bewegungen haben einen bemerkbaren Delay und oft clippt man mit eben jener durch Wände, was für einen schwarzen Bildschirm oder Clipping für einen kurzen Moment sorgen kann. Hat man sich aber daran gewöhnt, dann sollte es nur noch die wenigsten wirklich stören.

Wunderschön im Klang und Design

Positiv hingegen ist das Art-Design an sich. Selten sahen die Welten von Ueda so schön aus, wie bei „The Last Guardian”. Jeder Ort hat kleine Details, die man sich aus der Nähe anschauen kann und die Architektur lädt zum Staunen ein. Selbst Szenen, in denen die Framerate arg in die Knie geht sind einfach so schön anzusehen, dass man solche Patzer dem Spiel gerne verzeiht. Ein weiterer Aspekt, der wahrlich gelungen ist, sind die Animationen. Alleine der Junge hat so viele verschiedene Animationen, wodurch man sich einfach fühlt, als wenn man wirklich ein Kind wäre. Ein Beispiel ist, dass er bei Angst sehr kleine aber schnelle Schritte und mit groß aufgerissenen Augen herumläuft. Aber auch Trico zeigt mit seinem Gesicht und seinen Bewegungen immer genau, was er gerade fühlt. Abgerundet wird das Ganze von einem Soundtrack, der zwar nicht ganz an Klassiker wie „The Opened Way” aus „Shadow of the Colossus” oder „You Were There” aus „ICO” heran kommt aber trotzdem einige Ohrenschmause bereit hält, die die Szenen perfekt untermalen und die Atmosphäre untermalen.