Mit „Yakuza“ startete SEGA 2005 eine seiner erfolgreichsten Videospielserien, nachdem man sich aus dem Hardware-Geschäft der Konsolen zurückgezogen hatte. Lange Zeit war die Action-Adventure-Serie in unseren Gefilden eher ein Underdog, während man im Land der aufgehenden Sonne große Erfolge einfahren konnte. Mittlerweile erfreut sich die Spielemarke rund um das organisierte Verbrechen, gepaart mit dem typischen japanischen Wahnsinn, auch zunehmender Popularität im Westen. Mit „Yakuza 0“ veröffentlichte SEGA nun ein Prequel zur Serie, das sich perfekt als Einstiegspunkt für diejenigen anbietet, die nun auch in die Saga rund um Kazuma Kiryu einsteigen wollen. Ob sich der Ausflug in die japanische Unterwelt der 80er-Jahre lohnt, verrät unser Review.

Welcome to 1988

„Yakuza 0” entführt euch in die japanische Unterwelt des Jahres 1988. Die Geschichte erzählt die Vorgeschehnisse, die dann in den darauffolgenden Teilen von SEGAs populärer Spieleserie münden. Dabei folgt der Spieler dem jungen Kazuma Kiryu, dem „Hauptcharakter“ im Yakuza-Epos, und im späteren Verlauf auch Goro Majima, einem großen Fanliebling der Serie. Beide finden sich in einem Krieg rivalisierender Yakuza-Familien wieder, während sie in einem abgekaterten Spiel mit schlechten Karten hinterlassen werden. Es entspinnt sich eine klassische Gangster-Geschichte, die sich populärer Elemente bedient, dabei aber (oder gerade deswegen) stets frisch und spannend wirkt, vor allem weil sie sehr stark erzählt wird. Ehre, Geld, Frauen – das alles und noch viel mehr sind die Bausteine, auf denen das japanische, in Neonfarben getauchte 80er-Jahre-Erlebnis in Videospielform aufgebaut ist, und deswegen wird nicht jeder damit seine helle Freude haben. Außerdem muss man sich dessen bewusst sein, dass es auch immer wieder zu längeren Zwischensequenzen kommt, die jedoch spannend und interessant in Szene gesetzt sind. Schnell fiebert man den Ereignissen mit, gerade Freunde, die ein Faible für gute, alte Gangster-Filme haben und dem typischen japanischen Anstrich nicht abgeneigt sind, werden sich schnell hineingezogen fühlen. Neben der eigentlichen Handlung spielen sich zahlreiche Nebengeschichten ab, die von tragisch bis eigenartig und sehr komisch reichen. Dadurch wird alles noch ein Stück aufgelockert und darf sich einer speziellen japanischen Identität erfreuen, die in einer Zeit, in der viele Studios aus Fernost den oft kommerziell erfolgreichen Spielen westlicher Spieleentwickler nacheifern, vielen Titeln verloren gegangen ist. Am Ende des Tages bekommt „Yakuza 0“ einen tollen Spagat zwischen Ernsthaftigkeit einerseits und sich am Ende doch nicht allzu ernst nehmen andererseits mit Bravour hin.

Diese verrückten Japaner!

Für wen sich das bis hierhin wie ein „Grand Theft Auto“-Klon liest, der wird überrascht oder enttäuscht sein, je nach dem. Außer der Tatsache, dass beide Spiele die organisierte Kriminalität als ein Kernthema behandeln, gibt es wenige Schnittpunkte. In „Yakuza 0“ werdet ihr keine Autos auf der Straße entführen, nicht im Kugelhagel untergehen und schon gar nicht auf einen virtuellen Amoklauf durch die Stadt gehen. Stattdessen ist „Yakuza 0“ eher mit der „Shenmue“-Reihe vergleichbar. Ihr bewegt euch durch die offene Welt und trefft dabei auf allerlei Charaktere. Wer erst einmal genug von der Hauptgeschichte hat, kann sich in knapp 100 Miniquests mit allerlei Nebengeschichten begnügen. Dabei ist für wirklich jeden Geschmack etwas dabei, alles gewürzt mit der typischen japanischen „Verrücktheit“. Die Nebengeschichten sind auch fast durch die Bank schön geschrieben und in sich einfach interessante Geschichten, die einen dazu anspornen, weiterzumachen und mehr zu erkunden. Abseits davon gibt es allerlei Nebenaktivitäten, mit denen man sich das Leben als knallharter Yakuza versüßen kann. Von Discobesuchen, Karaoke über Baseball und Untergrund-Kämpfen ist alles dabei, was das Gangsterherz begehrt. Außerdem kann Kiryu Kazama zum Immobilienmogul aufsteigen, während Goro Majima seinen eigenen Kabarettclub aufziehen muss. Das hartverdiente Geld kann dann beispielsweise in Upgrades investiert werden. Alles in allem ist die Spielwelt natürlich nicht so groß wie in Spielen des Kalibers „Just Cause 3“, dafür hat es das Entwicklerteam aber genau richtig gemacht: Die Welt ist randvoll gestopft mit Inhalten, während man in den vielen „riesigen“ Open-World-Spielen auch viele leere Meter gehen muss. Außerdem schafft es das Spiel aus dem Hause SEGA, einerseits der Zeitepoche Tribut zu zollen, sie gleichzeitig aber auch ein wenig durch den Kakao zu ziehen. Eines wird hier schnell klar: Hier wurde weder an Spaß, noch an Umfang gespart.

Der krampfhafte Kampf

Doch als Yakuza ist nicht alles „fun and games“, sondern manchmal müssen auch Meinungsverschiedenheiten in guter alter Faustkampf-Manier ausgetragen werden. Leider ist hier der vermutlich größte Schwachpunkt des Spiels auszumachen. Das Kampfsystem ist leider wenig intuitiv, lässt euch aber in diesem Teil wenigstens auch mitten im Kampf zwischen verschiedenen Stilen wechseln, um etwas Tiefe in die Sache zu bringen. Insgesamt bleibt es aber wenig herausfordernd und meist können sich die Gegner, gerade die Bosse, nur mit unfairen Mitteln helfen. Dafür wurde an Wucht und Brutalität nicht gespart; das wäre bei so einem Spiel auch wahrlich fehl am Platz. Die Umgebung kann für verherrende Angriffe genutzt werden, so lässt sich beispielsweise der Kopf des Gegenüber mit einer Autotür bearbeiten oder der Zahn mit einer Zange ziehen. Wenig überraschend: Am roten Lebenssaft wurde auch hier nicht gespart.

Technik

Die technische Perspektive reiht sich alles in allem in den sehr guten Gesamteindruck ein. Grafisch kann sich „Yakuza 0“ durchaus sehen lassen und erweckt die japanische Metropole wahrlich zum Leben. Manche Animationen, gerade im Kampf und speziell in Dialogen, die nicht als Zwischensequenz konzipiert sind, hinterlassen allerdings einen leicht bitteren Beigeschmack und erinnern eher an die PlayStation-3-Ära. Das auch nicht von ungefähr, schließlich erschien in Japan tatsächlich auch eine Version des Spiels für die alte Sony-Konsole. Dafür sind die Zwischensequenzen wahrlich ein Augenschmaus und sorgen fast schon für ein Kinofeeling innerhalb des Spiels. Der Soundtrack wurde mit Bedacht gewählt und passt einerseits in die verrückten 80er-Jahre und gleichzeitig in das fernöstliche Setting. Außerdem gelang es hier, eine würdige Lokalisierung des eigentlichen Spiels zu schaffen, ohne dabei allzu viel an Authentizität einzubüßen, was heutzutage offenbar immer schwieriger wird. Unterm Strich erhält man hier ein schönes, halbwegs zeitaktuelles PlayStation-4-Spiel, dass sich jedoch nicht vor seinen japanischen Wurzeln versteckt und dadurch im Einheitsbrei von westlichen Spielen ganz klar hervorsticht – sowohl in positiver als auch in negativer Sicht.