Von einem Entwicklerstudio, das bislang durch simple doch technisch beeindruckende Ego-Shooter aufgefallen ist, würde man nicht erwarten, dass sie mit einem Spiel sowohl mit einer großen, lebendigen und interessanten Spielwelt als auch einer fesselnden Geschichte aufwarten können. Dass dies dennoch möglich ist, beweisen Guerilla Games mit „Horizon: Zero Dawn”!

Ausgestoßen

Die Geschichte von „Horizon: Zero Dawn“ spielt 1.000 Jahre in der Zukunft. Die moderne Menschheit ist Geschichte, nur noch Ruinen zeugen von ihrer einstigen Herrschaft über den Planeten. Doch ganz verschwunden sind sie nicht, sondern leben nun so wie wir vor einigen tausend Jahren - jedoch mit einem Hauch der modernen Technik, die sie unter anderem als Waffen einsetzen. Im Umgang mit diesen ist Aloy, die Protagonistin des Spiels, sehr geübt. Doch in den Stämmen ist sie eine Ausgestoßene. Warum dem so ist, muss man im Laufe der Geschichte rausfinden. Eine weitere große Aufgabe ist es, den Ursprung der neuen dominanten Spezies der Erde aufzudecken. Die Maschinen haben ein Eigenleben entwickelt und leben nun wie Tiere in der freien Wildbahn. Jede von ihnen hat ihre eigene ökologische Nische gefunden. Doch etwas stört dieses Gleichgewicht. Die Verderbnis hat die Maschinen befallen, was sie unberechenbar und sehr aggressiv werden lässt. Natürlich ist das die letzte große Frage, der man auf den Grund gehen muss. 

Von klein an

So direkt in die Geschichte geworfen, wie wir es im ersten Absatz beschrieben haben, wird man nicht. Die Entwickler haben sehr darauf geachtet, dass man von Beginn an eine Bindung zu Aloy aufbaut, und haben die Geschichte daher nicht erst bei der fähigen Kriegerin anfangen lassen. Die erste Szene zeigt Aloy als Baby und ihren Ziehvater Rost, der mit seiner Tochter in den Armen zu einer Zeremonie aufbricht. Doch da auch Rost ausgestoßen ist, führt dies zu großen Unruhen zwischen den Stammesangehörigen. Die nächste Szene zeigt Aloy als kleines Kind. Sie versucht von den anderen akzeptiert zu werden, und wird doch wieder nur abgewiesen. Also läuft sie weg, stürzt in eine Höhle, und findet sich inmitten von Computern und Roboter-Teilen wieder. Nach diesem kleinen Abenteuer entschließt Ziehvater Rost, dass es an der Zeit ist, der kleinen Aloy die Jagd näher zu bringen, und das richtige Gameplay beginnt in Form eines Tutorials.

Glaubwürdig

Doch auch mit dem Tutorial endet noch nicht die Einführung in die Welt und die Charaktere. Man hätte Entwickler Guerilla Games nach deren Krachbumm-Reihe „Killzone” schlicht und ergreifend nicht zugetraut, mit so viel Gefühl an ein Thema heran zu gehen. Bevor der letzte Zeitsprung folgt und man damit beim eigentlichen Spiel ankommt, hat man schon Aloy sehr gut kennengelernt, kennt die Bräuche und Rangordnungen der Stammesbewohner, weiß wie die Welt um einen herum aufgebaut ist und vor allen Dingen: man weiß ganz genau, was Aloy antreibt. Doch ihr persönlicher Antrieb ist nicht das einzige, was in der Welt geschieht. Bei den unterschiedlichen Völkern ist stets spürbar, was momentan in deren Gesellschaft passiert und wie sie zu anderen Völkern stehen. Dies alles erzeugt eine glaubwürdige Welt, deren Faszination man sich kaum entziehen kann.

Taktisch

Dass die Geschichte schon allein ein Antrieb ist, um „Horizon: Zero Dawn” zu spielen, sollte nach den ersten drei Absätzen klar sein. Doch das Gameplay steht dem in nichts nach. Einen Großteil der Zeit wird man mit dem Jagen der Roboter verbringen. Wir haben bewusst nicht „Bekämpfen“ gesagt, denn mit simplem hinlaufen und zuhauen wird man selbst auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad bei kleineren Gegnern nicht weit kommen. Schleichen ist die wichtigste Vorgehensweise, die auch von einer Anzeige für Sichtbarkeit und Lautstärke unterstützt wird. Zum Glück bietet die Welt ungemein viel hohes Gras! Doch die Deckung allein reicht nicht, denn nach dem ersten Kontakt könnte man je nach Gegner-Art die ganze Herde aufscheuchen. Und so wird jede etwas größere Auseinandersetzung zum taktischen Leckerbissen. Sehr interessante Waffen wie ein Fallenwerfer oder Seile, die den Roboter festhalten, wollen vernünftig eingesetzt sein. Oder man holt sich einen Roboter auf die eigene Seite, und nutzt diesen als Reittier oder lässt ihn gegen seine Artgenossen antreten. Und man sollte stets das nächste Versteck ausgemacht haben, um nicht überrannt zu werden. All diese Komponenten und noch mehr heben die Auseinandersetzungen von vergleichbaren Spielen ab und machen jeden Kampf zu einem kleinen Abenteuer in sich.

Cleveres Biest

Sehr beachtlich ist auch die künstliche Intelligenz der Roboter-Dinos. Das beste Beispiel hierfür ist eine althergebrachte Videospiel-Taktik, die hier nur selten funktioniert. Einen erhöhten Punkt suchen und die Gegner in Ruhe mit Pfeilen erledigen, ist kaum möglich. Man ist es gewohnt, dass die Gegner dann unter einem hin und her laufen und nicht wissen, wie sie einen erreichen sollen. Das tun sie auch in „Horizon: Zero Dawn”. Jedoch wirkt dies eher wie ein Ablenkungsmanöver, denn einige von der Gruppe werden sich lösen und versuchen, Aloy zu erreichen. Dabei haben sie kein Waypoint-System, dem sie schnurstracks nachlaufen. Es sieht wirklich so aus, als ob sie die Umgebung erst einmal in Augenschein nehmen, um den richtigen Weg zu finden. Dieses beeindruckende Verhalten spiegelt sich in vielen Situationen wieder. Ob ein Brüllrücken Aloys Bewegungen voraus zu ahnen scheint oder Wächter einen umzingeln, selten hat man so glaubwürdiges Verhalten bei Lebewesen gesehen – wobei man ja eigentlich kaum von Lebewesen sprechen kann!

Ordentlich RPG

Zwar machen die Kämpfe schon alleine Spaß, doch einige Rollenspiel-Elemente sorgen dafür, dass man auch noch zusätzlich belohnt wird. Erfahrungspunkte, die man auch für erledigte Quests bekommt, sorgen für einen Aufstieg des Levels, was zu mehr Lebensenergie und Skill-Punkten führt. Diese können in einem Skillbaum ausgegeben werden, der in drei Bereiche eingeteilt ist: Schleichen, Kampf und Sammeln. Leider bekommt Aloy an dieser Stelle keine allzu überraschenden Fähigkeiten, sondern meist Vergleichbares mit Spielen wie „Far Cry Primal” oder dem „Tomb Raider”-Reboot. Nichtsdestotrotz mach es auch bei „Horizon: Zero Dawn” Freude, laufend neue passive wie aktive Fähigkeiten zu nutzen. Besiegte Gegner und die Natur bieten jede Menge unterschiedliche Materialien, die man zu allerhand nützlichen Sachen wie Nachschub an unterschiedlichen Pfeilen verarbeiten kann. Und auch unterschiedliche Rüstungen mit ihren eigenen Attributen und weiteren Boni fehlen nicht. Wer also RPG-Elemente in Action-reichen Spielen mag, kommt voll auf seine Kosten. Auch wenn wir uns ein wenig mehr Originalität gewünscht hätten, eben so wie es auch beim Setting der Fall ist.

Aufgabenvielfalt

Auch wenn man nicht der sehr tollen Story folgt, wird man mehr als genug zu tun haben. Alleine schon die riesige Spielwelt ist es wert, das Spiel zu spielen. Wunderschön gestaltet mit unterschiedlichen Regionen, und vor allem lebendig. Sowohl Menschen, als auch die Roboter und die Tiere könnte man lange beobachten und einfach nur schauen, was zu grade machen. Doch schöner wird es erst mit den unterschiedlichen Nebenaufgaben. Wer mehr Roboter-ARten zum Überläufer machen will, muss sich durch einen längeren Dungeon bewegen, an dessen Ende sich ein knackiger Kampf vor die Belohnung stellt. Doch auch der Weg dahin braucht Kampffertigkeit, Geschick und ab und an auch ein wenig Köpfchen. Doch vor allen Dingen bewegt man sich hier in einem unnatürlichen Setting, das man einfach gesehen haben muss! Man könnte aber auch komplette Banditenlager ausräumen, wobei hier die Überzahl der Gegner die Herausforderung macht. Seltsamerweise kommen menschliche Gegner nicht mit einer derart guten KI wie die Roboter daher. Sehr gut gelungen sind auch die Nebenquests, die zwar von den Aufgaben oft die Genre-Standards bedienen, aber zumeist eine wirklich tolle Geschichte bieten, mit der man noch tiefer in die Welt eintaucht. Zu guter Letzt haben die Langhälse eine Erwähnung verdient. Sie sind das „Horizon: Zero Dawn”-Äquivalent der in Videospielen berüchtigten Türme, die einen Teil der Karte aufdecken. Doch es handelt sich auch hierbei um Lebewesen, bei denen man erst in deren Laufweg einen erhöhten Punkt finden muss, von dem aus man auf deren Rücken springen kann. Dies ist endlich mal eine originelle und toll umgesetzte Art der Türme!

Beeindruckend

Was soll man zur Optik sagen, außer vielleicht: es ist eines der schönsten Konsolen-Spiele, die es gibt. Schon allein vom technischen Standpunkt her begeistert es. Landschaften wie Lebewesen sind unglaublich detailliert. Doch vor allem die Animationen der Roboter begeistern stets auf neue. So vielfältig, so natürlich und glaubwürdig sind sie, wie man es in Videospielen nur selten sieht. Doch auch der Stil kann begeistern, so dass es sehr häufig zu wunderschönen Szenen kommt. So häufig wie in „Horizon: Zero Dawn” haben wir den Foto-Modus noch nie genutzt! Ganz ohne Mankos geht es jedoch leider nicht, auch wenn sie im Gesamtbild vernachlässigbar sein. Recht oft sieht man, wie Gegenstände erst auftauchen, wenn man sich ihnen nähert. Und die Gesichter, insbesondere die Animationen, haben etwas leicht puppenhaftes an sich. Beim Soundtrack kann man nur eines sagen: vergesst so ziemlich alles, was ihr bisher in Film und Videospiel gehört habt. Was das Orchester hier bietet, geht einfach nur unter die Haut. Wenn dazu noch die Sängerinnen mit einstimmen, kann man sich schon alleine wegen diesem akustischen Meisterwerk im Spiel verlieren. Es passt einfach so perfekt, da auch in der Musik beide Welten vereint werden: die lebendige Natur und die kalte Technik. Dabei fliest auch stets die grade herrschende Stimmung mit ein.