Die Formel 1-Saison ist in vollem Gange und Codemasters schickt wie üblich das jährliche Update seiner lizensierten Rennsimulation an den Start, die folglich auf den Namen „F1 2017” hört. Was sich gegenüber dem Vorgänger getan hat und ob sich der Einstieg in die Serie oder gar der Kauf für Besitzer des Vorjahrestitels lohnt, erfahrt ihr in unserem Review.

Warm-Up

Selbstverständlich umfasst die FIA-Lizenz alle 20 Strecken des diesjährigen Rennkalender sowie alle 20 Fahrer der zehn Teams. Zusätzlich zu den zehn Autos der aktuellen Saison, beinhaltet „F1 2017” auch zwölf Rennboliden der vergangenen Jahrzehnte, die jedoch zum Teil per DLC erworben werden müssen. Zusätzlich sind vier Kurse auch in einer kurzen Version im Spiel integriert. Neben den bekannten Modi wie Grand Prix, Zeitfahren, Multiplayer oder dem Karrieremodus bietet „F1 2017” auch Events sowie einen Championship-Modus. Unter Events findet man ständig neue Online-Herausforderungen, die Langzeitspielspaß garantieren sollen.

Meisterlich

Hinter dem Championship-Modus verbergen sich ca. 40 einzelne Veranstaltungen, deren Länge von einigen Rennen bis hin zu vollen Saisons variiert. Das besondere hieran sind die Voraussetzungen. So müsst ihr beispielsweise euer Können ausschließlich in Regenrennen unter Beweis stellen, die brachiale Gewalt klassischer Formel 1-Boliden beherrschen oder einzig auf euer Fahrkönnen vertrauen, wenn das gesamte Starterfeld mit dem gleichen Fahrzeug ins Rennen geht. Ein sehr vielversprechender, angenehm abwechslungsreicher Modus mit einigen Highlights für F1-Enthusiasten.

Online

Der Mehrspielermodus beschränkt sich ausschließlich auf Onlinerennen, was zunächst bei einigen Hobbypiloten für Enttäuschung sorgen mag, bei dem starken Simulationscharakter und der daher empfehlenswerten Steuerung mittels Lenkrad und Pedalerie jedoch wohl letztendlich nur die wenigsten Rennfahrer unter uns wirklich beeinträchtigen dürfte.

Qualifying

Herzstück der Simulation ist selbstverständlich der Karrieremodus. Hier könnt ihr zunächst zahlreiche Einstellmöglichkeiten nutzen um das Spielerlebnis euren Vorlieben anzupassen. Über die Länge der Rennwochenenden, Stärke der Computerfahrer in 111 Stufen, Strenge von Regeln und Strafen bis hin zu Fahrassistenzen lässt sich an jeder Schraube drehen, so dass jeder wahrlich seines eigenen Glückes Schmied ist. Wer die ultimative Herausforderung sucht und sich so fühlen möchte, als trete er persönlich gegen Vettel, Hamilton und Co an, der kann auch einfach die Pro Karriere auswählen, die keinerlei Fahrhilfen zulässt, die KI-Fahrer bei 110% Schwierigkeit fix eingestellt lässt und jegliche Regeln und Schäden realitätsgetreu simuliert. Wer hier besteht, darf sich zurecht als wahrer Champion fühlen.

Start

Zu Beginn darf man sich seinen Arbeitgeber frei auswählen, sollte dabei jedoch sorgfältig auf die Erwartungen der jeweiligen Teams an einen neuen Fahrer achten. Klar ist man im Mercedes oder Ferrari schneller unterwegs als in einem Sauber, allerdings werdet ihr hier bei ausbleibenden Podiumsplatzierungen sehr schnell um euren Job fürchten müssen, während man sich bei anderen Teams auf die Weiterentwicklung des Autos konzentriert und jeder Punktgewinn euer Ansehen im Team steigert. Die Rennwochenenden laufen wie gewohnt ab. Je nach Einstellung nehmt ihr an freien Trainings, Qualifyings oder nur dem Rennen teil. Die vermeintlich uninteressant erscheinenden freien Trainings bieten mit nun fünf Minispielen jedoch gute Möglichkeiten, die Strecke kennen zulernen oder seinen reifenschonenden und spritsparenden Fahrstil zu optimieren und hierbei gleichzeitig wertvolle Forschungspunkte zu sammeln, mit denen das Auto weiterentwickelt werden kann. Dies erfolgt bei „F1 2017” über ein wesentlich erweitertes Menü mit einer Baumstruktur, das in die vier Hauptbereiche Antrieb, Aerodynamik, Chassis sowie die neu hinzugekommene Rubrik Haltbarkeit eingeteilt ist. Denn wer das Reglement kennt weiß, dass für eine volle Saison lediglich vier Motoren eingesetzt werden dürfen. Zusätzlich verbaute Motorkomponenten oder Getriebe führen zu einer Strafversetzung in der Startaufstellung. Neu sind nun auch etwaige Fehlschläge bei Weiterentwicklungen, die wertvolle Ressource-Points kosten. Die Menüführung ist trotz der diversen Rubriken und Einstellmöglichkeiten übersichtlich gelungen, die bereits bekannten Cutscenes vor Qualifying oder Rennen zeigen sich zwar aufgehübscht, aber weiterhin mit Optimierungspotenzial.

Einladung

Besonders hervorzuheben sind die sogenannten Einladungsevents, die im Verlauf einer Saison des öfteren von eurem Agenten für euch an Land gezogen werden. Diese äußerst willkommenen Events verlangen von euch zum Beispiel in einem Williams FW 18 von 1996 in Silverstone so viele Kontrahenten wie möglich in einer vorgegebenen Zeit zu überholen. Das neben der Abwechslung eigentlich Grandiose daran: Der Sound! In Zeiten, in denen selbst die Königsklasse des Motorsports dem Downsizing der Motoren und der Hybridtechnik zum Opfer gefallen ist und 1,6l Turbomotoren aus kläglichen 6 Zylindern ein Geräusch fabrizieren, bei dem wir früher sofort an einen kapitalen Motorschaden denken mussten, erzeugt der bis 16.000 Touren hochdrehende drei Liter V10 Sauger des Williams einen so perfekt unanständigen, infernalisch kreischenden Wohlklang, dass sich die Nackenhaare aufstellen und die Augen in Erinnerung an bessere Zeiten vor Melancholie feucht werden. Allein das Erlebnis dieses Ungetüm mit seiner brachialen Kraftentfaltung zu beherrschen dürfte für viele langjährige Formel 1-Fans Kaufgrund genug sein. Die Einladungsevents erfüllen neben der kurzweiligen Auflockerung einer langen, kräftezehrenden Saison noch einen weiterer Zweck: Sie steigern euer Ansehen bei den anderen Teams, ebenso wie eure Erfolge im Saisonverlauf. Zusammen mit dem Standing im eigenen Team und den alle paar Rennen wechselnden Rivalitäten, wird so die Motivation über viele Rennen hinweg hochgehalten.

Gentlemen, start your engines!

Kommen wir nun zum wichtigsten Aspekt eines jeden Rennspiels. Egal wie viele Modi, Einstellungen und sonstige Spielereien es gibt, was zählt, ist die Performance auf der Strecke. Und hier spielen die Jungs von Codemasters ihre geballte Erfahrung aus. Das Fahrverhalten ist noch einen tick realistischer geworden, das Gewicht und die Massenträgheit der Boliden wird im Lenkrad förmlich spürbar, Vibrationen sind nun nicht mehr so strikt geschwindigkeitsabhängig sondern unvorhersehbarer und realitätsnäher. Man darf das Lenkrad auch auf langen Geraden keine Sekunde loslassen. Falls man trotz der hervorragenden Steuerung durch einen Fahrfehler oder einen übermotivierten KI-Kontrahenten um die Früchte seiner Arbeit gebracht zu werden droht, gibt es auch in „F1 2017” die Möglichkeit, das Geschehen einige Sekunden zurückzuspulen und die Situation unbeschadet zu überstehen. Somit dürfte bei aktivierten Flashbacks das Frustpotenzial auf ein tolerierbares Maß sinken. Einführungsrunde, manuelle Starts sowie das virtuelle und das physische Safetycar sind erneut mit von der Partie und tragen ebenso wie der Boxenfunk und die zahlreichen Infoscreens zur dichten Atmosphäre des Titels bei.

Detailverliebt

Optisch präsentiert sich „F1 2017” durchaus ansehnlich. So jubeln die Fans fleißig auf den Tribünen, Helikopter schweben über der Strecke, in Monaco sind die Hotels und Casinos atmosphärisch stimmig beleuchtet und besonders die Wetter- und Tageslichteffekte sind aus jeder der sieben Kameraperspektiven eine wahre Augenweide. Hinzu kommen zahlreiche kleine Aspekte, die die Liebe zum Detail der Entwickler veranschaulichen. So bleibt etwa nach einem Ausritt durch das Gras vereinzelt Dreck an der Kamera haften, die Aufhängung arbeitet äußerst wirklichkeitsgetreu, sogar das Windgeräusch ändert sich, sobald das DRS aktiviert und der Heckflügel geöffnet wird. All diese Details sorgen in Verbindung mit dem famosen Fahrgefühl für das packendste Formel 1-Erlebnis, das zur Zeit auf dem Markt erhältlich ist. Lediglich die Fahrlinie der KI-Piloten vermag in Ausnahmefällen den nahezu perfekten Gesamteindruck zu trüben. Packende Duelle kommen auch wegen der variierenden Rennstrategien dennoch oft zustande und die bei abbauenden Reifen merklich schlechter werdenden Rundenzeiten treiben in Verbindung mit einem Verfolger auf frischen Slicks den Adrenalinpegel spürbar nach oben.