In der schnelllebigen Videospielindustrie vergeht die Zeit manchmal wie im Flug. Es kommt dem einen oder anderen vielleicht wie gestern vor, als Bethesda eine brandneue Marke namens „Dishonored“ der breiten Öffentlichkeit präsentierte, die von den Arkane Studios zusammengeschraubt wurde. Die vielen Vorschusslorbeeren, die das Spiel für seinen mutigen Ansatz und spannenden Welt erhielt, konnte man mit einem guten Debüt zurückzahlen. Mittlerweile hat der Hauptableger nicht nur eine Fortsetzungen spendiert bekommen, sondern, wie es in der hohen Videospielriege zum guten Ton gehört, auch ein großes Add-On. „Dishonored: Tod des Outsiders“ heißt das gute Stück, das ursprünglich eine Erweiterung für „Dishonored 2“ hätte werden sollen, dann aber schnell den Rahmen sprengte und eine Standalone-Veröffentlichung erhielt. Ob das Spiel an die beiden Hauptableger anknüpfen kann oder aus gutem Grund nicht näher mit „Dishonored 2“ in Verbindung gebracht werden soll, erfahrt ihr in unserem Review.

Wie tötet man einen Gott?

Das Spiel fängt einige Monate nach den Ereignissen von „Dishonored 2“ an. Die beiden Protagonisten des Vorgängers, Emily Kaldwin und Corvo Attano, treten in den Hintergrund und Billie Lurk, die Heldin von „Dishonored: Tod des Outsiders“, rückt in das Rampenlicht des neuen „Dishonored“-Teils, das in einer dystopischen Steampunk-Welt spielt. Billie Lurk, eigentlich eine Söldnerin, trifft auf ihren ehemaligen Mentor, Daud, und sie planen gemeinsam einen der größten Coups des Spieleuniversums. Sie wollen den Outsider, ein übernatürliches Wesen, das im „Dishonored“-Universum für das Assassinentum verantwortlich ist, töten und die Welt von seiner Tyrannei befreien. Als Neueinsteiger in der Serie wird man stellenweise Schwierigkeiten haben, alles sofort zu verstehen und nachvollziehen zu können. Welche Charaktere in welcher Beziehung zu einander stehen, die Vorgeschehnisse, die bis in die Gegenwart hineinwirken – das sind leider alles Faktoren, die neue Spieler etwas überfordern könnten, weshalb das Spiel sicherlich nicht der idealste Einstiegspunkt für Neulinge ist. Nichtsdestotrotz werden aber auch diese der Geschichte insgesamt folgen können und ihren Spaß daraus ziehen, auch, wenn nicht jedes Detail sofort klar wird. Die Geschichte selber ist dafür spannend und straff erzählt, dafür aber eben auch deutlich linearer. Die Charaktere bleiben leider erschreckend farblos und entfalten nicht ihr komplettes Potential. Insgesamt erweitert sie aber das „Dishonored“-Universum um eine weitere, interessante Facette, die der spannenden Welt zusätzlich Leben einhaucht.

Die Qual der Wahl

Der im Vergleich zu „Dishonored 2“ etwas linearere Ansatz sorgt auch dafür, dass die wirklich großen Entscheidungen deutlich geringer geworden sind. Im Grunde genommen gibt es auch nur wirklich eine einzige Entscheidung in der Geschichte, die wir treffen müssen und von der das Ende des Schleichspiels abhängt. Hier wünschen wir uns für einen Nachfolger definitiv wieder mehr Entscheidungen, die tatsächlich Gewicht haben und insgesamt mehr Entscheidungsfreiheit für den Spieler. Spielerisch bleiben einem aber, wie gehabt, alle Türen offen, um seinem ganz eigenen Spielstil Rechnung zu tragen. Es liegt ganz beim Spieler, ob er sich wie ein Meisterassassine in den Schatten versteckt oder eher das Viktorianisches-London-Pendant zu „Rambo“ darstellen will. Hauchen wir unseren Gegnern das Leben aus oder wollen wir so friedlich wie möglich durch das Spiel kommen, in dem wir den Kontakt komplett meiden oder die Gegner nur betäuben? Die Entscheidung liegt komplett beim Spieler. Theoretisch ist es sogar möglich, das ganze Spiel durchzuspielen, ohne auch nur einen einzigen Tod zu verschulden. In jedem Fall lohnt es sich, die detaillierte Spielwelt zu erkunden und nach neuen Lösungswegen und -ansätzen zu suchen, was dem Wiederspielwert natürlich entsprechend in die Karten spielt. Beispielsweise kann sich ein vermeintlich banales Gespräch zwischen zwei Wachen, die man belauscht, als wahre Goldgrube entpuppen und eine neue Perspektive zur Lösung der Missionsaufgabe offenbaren. Die braucht man auch, da die künstliche Intelligenz der Feinde überdurchschnittlich gut ausfällt und tatsächlich eine Herausforderung darstellt. Statt dumme Hindernisse, stellen sie ernstzunehmende Gefahren dar, die selbst taktieren, sich zusammenrotten und den Spieler aus seinem dunklen Versteck vertreiben. Der Schwierigkeitsgrad ist dementsprechend eher im gehobenen Segment anzusiedeln, dafür stehen aber auch genug verschiedene Optionen diesbezüglich zur Auswahl, um den perfekten Mix für jeden – egal, ob Neuling oder Veteran der Serie – glücklich zu stimmen. Zusätzliche Tutorialvideos sorgen für weitere Hilfen, um möglichst schnell in das Spiel hineinzufinden.


Neue Fähigkeiten braucht das Land

Billie stehen in „Dishonored: Tod des Outsiders“ drei brandneue Fähigkeiten zur Verfügung. Mit „Weitblick“ wechseln wir in den Beobachtermodus und erreichen Stellen, die für uns sonst nicht erreichbar gewesen wären. Doch wie kommen wir mit unserem Körper dahin? Mit „Platztausch“ können wir eine Markierung setzen, um uns dann dahin zu teleportieren und einen taktischen Vorteil gegen unsere Feinde zu erhaschen oder neue Wege zu finden. „Trugbild“ hingegen funktioniert ähnlich wie Verkleidungen in der „Hitman“-Serie. Ihr taucht dann hinter feindlichen Linie als einer von ihnen ab, allerdings könnt ihr das nur über eine begrenzte Zeit nutzen. Im Gegensatz zu den Vorgängern regeneriert sich der Manavorrat nun mit der Zeit und der Spieler muss nicht haufenweise Tränke horten. Einerseits wird dadurch natürlich ein taktischer Aspekt minimiert, schließlich musste man bisher mit seinem Vorrat in dieser Hinsicht haushalten und sich die Frage stellen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für das Auffüllen der Manaleiste ist. Andererseits, sind die Fähigkeiten dadurch präsenter im Spiel und man wird dazu eingeladen, mehr und öfter zu kombinieren. Da Arkane Studios hierbei ein guter Balanceakt gelungen ist, bewerten wir diese Änderung als durchaus positiv. In puncto Waffen hat sich dahingehend jedoch nichts geändert, ihr tragt eine Fernwaffe, ein Messer und verschiedene Gadgets mit euch und müsst euren Vorrat an Granaten und Compagnie weise kontrollieren, um nicht am Ende leer da zu stehen, wenn euch die Gegner überrollen. Hilfreich ist auch hier der Wegfall des störenden „Chaos“-Systems. Während man in der Vergangenheit hart bestraft wurde, beispielsweise mit deutlich schlechteren Enden, wenn man zu viele Gegner getötet hat, ist dieser Faktor nun futsch. Das sorgt einerseits dafür, dass man nicht direkt neuladen muss, wenn man entdeckt wurde, andererseits, dass man weiterexperimentieren kann. Der Entwickler hat ein gutes Händchen im Level-Design bewiesen, jedes Auftragsgebiet ist durchdacht und motiviert dazu, neue Ansätze zu suchen – auch, wenn es nicht allzu viele dazu an der Zahl gibt.

Solider Umfang

Alles in allem ist man sieben bis acht Stunden mit dem Spiel beschäftigt, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert. Die verschiedenen Wege, die Level zu lösen, können natürlich noch die ein oder andere Spielstunde auf die Uhr bringen. Neben den Hauptaufgaben kann der Spieler zusätzliche Nebenaufgaben erledigen und weitere Belohnungen generieren. Außerdem ist das ein guter Weg, tiefer in das Universum von „Dishonored“ einzusteigen und Details rund um die Bewohner und die Spielwelt zu sammeln. Das Aufgabengebiet reicht dabei von Entführung bis hin zum guten, alten Auftragsmord – im Grunde alles, was das Herz der dunklen Künste begehrt. Mit dem hart verdienten Taler können wir auf dem Schwarzmarkt neue Ausrüstungen und Verbesserungen für Billie kaufen. Schlussendlich ist der Inhalt vom Umfang her, angesichts der Tatsache, dass es sich eigentlich um ein Add-On handelt, in Ordnung, aber es wird dem einen oder anderen Spieler sicherlich zu wenig sein. Da hätte der Entwickler vielleicht doch noch die ein oder andere Schippe drauflegen können, vor allem, wenn man das Spiel als einen Standalone-Titel veröffentlicht. Der „Neue Kräfte+“-Modus, das Pendant zum „New Game+“ vieler anderer Spiele, lädt zu einem zweiten Spieldurchgang ein.


Technik

Aus technischer Perspektive erlauben sich die Arkane Studios weder den großen Wurf, noch einen schweren Schnitzer. Das Spiel läuft in einer konstanten Bildwiederholungsrate und darf sich aufgrund des schönen Grafikstils manch großer Augen freuen. Die dystopische Steampunkt-Welt sorgt für zahlreiche bildgewaltige Momente, die mit einem hohen Detailgrad auftrumpfen können. Einige Texturen wirken jedoch etwas arg verwaschen und auch die Charaktermodelle sind nicht mehr wirklich auf der Höhe der Zeit – hier sollte der Entwickler für das nächste „Dishonored“-Spiel definitiv nachbessern.