Lange Zeit waren Survival-Horror-Spiele ein reiner Nischenmarkt und wurden von den großen Publishern dieser Welt stiefmütterlich behandelt. Nachdem man besonders gegen Mitte und Ende der 90er-Jahre mit Spielen wie „Resident Evil“ oder „Dino Crisis“ große Erfolge erzielen konnte, flaute das Interesse im nächsten Jahrzehnt spürbar ab. In jüngster Zeit können die Spiele dieser Machart jedoch eine kleine Renaissance feiern, ursprünglich angeführt von der blühenden Indieszene. Bei den großen Spieleentwicklern etablierte sich allen voran die „The Evil Within“-Serie, die ihr Debüt vor einigen Jahren feierte, als neue Speerspitze des psychologischen Horrorabenteuers. Niemand geringerer als Shinji Mikami, seines Zeichens ehemaliger Director der „Resident Evil“-Serie, ist für die „The Evil Within“-Serie verantwortlich und führte das Team von Tango Gameworks. Der zweite Ableger des gruseligen Abenteuers rund um Sebastian Castellanos steht nun in den Ladenregalen und will die Spieler einmal mehr das Fürchten lehren. Ob uns „The Evil Within 2“ einen Schrecken im positiven oder negativen Sinne eingejagt hat, erfahrt ihr in unserem Review.


Willkommen in der Hölle

„The Evil Within 2“ spielt drei Jahre nach den Ereignissen des Erstlings. Damals untersuchten Sebastian Castellanos und seine Partnerin Juli Kidman einen furchterregenden Tatort in der Beacon-Nervenklinik. Dabei wurde der hartgesottene Polizist in einen real gewordenen Alptraum hineingezogen, in dem er von blutrünstigen Kreaturen gejagt wurde und mehr als einmal nur knapp dem Tod von der Schippe sprang. Hinter dem ganzen Zwischenfall stand die ominöse Organisation „Mobius“, eine über einhundert Jahre bestehende Geheimgesellschaft, die sich zwar das Wohle der Menschheit auf die Fahne geschrieben hat, dabei aber nicht vor allerlei menschenverachtenden Mitteln zurückschreckt. Diese Geheimorganisation nutzt die Mächte von „STEM“, einem System, das eine geteilte Bewusstseinserfahrung ermöglicht und dadurch eine Parallelwelt erschafft, in der die Gedanken zur Realität werden – so krank sie auch sein mögen. Sebastian Castellanos entkam damals nur knapp mit seinem Leben, doch ein Teil von ihm blieb für immer in der Alptraumwelt von „STEM“ zurück. In der Gegenwart setzen dem ehemaligen Detective weitere Faktoren zu: Neben seinen Depressionen und seiner schweren Alkoholkrankheit hat ihn zudem seine Ehefrau Myra verlassen, nachdem die Tochter Lily bei einem Brand bei lebendigem Leibe verbrannte.

Zurück in den Alptraum

Diesen Alptraum spielt er wieder und wieder in seinem Kopf von vorne ab und richtet sich damit langsam, aber sicher, selbst zu Grunde. Überraschenderweise eröffnet sich jedoch ein Hoffnungsschimmer für den schwer angeschlagenen Sebastian. Juli Kidman, seine ehemalige Partnerin, erscheint und erklärt ihm, dass seine Tochter noch am Leben ist und von Mobius gefangen gehalten wird. Wenn der bärbeißige Ex-Detective bereit sei, wieder in die von „STEM“ geschaffene Parallelwelt zurückkzukehren, würde man das vermeintlich ehemals Geschehene rückgängig machen können. Es entspannt sich ein Wettlauf gegen die Zeit und eine sehr spannende Horrorgeschichte, die überraschend kohärent an die Ereignisse des Erstlings anschließt.

Union, die geschaffene Alternativwelt, erzählt durch seine Lebewesen und Geschehnisse seine ganz eigene Historie und befindet sich dabei aber kurz vor dem Zusammenbruch. Insgesamt handelt es sich um einen starken Fokus auf „psychologischen Horror“, der von grotesken Designs der Kreaturen, Feinde und auch von Union selbst als Spielewelt unterstrichen wird. Sebastian, der im ersten Ableger eher wie ein Abziehbild eines typischen Detective-Tropes wirkte, hat in „The Evil Within 2“ an Charakter und Tiefe dazugewonnen. Insgesamt haben die Spielfiguren einen höheren Stellenwert als im Vorgänger erhalten, was einen dann doch stärker in die Welt hineinzieht und mitfühlen lässt. Schlussendlich geht es aber primär darum, Lily aus den Klauen von Mobius zu befreien. Fällt die Welt zusammen und damit die Chance, Lily zu retten, bricht auch Castellanos echte Welt endgültig zusammen.


Harter Überlebenskampf

Im spielerischen Kern erinnert „The Evil Within 2, ähnlich wie sein Vorgänger, entfernt an „Resident Evil 4“, aber am ehesten wohl an „The Last of Us“. Zumindest dürfte das erfolgreiche Spiel von Capcom als eine Art Blaupause fungiert haben, während Naughty Dogs Referenztitel für weitere Ideen als Vorbild fungiert hat - wie bei vielen anderen Spielen auch. Ihr steuert Sebastian Castellanos aus der Third-Person-Perspektive und müsst dabei mit einem stetigen Mangel an Ressourcen und Munition kämpfen. Anders als in „Resident Evil 4“ steht euch neben dem Frontalangriff auch die Möglichkeit zur Verfügung, euch unbemerkt an Gegnerhorden vorbeizuschleichen oder diese aus dem Schutz der Schatten heraus zu eliminieren. Diese beiden Faktoren sorgen zusammen dafür, dass das Gameplay eine tatsächliche Herausforderung darstellt und Köpfchen mindestens genauso wichtig ist, wie die größte Wumme dabei zu haben. Sebastian steht das Spiel über ein potentielles Waffenarsenal zur Verfügung, das keinerlei Wünsche offenlässt. Von einer gewöhnlichen Pistole bis hin zu einer zerberstenden Schrotflinte über eine Armbrust mit sechs verschiedenen Munitionstypen ist alles dabei, was euch im Kampf gegen die Gefahren von Union hilft.

Während die Gegnerdichte insgesamt abgenommen hat, hat die Gefahr, die von einzelnen Gegnern ausgeht, zugenommen. Wir haben diese Verschiebung der Kräfte durchaus begrüßt, da dadurch jedes Aufeinandertreffen mit dem Gegner eine neue Herausforderung darstellt und Übermut hart bestraft. Der Spieler fühlt sich nicht wie der übermächtige Hauptcharakter, sondern ist sich seiner Verwundbarkeit bewusst. Negativ aufgefallen ist uns das doch etwas hakelige Steuerungs- und Schießsystem, das gerade in besonders hektischen Situationen für die ein oder andere böse Überraschung sorgen kann. Andererseits unterstreicht es auch den Überlebenskampf von Sebastian und schlussendlich soll es eben auch darum gehen, nicht unbedingt das feingeschliffene Actionspiel, in der jede Bewegung perfekt übernommen wird, zu spielen.

Außerdem hätten wir uns mehrere verschiedene Gegnertypen gewünscht, die sich auch stärker unterscheiden, so dass man seine Strategie und Taktik stets auf das Neue auf die aktuellen Begebenheiten, in Hinblick auf Gegnertyp, -Anzahl und verfügbaren Waffen- und Munitiontypen, anpassen muss. Gerade die Bosskämpfe offenbaren einen erschreckenden Mangel an eigener Kreativität. Wir empfehlen definitiv die höheren Schwierigkeitsgrade, da in diesen die Stärken von „The Evil Within 2“ am besten ausgespielt werden. Denn dann ist Sebastian wirklich der Gejagte und ganz klar den Gegnern unterlegen – wenn das ein Horrorspiel in dieser Form schafft und den Wurzeln des Genres treu bleibt, erhält es von uns entsprechende Hochachtung.

The world is yours

Die vermutlich größte Änderung ist der Wechsel von einer linearen hin zu einer halboffenen Spielwelt. Gerade im Hinblick darauf, dass zu viel Freiheiten tendenziell dazu neigen, die Geschichte oder den Horror in solchen Spielen abzuschwächen, ist den Entwicklern hier ein guter Spagat gelungen. Während ihr Union erkundet, sammelt ihr auch eure Ressourcen und Munition, um euch für die Kämpfe zu rüsten. Außerdem stößt Sebastian auf Nebencharaktere, die ihm weitere Zusatzmissionen und -aufgaben geben können. Ferner lernt der Ex-Detective dabei mehr über die Hintergründe von Union und Mobius, aber auch über sich kennen. Leider kollidiert die halboffene Spielwelt mit der eigentlich linearen Geschichte. Wie so oft in Spielen, die auf dieses Element setzen, kann es passieren, das man stundenlang nicht die Hauptgeschichte weiter vorantreibt, weil man sich mit Nebenaufgaben und Munitionsbeschaffung beschäftigt und dadurch den Einfluss der Hauptgeschichte schmälert. Auch hätten wir uns ebenfalls mehr Kreativität in der Gestaltung der Welt gewünscht: Viele Umgebungen und Orte sehen ähnlich oder nahezu gleich aus, und sind dadurch auch wieder schnell vergessen.

Technik

In puncto Technik kann das Spiel leider ebenfalls nicht gänzlich überzeugen. Die PlayStation 4 hat mittlerweile doch einige Jahre auf dem Buckel und lässt das „The Evil Within 2“ auch spüren. Manche Texturen im Spiel wirken etwas unrund, stellenweise sogar matschig, dafür läuft das Spiel in nativem Full-HD. Während „The Evil Within“ noch in einem Meer aus Braun, Grau und Rot getaucht wurde, hat man bei „The Evil Within 2“ die Farbpallette etwas erweitert und auch die Ladezeiten im Vergleich zum Vorgänger spürbar angenehmer gestaltet. Am meisten stört uns dann doch, dass das Spiel leider nur in 30 Bildern pro Sekunde läuft und selbst diese manchmal nicht konsequent gehalten werden können, zumindest auf der Standard-PlayStation-4. Wir hätten es nachvollziehen können, wenn es auf der gewöhnlichen PlayStation 4 nicht anders gehen würde, aber auf PlayStation 4 Pro hätten wir definitiv mehr erwartet. Es ist dann doch etwas enttäuschend, dass kein Update zur Verfügung gestellt wird.