Im Bereich der Rennsimulationen hat Project Cars 2 für dieses Jahr bisher die alleinige Kontrolle über die PlayStation 4 übernommen. Im Kampf um die Poleposition wagt sich jetzt aber ein alteingesessener Kontrahent auf die Stecke. Gran Turismo Sport beschleunigt und startet den Angriff auf den Thron der Rennsimulationen. Ob die Bestzeit am Ende des Rennens auf der Anzeigetafel aufleuchtet, klären wir in diesem Review.

Always On

Ein Wermutstropfen zu Beginn: Gran Turismo Sport erfordert eine durchgängige Internetverbindung, um den Großteil des Spiel genießen zu können. Dabei ist es unabhängig davon, ob ihr alleine die Kampagne spielen oder Online gegen Fahrer aus der ganzen Welt antreten wollt. Ohne Internet steht lediglich der Arcade-Modus zur Verfügung. Alle anderen Funktionen des Spiels sind deaktiviert. Betrachtet man den Titel als Mehrspieler-Erfahrung fällt dieser Aspekt weniger ins Gewicht. Für Solisten oder Spieler mit durchschnittlicher Internetverbindung ist dieser Aspekt ärgerlich. Allerdings ist zu differenzieren, da Gran Turismo Sport die Internetverbindung in den Bereichen außerhalb des Mehrspielers dazu nutzt, um den Spielstand und den Fortschritt zu speichern. Auch eine langsame Verbindung ist ausreichend, um diese Funktion zu erfüllen.

Rennprofi Made in Wohnzimmer

Herzstück eines jeden Rennspiels ist natürlich das Fahrgefühl der hochgezüchteten Bleispritzen. Das Spiel vermittelt ein glaubhaftes Gefühl der Geschwindigkeit, des Gewichts der Fahrzeuge und die Auswirkungen dieser Faktoren auf das Verhalten der Fahrzeuge. Jedoch geht das Spiel den Weg der Simulation nicht bis zum Endpunkt und verzichtet darauf, Informationen über den Zustand des Wagens auch durch optische und akustische Signale mitzuteilen. Deshalb fehlt zum Beispiel ein optisches Schadensmodell oder das Durchdrehen der Reifen ist an Geräuschen nicht ablesbar. Aufgrund dessen fühlt sich Grand Turismo Sport deutlich arcadelastiger an, als man erwarten würde. Während sich die Rennen auf Asphalt ordentlich anfühlen, verlieren der Spieler bei Rennen auf Dirt jegliches glaubhaftes Gefühl für das Fahrzeug. Anstatt einer ordentlichen Schotterpiste scheint das Rennen auf einem rutschigen Untergrund ohne Grip stattzufinden.

Zusätzlich zu einem spaßbringenden Fahrgefühl bietet Grand Turismo zahlreiche Optionen, um das Fahrverhalten den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Fahranfänger schalten die Traktionskontrolle an, bei Bedarf eine unterstützende Bremshilfe und blenden eine Ideallinie während der Rennen ein. Fortgeschrittene Fahrer deaktivieren die elektronischen Hilfsmittel und erhalten ein forderndes Rennspiel. Während diese Optionen nicht aktiv die Leistung des Boliden beeinflussen kann, so wird mithilfe der Feinabstimmung von Faktoren wie die Übersetzung des Getriebes, das Verhalten der Bremsen oder die Leistung des Motors das Fahrgefühl im Detail verändert. Durch diese Anpassungsoptionen wird dem Spieler erlaubt, das Fahrzeug noch detaillierter den eigenen Vorlieben und letztendlich auch den zu fahrenden Strecken anzupassen. Über das grundlegende Fahrverhalten der Boliden bietet Grand Turismo dem Spieler damit nach einiger Einarbeitungszeit noch mehr Tiefgang.

Auch die Rahmenbedingungen der Rennen können vielfältig beeinflusst werden. Spritverbrauch, Reifenverschleiß oder Rundenanzahl erlauben es von einem entspannten Hochgeschwindigkeitssprint zu einem knallharten Wettkampf jede Variation einzustellen. Negativ fällt auf, dass es zwar ein aktivierbares Schadensmodell gibt, ohne visuelles Feedback einerseits Informationen fehlen, die den genauen Ursprung von Schäden oder ihre Intensität  nachvollziehbar erscheinen lassen. Anderseits geht dadurch auch ein Teil der Atmosphäre verloren. Auch ein dynamischer Wetterwechsel, der zusätzlichen Einfluss auf das Renngeschehen nimmt, ist nicht im Spiel enthalten. In Verbindung mit den enthaltenen Möglichkeiten wäre Gran Turismo Sport dadurch einer realitätsnahen Simulation noch ein Stück näher gekommen.

Platzhalter

All Tracks Matter

Im Licht aktueller Ereignisse kann Entwarnung gegeben werden. Gran Turismo Sport verzichtet auf Mikrotransaktionen, um den Fortschritt innerhalb des Spiels zu beschleunigen. Die Säulen des Forschrittssystem sind die zwei Währungen Credits und Meilen sowie das Profillevel des Spielers. Credits werden dazu genutzt, um neue Fahrzeuge für die eigene Garage zu erwerben. Über die Meilen werden kosmetische Gegenstände, wie Felgen oder Lackierungen freigeschaltet. Das Spielerlevel schaltet im Einzelspieler die verschiedenen Strecken für Arcade-Rennen frei. Zusätzlich werden verschiedene Meilensteine verfolgt, wie absolvierte Siege und gespielte Zeit, die bei Abschluss Erfahrungspunkte und Meilen gewähren. Darüber hinaus erhält der Spieler nach einer genormten täglichen Spielzeit ein weiteres Fahrzeug für die Garage. Die Preise sind dabei verständlich gestaffelt und die ersten Rennboliden werden schnell in der eigenen Box geparkt.

Im Kontext des Spiels wird dadurch das wohlige Gefühl erzeugt, dass jede Handlung im Spiel dem eigenen Fortschritt dient. Meilensteine wie „Gewonnene Rennen” können natürlich von versierten Rennfahrern schneller abgeschlossen werden. Dadurch bietet Gran Turismo ein faires System, dass den Fortschritt an gespielte Zeit und eigenes Können koppelt. In Verbindung mit dem Kerngameplay ist dieser Aspekt eine tragende Säule des Spiels.

Insgesamt stehen 164 Fahrzeuge zum Freischalten zur Verfügung. Gemessen an der Konkurrenz fällt diese Anzahl zum Teil deutlich ab. Da sich Grand Turismo Sport jedoch als reine Rennsimulation positionieren möchte, verzichtet es auf alltägliche Automobile aus dem Bereich „Muttis Leihwagen” oder mehrere, gleiche Modelle in unterschiedlichen Baureihen. Trotz eines kleineren Fuhrparks hat der Spieler Zugriff auf die Fahrzeuge namhafter Hersteller. Dieser Fakt verschlechtert Grand Turismo nicht grundsätzlich und ist abhängig von der persönlichen Vorliebe. Als Negativpunkt muss jedoch die Anzahl der Strecken festgehalten werden. Denn die Anzahl von zunächst 40 Strecken erscheint wesentlich kleiner, da mehrere Strecken in mehrfacher Ausführung und Layouts vorhanden sind. Auch wenn sich das Verhältnis von ausgedachten und realen Strecken durchaus in der Waage hält, wären mehr lizenzierte Strecken für einen gesteigerten Realismus wünschenswert.

Kein Beiwerk, nur Asphalt

Gran Turismo folgt nicht den aktuellen Trends von Sportspielen und verzichtet deshalb auf eine Charakter getriebene Handlung im Rahmen des Einzelspielerdmodus. Einen traditionellen Karrieremodus, der den Spieler mit dem rostigen Familiencoupe der Mutter auf die Reise zum Supersportwagen schickt, wird nicht in Sports zu finden sein. Unter dem Überbegriff der Kampagne setzt sich der Einzelspielerdmodus aus drei Kernbereichen zusammen. In der Fahrschule wird der Fahranfänger in kleinschrittigen Aufgaben mit dem Spiel vertraut gemacht.

Hauptaspekt ist der Missions-Modus in dem zahlreiche abwechslungsreiche Aufgaben absolviert werden müssen. Unkomfortabel ist dabei der Zwang, die Missionen in aufsteigendem Schwierigkeitsgrad absolvieren zu müssen. Erst wenn die Aufträge des ersten Rangs geschafft wurden, wird der nächsthöhere Grad freigeschaltet. „Streckenerfahrung” schickt den Spieler auf die verschiedenen Strecken mit dem Ziel, eine festgelegte Bestzeit zu erreichen. Besonderheit ist, dass nicht nur die Zeit über die gesamte Distanz bewertet wird, sondern auch einzelne Sektoren angewählt werden können und dort eine Zeit unterboten werden muss. Als reine Einzelspielererfahrung ist dieser Spielmodus durchaus spaßig, sein volles Potential entfaltet er jedoch in Verbindung mit dem Mehrspieleraspekt des Titels, da er als gezielter Trainingsraum genutzt werden kann. Unabhängig von Spielmodus wird die Leistung dreistufig bewertet und die Jagd nach der Goldmedaille ist ein motivierender Aspekt. Auch wenn ein „echter” Karrieremodus fehlt, unterhält der Einzelspielerteil im Rahmen dieser drei Modi. Im Grunde ist es im Bezug auf diesen Punkt persönliche Präferenz, welche Ausrichtung im eigenen Interesse liegt.

Ergänzt wird der Kampagne Modus durch einen Arcade-Modus, der dem Genrestandart entspricht. Während Einzelrennen gegen die Ki immer für eine Runde zwischendurch geeignet sind, werden Zeitrennen im Einzelspieler mit Blick auf den erwähnten Kampagnemodus überflüssig. Positiv hervorzuheben ist der Split-Screen Modus für zwei Spieler. Trotz einem ambitionierten Multiplayer ist es angenehm, dass die abendliche Runde mit Freunden auf einer Party nicht vernachlässigt wird.Der Dirt-Modus auf ausgewählten Strecken ist eine nette Ergänzung, im Anbetracht der Ausrichtung auf Straßenrennen scheint dieser Modus jedoch keine langfristige Relevanz zu besitzen. In allen Spielmodi macht die variabel einstellbare Ki einen durchaus ordentlichen Job, obwohl sie für Veteranen etwas zu einfach ausfallen dürfte.

Als Enttäuschung ist jedoch der VR-Modus zu bezeichnen. Auch wenn es ein grandioses Gefühl ist, aus dem Cockpit heraus den Wagen über die Strecke zu steuern, hat er mit technischen Limitierungen zu kämpfen. Es kann lediglich gegen einen CPU Kontrahenten gefahren werden und auch nur in einer Variation des Arcade-Modus. Damit werden nicht die gesamten spielerischen Möglichkeiten des Titels genutzt, was diesen Spielmodus zu einem belanglosen Beiwerk verkommen lässt.

Sports!

Das Herzstück des Spiels ist der namensgebende Sport-Modus, in denen sich die Spieler in täglichen Rennen messen. Dabei möchte euch das Spiel zu einer fairen und sportlichen Fahrweise erziehen. Neben einer Fahrerwertung, die euer Können auf einer Skala von E-S bewertet, wird eure Sportlichkeit durch einen separaten Wert dargestellt. Absichtliche Kollisionen, das Abkommen von der Fahrbahn oder Abkürzungen über den Grünstreifen werden während des Rennens durch Zeitstrafen und nach dem Rennen in einer negativen Sportlichkeitswertung vermerkt. Wer wie "Vin Disel" in seinem Rennfilm "Fast and Furious" fährt, wird dementsprechend auch nur noch mit anderen Rüpelrasern in eine Partie geworfen. Das System scheint zu funktionieren, denn im Testzeitraum sind die Gegenspieler trotz einiger Ausfälle durchaus höflich gefahren. Unterstützt wird die Erziehung des Spiels durch das Ghost-Feature. Sollten Spieler einen Unfall bauen oder von der Fahrbahn abkommen, werden sie für kurze Zeit durchsichtig und können nicht mehr mit anderen Spielern kollidieren. So wird verhindert, dass ein Unfall zu einem massiven Blechschaden führt. In höheren Fahrerwertungen ist dieses Feature ausgeschaltet.

Täglich stehen drei verschiedene Kurse bereit, die in zeitlichen Intervallen von 20 Minuten ausgetragen werden. Zunächst wird eine Qualifzierungszeit gefahren, nach denen sich die Startposition für alle Veranstaltungen des Tages auf der ausgewählten Strecke ableitet. Nach einem Warm-Up beginnt das eigentliche Finale. Im Rahmen dieser Rennen fällt stellenweise die geringe Streckenanzahl ins Gewicht, wodurch bei unliebsamen Strecken ein Teil der Veranstaltungen unattraktiv wird. Auch eine größere Anzahl der Events wäre wünschenswert, um flexiblere Spielweisen anzubieten. Die angebotenen Rennen sind meistens eher auf kurzweilige Rennen ausgelegt und bieten keine Optionen in denen Aspekte wie Benzinverbrauch und Reifenverschleiß zu einem knallharten Rennen über mehr als zehn Runden führen. Momentan müssen Spieler, die Anhänger solcher Rennformen sind auf von Spielern erstelle Lobbys zurückgreifen. Sobald man sich mit dem fehlenden Matchmaking angefreundet hat, stehen unzählige Einstellungsmöglichkeiten bereit, um eigene Rennen zu erstellen. Dabei werden durch die zahlreichen Optionen alle jeglichen Wünsche befriedigt. 

Neben diesen kurzweiligen Modi bietet der Titel auch einen Liga-Modus, der, wie die täglichen Rennen, einem festen Terminkalendar folgt. Beim Nations Cup warten wechselnde Strecken und Fahrzeuge. Alle zwei Tage wechselt die Strecke und pro Tag gibt es mehrere Rennen dieser Veranstaltung. Nach Abschluss eines Rennens werden Punkte für die Gesamtstatistik vergeben. Der Manufactures-Cup folgt ähnlichen Regeln, allerdings muss man sich vor Beginn einer Saison für einen Hersteller entscheiden, dessen Boliden der Spieler ins Feld führt. Jedes Rennen während dieser Veranstaltungen setzt sich aus Training, Qualifikation und dem eigentlichen Punkterennen zusammen. Dadurch kommt echte Wettbewerbsatmosphäre auf, die jedoch störend sein kann, wenn man nur eine schnelle Runde zwischendurch drehen möchte, da doch relativ viel Leerlauf zwischen den Rennen stattfindet. Positiv anzumerken ist, dass es in dieser Disziplin deutlich längere Rennen zu bewältigen gilt. Zusammengefasst motivieren dieser Spielmodus durch eine direkte Rangliste und einem Gefühl von Wettbewerb auch während dem Spiel. 

Paint my Ride!

Anfangs wurde erwähnt, dass sich Lackierungen mit Meilen freischalten lassen. Verwendung finden diese Farben in einem eigenen Editior, der dazu genutzt werden kann, die Lackierungen und Logos des eigenen Autors oder des Overalls des Fahrers individuell zu gestalten. Trotz einer fummeligen Steuerung lässt dieser Editor keine Wünsche offen und ermöglicht eine umfassende Personalisierung des Fahrzeugs. Herausstechend ist die Möglichkeit, erstellte Lackierungen und Designs mit der Community zu teilen. Theoretisch hat der Spieler trotz künstlerischer Unfähigkeit einen unbegrenzten Fundus an Verschönerungen. In Zeiten von Mikrotransaktionen ist dieser Aspekt außerhalb des Gameplays eine nicht zu verachtene Stärke.

Überraschung des Spiels ist der eingebaute Scapes-Modus, der es erlaubt, vor realen Hintergründen und angenehm aus den laufenden Wiederholungen der Rennen Bilder aufzunehmen. Wer eine schlichte Knipsfunktion erwartet wird eines Besseren belehrt. Wie so oft in diesem Test, sollen auch an dieser Stelle die massiven EInstellungsmöglichkeiten angepriesen werden. Verschiedene Kameraeinstellungen, Effekte, Brennweite der Kamera, Unschärfeeffekte des Hintergrundes. All diese Möglichkeiten erfordern Einarbeitungszeit und für Spieler, die lediglich ein paar Runden drehen wollen, könnte er ein überflüssiges Beiwerk sein. Triumphale Momente der eigenen Rennen auf Bild zu bannen oder zwischen den Rennen seinen Traumboliden vor malerischer Kulisse in das richtige Licht zu rücken, ist aber nach Einarbeitungszeit eine erstaunlich spaßige Nebenbeschäftigung, die sich organisch ins Spiel einfügt.

Technik

Die Steuerung von Gran Turismo Sport lässt keine Wünsche aus. Die Bedienung ist nicht überladen und bietet zu jedem Zeitpunkt präzises Fahren. Optisch erzeugt das Spiel durchgehend eine glaubhafte Atmosphäre. Besonders im Punkt der Beleuchtung kann es überzeugen. Aber auch die Rennstrecken und die Boliden machen eine ausgezeichnete Figur. Vollständig modellierte Cockpits ziehen den Spieler weiter in die Rennatmosphäre hinein. Beim Sound hören sich die Boliden in den meisten Fällen durchaus glaubhaft an, wobei sich die Motoren stellenweise etwas steril anhören. Trotzdem wirken die Rennen realitätsnah und beim Betrachten der Wiederholungen aus dem eigenen Fahrersitz fühlt man sich nicht selten wie der größte Rennfahrer des Planeten. Das Spiel läuft durchgehend flüssig, unabhängig davon ob es auf der normalen PS4 oder der Pro gespielt wird. Einem spaßigen Rennen steht zumindest auf technischer Ebene daher nichts im Wege.