„Need for Speed” wird mittlerweile in einem zwei Jahre Zyklus entwickelt, weshalb wir uns seit kurzem wieder hinter die Boliden klemmen können und nach „Gran Turismo Sport” und „Project Cars 2” endlich Arcade-Action geboten bekommen. Ghost Games geht mit „Need for Speed Payback” wieder einige Schritte zurück und bietet eine typische offene Welt, die offline und mit einer Story aufwartet. Warum und wie die Entwickler aber einige Dinge verschlimmbessert haben, soll die folgende Review aufklären.

Unsympathen hoch Zehn

Noch bevor man überhaupt was machen kann, geht auch sofort die Geschichte los. Diese handelt von Ty, Jess und Mac, die auch mal abseits von den Gesetzen an Untergrund-Rennen und anderen Aktionen rund um Autos teilnehmen. Der große Coup ein teures und äußerst potentes Auto zu stehlen, wird aber von einem Mitglied des großen Kartells The House niedergeschlagen und bringt die drei Freunde auseinander. Mehrere Monate später als Sklave für den Milliardär Marcus Weir, den Ty und seine Kumpels bestehlen wollten, ist es an der Zeit Rache an dem Kartell zu nehmen.

Die Geschichte unternimmt keinerlei Mühen, um überhaupt eine Sekunde wirklich interessant zu sein. Weder die Charaktere selbst, die einfach nur arrogante, nervige, egozentrische Obercoole sind und keinen Moment vergehen lassen, um einen One Liner von den Lippen zu lassen, noch die Situationen, wie dramatische High-Speed Action mit vielen Explosionen, können so richtig überzeugen. Letztere sind tatsächlich schon das Highlight, das in der recht langen Geschichte von knapp zehn bis 15 Stunden auf einen wartet.

Peinliche Coolness

Immerhin toppt Ghost Games nicht das 2015 erschienene „Need for Speed” mit seiner peinlichen Coolness, aber die Cutscenes sind auch mit CGI-Figuren nicht weniger unansehnlich. Das liegt noch nicht einmal an der Wiedergabe-Technik, die hier und da mal für Ruckler sorgt, sondern auch an dem Stil selbst. Sowieso bietet das gesamte Spiel einfach nur ausgewaschene Farben und sieht aus, als wenn man einmal den Dreck-Filter darüber gelegt hätte. Dadurch wird das eigentlich spaßige Spiel unnötig düster gemacht und verdient eher ein Kopf schütteln als Lob. Besonders deutlich wird es, wenn man sich im Foto-Modus die anderen Filter anschaut. Dort gibt es manche, die das Spiel mit etwas mehr Farben ausstatten und gleich Lust darauf macht, die Welt so zu entdecken. Der Filter wird sogar im Spiel verwendet, wenn man in der Nacht Nitro verwendet und alles um einen herum bunter wird. Es gibt also gar keinen Grund, warum das Spiel nicht immer so aussieht. Sowieso hätte dem Spiel etwas weniger Pseudo-Coolness sehr gut getan.

Gutes Arcade-Gefühl

Wer sich jetzt denkt, das ist mir alles egal und ich brauche nur ein gutes Arcade-Fahrgefühl, der kann sich tatsächlich zunächst über „Payback” freuen. Denn das Fahren an sich is wirklich gelungen und es ist wie immer ein gutes Action-Rennspiel. Es hat zwar nicht viel mit Realismus zu tun, wenn man mit 200 km/h und Nitro durch die Kurven brettert, aber Spaß macht es allemale. Die Events sind in die fünf Kategorien Race, Off-Road, Drift, Drag und Runner eingeteilt, die dann jeweils mit den verschiedenen Typen der Autos die Eventkategorien Sprint, Rundkurse und spezielleres passend zum Typ vereinen. Dabei ist die Geschichte ganz klar in diese Kategorien eingeteilt, denn es müssen in der gesamten Stadt die Crews auf seine Seite gebracht werden, um letztlich am Outlaws Rush, dem großen Turnier von The House, teilzunehmen. Das Problem hierbei ist, mag man ein oder zwei der Typen überhaupt nicht, dann muss man entweder das Spiel gleich fallen lassen oder damit leben. Denn man wird gezwungen alle Quests in jeder Crew zu machen, um das Spiel durchzuspielen. 

Zähes Gummiband

Vor allem nervig wird es, wenn man die Missionen mehrfach wiederholen muss, da die Gummiband-KI mit ihrer hässlichsten Fratze einem das Spiel vermiest. Wenn man ein Rennen perfekt fährt, dann kann man sich sicher sein, dass gegen Ende die Gegner extra noch einmal einen Boost bekommen und einen beim Sprint am Ende wieder einholen. Im gleichen Atemzug gibt es Momente, wo die Gegner gefühlt extra stehen bleiben, bis man nach mehreren Crashes wieder aufgeholt hat. Das hat nichts mehr mit Autorennen zu tun, sondern ist einfach nur Nerven-zehrend. Zudem ist die KI so unbeständig in ihrem Fahrverhalten, dass es manchmal auch passiert, dass sie selbst mit Gummiband-Effekt einfach an Wänden hängen bleiben und somit das ganze Rennen über ausgeschaltet sind. Die Rücksetz-Punkte sind ebenfalls nicht perfekt gesetzt. Manchmal nach einem kleinen Crash wird man sofort mehrere Meter nach hinten versetzt und in anderen Momenten kann man sich überschlagen und munter weiterfahren. Diese kleinen spielerischen Macken, machen die ansonsten gute Arcade-Rennen etwas madig.

Spielbarer Action-Streifen

Ein zunächst als kurzweilig angenommenes Highlight von „Need for Speed Payback” sind die actionreichen Heists. In diesen dreht das Spiel voll zum cineastischen Erlebnis auf und bringt eine High-Speed-Jagd nach der anderen mit sich. Am Ende des Tages sind diese Missionen sehr rar gesät und eigentlich nur gescriptete Events in einer imposanten Abfolge. Man merkt, was Ghost Games damit erreichen wollte, aber so richtig will der Funke nicht überspringen, was vor allem mit den Cutscenes und den lieblosen Charakteren, die einem sowieso egal sind, zusammenhängt.

Langweilige Stadt

Hat man mal keine Lust auf eine Mission oder ist mit der Geschichte fertig, dann bleibt noch das frei befahrbare Paradise Valley. Die Stadt ist in sehr typische Gebiete mit anschließender Wüste unterteilt. Letztlich stellt sich die offene Welt aber als eines der schlimmsten Dinge in „Need for Speed Payback” heraus. Denn sie ist ohne Herz entstanden und bietet keinen Ort, an dem man Lust hat, diesen zu erkunden. Zwar gibt es sammelbare Gegenstände, wie Casino-Chips, Plakate und Auto-Teile sowie Rivalen, die für ein Rennen immer zu haben sind. Das alles ist aber so unnötiges Beiwerk, dass man gerne und oft die Schnellreise-Funktion nutzen wird. Dazu kommen immer wieder unnötige Begrenzungen, wodurch man nur selten Abkürzungen nehmen kann und brav die normalen Wege fahren muss. Hier hätte man sich eine Scheibe von „Burnout Paradise” abschneiden können, dessen offene Welt auch fast zehn Jahre später noch Spaß macht.

Die Lootboxen schlagen zurück

Hat man aber all das hingenommen, kommt das größte Problem zu Tage, das EA in diesen Tagen ganz tief in den Sympathie-Keller geschickt hat. Die Rede ist von den heiß diskutierten Loot-Boxen. Auch bei dem neuen Rennspiel finden diese ihren Weg ins Spiel und ohne kommt man nur sehr langsam voran. Diese beinhalten Geld, neue Speed-Karten-Tokens und visuelle Items, wie verschiedenfarbige Unterbodenbeleuchtungen oder Nitro-Effekte. Die letzten beiden Gegenstände führen dann auch direkt zum Tuning, das in „Payback” miserabel umgesetzt wurde, um es nett auszudrücken. Denn mit den Speed-Karten-Tokens kann man gegen drei Exemplare der Währung in einem Roulette Speed-Karten bekommen, die ein Level und bestimmte Werte haben. Immer eine Karte für jede der sechs Kategorien, wie Auspuff oder Motor, kann gleichzeitig eingesetzt werden. Eine Speed-Karte kann man auch direkt kaufen oder jeweils eine nach dem erfolgreichen Abschließen eines Events bekommen.

Ein normales Tuning-System wäre sehr viel eleganter gewesen, so verkommt das zu einem Glücksspiel bei dem man einfach nur grinden, grinden und noch mehr grinden muss. Wahrscheinlich wurde das extra so gemacht, denn man darf echtes Geld für Premium-Lootboxen da lassen, die bessere Items beinhalten, als die, die man für das Erledigen von Aufgaben oder das Erreichen von einem neuen Spieler-Level bekommt, was immer langwieriger wird. Wer also dem langen Grind Herr werden möchte, der muss in die Tasche greifen. Ein erwartbarer Schachzug von EA, den man aber als Spieler einfach nicht unterstützen sollte.