Endlich erreicht das Ende der Kazuma Kiryu-Saga den Westen. Die Rede ist natürlich von „Yakuza 6: The Song of Life“. Wir haben uns durch den Abschluss des Epos geprügelt und wollen euch im Folgenden zeigen, warum das Spiel trotz einiger Fehler immer noch verdammt gut ist.

Das Ende einer Legende

Kiryu, der befürchtete Drache des Dojima-Clan, steht nach dem fünften Teil der Reihe davor, ins Gefängnis zu gehen. Nach der Haftstrafe von drei Jahren kommt er aus dem Knast und sehnt sich endlich nach einem Leben in Frieden auf Okinawa, wo er das Waisenhaus Morning Glory führt – ehemals übersetzt im Westen als Sunshine Orphanage. Dort angekommen, erfährt er aber, dass seine Ziehtochter Haruka kurz nach seiner Verhaftung die Insel plötzlich verlassen hat. Um der Sache auf den Grund zu gehen, muss er nach Kamurocho und, dieses Mal neu, Onomishi in Hiroshima reisen. 

Damit beginnt eine Geschichte, die im Vorfeld als der Abschluss von Kiryus Saga betitelt wurde. Man kann dies auch so sehen und es bildet auch ein Ende für den Charakter, aber knallharte Fans, die auch einen Abschluss für andere Charaktere sehen wollten, die vor allem im vierten und fünften Teil enorm viel Zeit spendiert bekommen haben, werden leicht enttäuscht sein. Passend dazu wird man nur mit Kiryu spielen. Die meiste Zeit geht es um komplett neue Charaktere und deren Schicksale, die durch ein Event mit Kiryu und Haruka verbunden sind. Es ist dadurch recht einfach für Neueinsteiger oder auch Spieler, die nur „Yakuza Zero” oder „Yakuza Kiwami“ gespielt haben, die Geschichte ohne Probleme zu verstehen. Wer doch einmal Probleme hat, der sollte einfach die Ladebildschirme abwarten, denn dort werden viele Begriffe und Charaktere noch einmal kurz erklärt. Aber selbst wenn es für einen nicht der erwartete, fulminante Abschluss ist, ist die Geschichte wirklich spannend und bringt auch Kiryu zu einem Ende, mit dem man zufrieden sein kann.

Keine Textboxen

Man kann ganz klar erkennen, dass die Präsentation das war, was am meisten aufgebohrt wurde. Seit dem Anfang der Reihe hatte man verschiedene Arten an Cutscenes, aber viele der wichtigen Momente wurden auch in nicht vertonten Textboxen dargeboten. Das ist jetzt aber nicht mehr der Fall, wodurch es viel interessanter ist, der Geschichte und vor allem den Nebenmissionen zu folgen. Zwar sind die Gespräche bei den Animationen etwas steif, da sich neben dem Gesicht nur wenig bewegt, aber dadurch, dass alles vertont ist, ist es einfach sehr ansprechend. Die restlichen Cutscenes sind auf einem gewohnt hohem Niveau. Ebenfalls gelungen sind wie immer die Sprecher, die mit einer enormen Emotionalität die Geschichte vorantreiben und einen gerade in den stark emotionalen Momenten mitreißen. Auch ein oder zwei Tränchen dürfen in diesem ansonsten sehr Testosteron-getränkten Yakuza-Epos verdrückt werden.

Heruntergeschraubtes Kampfsystem

Große Neuerungen finden sich aber nicht nur bei der Präsentation, sondern auch in vielen anderen Aspekten des Spiels. Einer der großen Pfeiler des Gameplays ist der Kampf. Immer wieder trifft Kiryu auf Gegner, denen er ordentlich Backenfutter gibt. Vor allem in „Yakuza Zero“ war das Kampfsystem durch übertriebene Stile, wie Breakdancing, komplett drüber. Das ist jetzt alles viel weiter heruntergeschraubt, weshalb es nur wenige Schlag- und Tritt-Kombinationen sowie einige Ausweichmanöver und Konter gibt. Dazu kommen aber die typischen Heat-Aktionen mit denen man den Gegnern besonders stylish einen drüber gibt. Vor allem spaßig sind dabei die Interaktionen mit verschiedenen Objekten. Es gesellt sich aber auch ein neuer Heat-Modus hinzu. Mit diesem gibt man alle Heat Orbs aus, die man durch Schläge ohne selbst getroffen zu werden oder durch Medizin bekommt, und kann dann spezielle Combos auslösen, die in einem kurzen Quick Time-Event enden.

Damit die Kämpfe etwas spannender sind und auch über längere Zeit hinweg begeistern, muss man viele der Skills erst freischalten. Das macht man mit Punkten, die man einfach durch das Spielen bekommt. Egal ob Essen, kämpfen, Minispiele oder einfach bestimmte Story-Momente erledigen, für alles bekommt man Skill-Punkte in den Kategorien Stärke, Beweglichkeit, Geist, Technik und Charme. Diese kann man dann für Skills verwenden, die sich auf den Kampf, aber auch auf andere Aspekte, wie Kiryus Alkohol-Toleranz oder seinen Charme bei den Hostessen, auswirken. Insgesamt muss man aber sagen, obwohl die Kämpfe um einiges vereinfacht wurden und man nicht mehr ganz so viel Varietät hat, machen sie vom Gefühl und der Inszenierung her auch zwanzig Stunden später immer noch sehr viel Spaß. Hier stimmt das Grundgebilde einfach und macht an sich schon genug Spaß, wodurch man die vereinfachten Systeme verkraften kann.

Weniger Inhalt?

Vereinfacht ist auch ein gutes Stichwort bei den Minispielen. Denn das ist eigentlich zumindest am Anfang die große Enttäuschung bei „Yakuza 6“. Die Serie steht für einen Ideenreichtum und eine Vielfalt bei den Minispielen, wie kaum eine zweite. Startet man das Spiel aber und läuft die ersten Stunden in Kamurocho herum, dann macht sich Ernüchterung breit. Wo sind Bowling, Billiard, Glücksspiele oder die Arena hin. Auch für Mehrspieler gibt es „nur“ noch Puyo Puyo und Virtua Fighter 5 Showdown. Das ist zwar eine echt gute Auswahl an Sega-Spielen und sie machen natürlich sehr viel Spaß, aber eine kurze Runde der anderen Minispiele lokal gegeneinander vermisst man vergeblich. 

Wenn ein Yakuza im Internet-Café sitzt

Zwar tuen die fehlenden Minispiele wirklich weh, aber dafür gibt es auch wieder einige neue oder manche wurden erweitert. Wenn man mit Kiryu im Internet-Café sitzt und sich sexy Live-Chats anschaut mit echten Schauspielerinnen oder auf Jagd nach Fischen in einem Rail-Shooter geht, dann macht das Ganze enorm viel Spaß. Das Spiel schafft es enorm gut in all dem Ernst der Hauptgeschichte so einen Charme und Witz hineinzubringen, dass man einfach an den Controller gefesselt wird. Man muss aber ein wenig danach suchen, denn am Anfang sind viele der Minispiele gar nicht auf der Karte eingezeichnet, sondern man muss diese erst einmal über eine Nebenmission freischalten. Das Ganze geht sogar so weit, dass sogar mehrere Minispiele komplett versperrt bleiben können, wenn man halt mal nicht diese eine Nebenmission abgeschlossen hat. Das Spiel motiviert einen aber dadurch, auch mehr die Welt zu erkunden. Gerade in Onomichi sollte das gemacht werden, da ein enormer Teil des Ortes erst nach und nach dadurch freigeschaltet wird. Ansonsten enttäuscht die Stadt nämlich durch ihre Größe und vor allem auch die wenigen Freizeit-Aktivitäten sowie Shops.

Abgedrehte Geschichten

Deshalb sind die Nebenmissionen ein weiterer wichtiger Aspekt, den „Yakuza 6“ bietet. Die kleinen Story-Sequenzen werden fast immer dadurch ausgelöst, dass man zu einer bestimmten Uhrzeit an einen bestimmten Ort geht. Dort wird dann ebenfalls komplett vertont in manchmal langwierigen Gesprächen der oft simple Sachverhalt erklärt. Leider sind die Missionen fast immer super eintönig gestrickt. Entweder man muss das Minispiel erfolgreich beenden und schaltet dieses danach frei oder man geht zwischen verschiedenen Punkten linear hin und her, bis man sich letztlich prügelt. Aber das kann man ein wenig verkraften, da es wirklich sehr abgedrehte Geschichten gibt, die man da erleben kann und am Ende schaltet man sehr oft auch irgendwas frei oder bekommt einen Ausrüstungsgegenstand.

Der Strategie-Clan

Wie schon bei „Yakuza Zero“ hat man dieses Mal wieder einen großen Zeitvertreib mit komplett eigener Geschichte eingebaut. Im Clan Creator muss Kiryu seine eigene Gang aus Rowdys erstellen, die den Kampf gegen die Gruppe JUSTIS antritt. Diese wurde einst gegründet, um den verschiedenen Gangs in Kamurocho entgegen zu treten. Das ging nach hinten los und JUSTIS wurde selbst zu einer solchen Gang und sorgt für Angst und Schrecken auf den Straßen, alles im Namen der Gerechtigkeit. Den eigenen Clan erstellt man dann aus anderen Rowdys, die man so im Spiel und in Nebenmissionen kennenlernt oder nutzt einen der Codes, die man im Internet findet. Diese setzt man dann ein und erstellt sich ein Strike Team. Damit startet dann in den über 32 Missionen ein recht einfaches Echtzeitstrategie-Spiel bei dem man eine sich automatisch regenerierende Ressource verwendet, um die eigenen Mitglieder auf die Gegner los zu schicken. Insgesamt ist dies aber ein bisschen zu simpel, als dass man es länger als über die Geschichte hinaus spielt. Es gibt keine richtige Taktik sondern es reicht meist, den Gegner einfach nur mit der eigenen Truppe zu übermannen. Zudem kann der Clan Creator auch online gespielt werden, was für einen weiteren Zeitvertreib sorgt. Leider ist das aber auch alles, was der Modus ist, trotzdem hätte man in anderen Spielen so etwas auf keinen Fall als Zusatz geboten bekommen.

Unglaublich gute Präsentation mit Macken

Wie bereits erwähnt, ist die Präsentation des Spiels einfach klasse gelungen. Das liegt auch an der guten Qualität der Gesichter, die ansonsten den Rest der Charaktermodelle wieder gut machen. Auch die Umgebung selbst ist vom Detailgrad unglaublich gut gelungen und erstrahlt in einer ungeahnten Form. Besonders genial sind die fehlenden Ladezeiten zwischen der Straße und den Gebäuden. Man kann einfach jederzeit und selbst in Kämpfen, in einen Laden oder ein Restaurant rein und dort für Unruhe sorgen. Das ergibt ein unglaublich stimmiges Gesamtbild und bringt den Spielspaß auch wieder nach vorne, da man herausfinden möchte, wie weit man das treiben kann. Ein wenig Schade ist da die technische Umsetzung. Denn das Spiel flackert durch schwaches Anti-Aliasing im Hintergrund auf der Standard PS4 sehr oft vor sich hin und macht den ansonsten guten optischen Eindruck etwas zunichte. Dazu gesellen sich noch ständige Ruckler und Screen Tearing, die ebenfalls unschön sind. Typisch bekommt man fetten Elektro-Rock-Sound auf die Ohren, der vor allem bei den Bossen unglaublich aufdreht und einen auf den Kampf einstimmt. Aber auch in ruhigen und emotionalen Momenten trifft der Soundtrack genau die richtigen Töne.