Der „God of War“-Reihe wurde schon vor vielen Jahren vorgeworfen, dass die Formel komplett abgenutzt ist und nichts neues mehr bietet. Nach fünf Jahren Entwicklung ist jetzt der neueste Teil für die PlayStation 4 erschienen und macht einfach alles neu. Ob Kratos in der nordischen Mythologie zur Höchstform auflaufen kann, zeigt die folgende Review.

Nordisches Gemetzel

Die Geschichte ist ein integraler Teil von „God of War“. Einige Jahre nach „God of War 3“ angesiedelt, trifft man wieder auf Kratos, der sich nun in einem Land voller nordischer Götter, Giganten und anderen Lebewesen wiederfindet. Dort hat er auch ein Kind, namentlich Atreus, mit seiner neuen Frau und eigentlich könnte es für den immer grimmigen Mann kaum besser sein. Aber direkt zu Beginn startet man in ein tragisches Ereignis und wird daraufhin auf eine Reise zum höchsten Punkt aller Welten geschickt. Damit beginnt eine Talfahrt der Gefühle, die bereits in den ersten Minuten für Begeisterung, Gänsehaut, Mitgefühl und Anspannung sorgen kann. 

Kratos als mitfühlender Vater?

Genau das ist es, was das Spiel in seiner Atmosphäre ausmacht. In den Vorgängern war einem Kratos und sein Schicksal fast egal, da er einfach nur der grimmige, blutrünstige Schlächter war, der alles und jeden in seinem Weg umgebracht hat. Jetzt aber versucht er, die ganze Wut in Schacht zu halten und seinem Sohn einen Weg zu zeigen, den er selbst nie gegangen ist. Die Bindung zwischen Kratos und Atreus ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Alles, was im Spiel passiert, hängt mehr oder weniger mit den beiden zusammen und zeigt, wie dynamisch die Beziehung ist. Keine der Situationen fühlen sich dabei künstlich konstruiert an sondern entstehen aus der Welt und den äußeren Umständen. Dadurch wirkt die Geschichte viel glaubhafter und man kann letztlich mit Kratos, einem Charakter, der einem vorher eigentlich egal war, komplett mitfühlen. Diese 180 Grad-Wendungen ziehen sich sowieso durch jedes Element des gesamten Spiels und machen „God of War“ zu einem Franchise-Neustart, wie man ihn vorher noch nie gesehen hat.

Ein offener Gott des Krieges

Ein wichtiger Punkt ist auch die Welt an sich. Denn hier hat man kein lineares Spiel mehr vor sich, sondern eine offene Welt, die nur so vor Fantasie strotzt. Jede Region hat ihre ganz eigene Vegetation, wodurch sich das Spiel immer anders anfühlt. Dazu kommen massive Bauten, wodurch die gesamte Welt um einen herum riesig wirkt. Man bekommt ein Gefühl dafür, dass alles, was dort passiert auch seine Gründe hat. Es ist alles in sich geschlossen eine Welt, die nach ihren eigenen Regeln Sinn ergibt. Man hinterfragt nicht, warum etwas passiert, sondern denkt sich eher, was daraus die Konsequenz sein könnte. Ein weiterer Anteil, warum die Welt näher und glaubhafter wirkt, ist auch der Kamera-Wechsel.

Kämpfe auf hohem Niveau

Vorbei ist die Zeit bei der man Kratos mit fixen Kamerawinkeln durch die Bauten gehetzt hat und einfach solange die Knöpfe gedrückt hat, bis sie aus dem Controller geflogen sind. Man verfolgt ihn jetzt aus einer klassischen Third Person-Ansicht. Sowieso ist das ganze Spiel weg von dem Hack ‘n‘ Slay-Genre hin zu einem waschechten Action-RPG gewechselt. Das zeigt sich auch im Kampfsystem, das kaum hätte besser sein können. Anstatt seine Chaosklingen hat Kratos jetzt eine Axt zur Hand, mit der er weiterhin ordentlich austeilen kann. Dazu kommt, dass man frei wählen kann, ob man nun mit der Axt, die man auch werfen kann, oder doch mit bloßen Fäusten zu schlagen möchte. Jede Option kann mit Skills, die man per Erfahrungspunkte kauft, erweitert werden. Es macht Sinn seine Taktiken und Kampfstile je nach Gegner-Typ abzuwandeln und mit den Mechaniken zu experimentieren, denn das Spiel zieht mit dem Schwierigkeitsgrad gnadenlos an und man muss schon genau wissen, wann man offensiv und wann man defensiv spielen sollte.

Mit diesem Perspektiv-Wechsel wurde der Kampf im ersten Moment gefühlt auch etwas langsamer. Findet man sich aber in alle Mechaniken hinein, was ein paar Stunden dauern kann, und kauft sich erste Skills, dann eröffnet sich einem ein unglaublich belohnendes Kampfsystem. Man freut sich regelrecht auf den nächsten Kampf und will immer wieder was neues ausprobieren. Bis zum Ende des Spiels bleibt der Kampf frisch und man hat auch dreißig Stunden später noch nicht genug davon. Dazu kommt, dass sich dann auch die Spielgeschwindigkeit erhöht, da man selbst genau weiß, was man wie einsetzen muss. Ein Teil der Faszination kommt auch aus der Wucht, die der Kampf bietet. Wenn Kratos mit der Axt zuhaut oder diese wirft, dann zeigt sich das auch am Gegner, der mehrere Meter hoch in die Luft geschleudert wird.

Eine belohnende Welt

Abseits der Kämpfe und den Hauptmissionen bereist man eine riesige Welt von der man nur einen Bruchteil mitbekommt, wenn man nur dem normalen Weg folgt. An jeder Ecke gibt es ganze Orte, Nebenmissionen und Events zu entdecken, die die Welt noch faszinierender machen. Man wird ständig dafür auf kleine und manchmal auch größere Weise belohnt, sich alles genau anzuschauen und keinen Ort unangetastet zu lassen. Zudem ist dies auch die beste Möglichkeit, um an Ressourcen für das Aufleveln von Kratos Rüstung sowie Waffen zu kommen. Denn nur einen Bruchteil bekommt man über den normalen Weg, wodurch man sich das Spiel ein bisschen schwerer macht, wenn man nur der Geschichte folgt. Aber wiederum ist es ein sehr guter Anreiz, auch abseits etwas mehr zu erkunden, die Ausrüstung aufzubessern und neue Geschichten innerhalb der Welt zu entdecken.

Ein guter oder schlechter Begleiter?

Wichtig zu erwähnen ist auch noch einmal die Rolle von Atreus im Spiel selbst. Als stetiger Begleiter hat er natürlich zunächst einmal das Stigma, nervig und unnötig zu sein. Das ist hier aber nicht der Fall, denn im Kampf unterstützt er direkt durch Knopfdruck Kratos mit Pfeilen. Interessant ist dabei, dass man damit Gegner in Juggle-Combos halten kann und auch im späteren Verlauf gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, wie Atreus direkt auf den Kampf positiv Einfluss nimmt. Abseits davon bringt er viel Emotionalität mit ins Spiel, wodurch auch Kratos immer weiter charakterisiert wird. Zudem hat er einige Story-Momente, in denen er bestimmte Ereignisse erlebt, was sich dann wiederum direkt in seinem Kampfstil zeigt. Diese Dynamik macht Atreus zu einem willkommenen Begleiter und lässt den Spieler auch immer wieder die Frage stellen, wie wohl der Junge auf die nächste Situation reagiert.

Meisterliche Inszenierung

Innerhalb der „God of War“-Reihe war natürlich auch die Inszenierung immer ein wichtiger Aspekt. Diese wurde jetzt noch einmal komplett innoviert und ein sehr ambitioniertes Konzept wurde perfekt umgesetzt: keine Schnitte. Egal ob vom Gameplay zu Cutscenes, wieder zurück oder auch innerhalb von beidem – die Kamera wird immer drauf gehalten. Selbst Ladebildschirme gibt es nur beim ersten Start oder wenn man gestorben ist. Der einzige Schnitt ist dann, wenn man in die Menüs geht, was aber so besser ist, da es auf andere Arten wahrscheinlich nicht so gut funktioniert hätte. Durch dieses Konzept wirkt die Action viel näher und kann gerade in den Cutscenes imposanter wirken, als es zuvor je gemacht wurde. Man ist von Anfang an voll dabei und ist davon gefesselt, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um das Ziel zu erreichen. Dem gesamten Team ist hier ein inszenatorisches Meisterwerk gelungen, an dem sich cineastische Erlebnisse in Zukunft messen müssen.

In Erstaunen versetzt

Meisterlich ist auch der Rest der Technik. Selbst auf der Standard PS4 wird ein unglaublich hübsches Bild in 1080p mit angepeilten 30 FPS wiedergegeben. In Angesicht an die enorm vielen technischen Elemente, wie die Partikel, Licht-Effekte, Texturen, Materialien etc. ist es verzeihbar, dass die Framerate immer wieder etwas herunter geht. Das Spiel bleibt immer spielbar und man wird trotzdem in Erstaunen versetzt, dass ein Titel mit einer solch gigantischen und aufwendigen Welt ohne Ladezeiten auf der PS4 überhaupt läuft. Nur Freunde von leiser Hardware werden ein wenig Angst um ihre Konsole haben, denn zumindest bei uns hat die PS4 doch von Zeit zu Zeit ordentlich Schwitzen müssen. 

Perfekt abgemischt

Dazu kommt ein Soundtrack, der das gesamte Erlebnis komplettiert. In der Abmischung werden in den Cutscenes die Tracks, die sowieso schon alleinstehend absolut umwerfend sind, untereinander gemischt, wodurch die Szenen verschiedene Gefühle über die Musik zum Ausdruck bringen. Vor allem in den Vater-Sohn-Sequenzen, wo ständig zwischen den lauten und brachialen Tönen Kratos und den sanften sowie naiven Klängen Atreus hin und her geschaltet wird. Der Soundtrack klingt komplett anders als das, was man bisher hören konnte in der Reihe, rundet dadurch aber ein Spiel ab, das sowieso das gesamte Franchise auf den Kopf gestellt hat.