Viele Medien beschäftigen sich mit der Thematik von Androiden, die die Arbeit für Menschen übernehmen und am Ende ihre eigene Identität hinterfragen. Genau diese Thematik nimmt sich auch „Detroit: Become Human“ vor, das neue Machwerk des französischen Studios Quantic Dreams. Ob das Sci-Fi-Abenteuer aus der Feder von David Cage seinen Ansprüche gerecht wird, zeigt die folgende Review.

Hilfsandroide im Alltag

Es ist das Jahr 2038 und jeder mit genug Kleingeld besitzt einen Androiden. Mittlerweile ist es sogar so weit gekommen, dass viele Teile des Alltags von Androiden übernommen wurden. Das hat zur Folge, dass viele Menschen ihren Job verlieren, auf den Straßen protestieren oder ihre Probleme mit Drogen zu verdrängen versuchen. In den letzten Monaten haben sich aber die Vorfälle gehäuft, dass die Maschinen von ihrem Programm abweichen und anfangen, Emotionen zu entwickeln. In dieser Situation übernimmt der Spieler die Rolle von Kara, einem Haushalt-Androiden, Marcus, der einem alternden Künstler unter die Arme greift, sowie Connor, einem Prototypen, der von der Firma Cyberlife, die die Androiden erstellt, geschickt wurde, um der Polizei bei den Untersuchungen mit Abweichlern zu helfen. 

Interessantes Setting voller Klischees

Daraus ergibt sich zunächst ein sehr interessantes Setting. Dieses bleibt aber gerade gegen Ende doch sehr durch typische Klischees rund um Rassenthematik hinter seinem eigenen Potential. Man bemerkt an vielen Stellen, wie sehr mit dem Vorschlaghammer auf das Thema gehauen wird. Dadurch verliert man doch schneller als nötig Interesse am Spiel und auch einige der Endings hinterlassen keinen Eindruck auf den Spieler, wie man es erwarten würde. Was wirklich schade ist, denn die einzelnen Szenen bereiten Spaß und mit „Detroit: Become Human“ hat Quantic Dream nach „Beyond: Two Souls“ es endlich wieder geschafft, dass man sich bei seinen Entscheidungen ernste Gedanken macht und auch um seine Hauptcharaktere bangt. Zudem gibt es viele Szenen, die tatsächlich komplett anders verlaufen, je nachdem was vorangegangen ist. 

Bedeutsame Entscheidungen

Die wohl größte Neuerung, die am meisten Sinn ergibt, ist das Flowchart. Nach jeder Szene bekommt man aufgeschlüsselt, welche Entscheidungen man genommen hat und kann sehen, welche es noch gegeben hätte und wie viele Abschlüsse der Szene es geben kann. Viele der Sequenzen starten auch passend dazu, was man vorher gemacht hat, völlig anders. Manchmal können basierend darauf, was man mehrere Kapitel zuvor gemacht hat, Charaktere aufeinander treffen oder eben auch nicht. Man hat fast immer das Gefühl, dass die Welt auf die Entscheidungen sinnvoll reagiert. Zudem schafft es Quantic Dream erneut, dass sich ein Durchgang allein basierend auf den Entscheidungen stimmig anfühlt, obwohl es so viele Wege gibt, die man hätte einschlagen können. Dazu kommt dann eben das Flowchart, mit dem man im Nachhinein noch einmal bestimmte Entscheidungen sich anschauen kann und eine gewisse Ahnung hat, wie man dahin kommt, ohne einen Guide nutzen zu müssen.

Stumpfe Charaktere

Abseits der Entscheidungen fühlt sich das Spiel dann aber doch wieder typischer für Quantic Dream an. Die Charaktere selbst können einen abseits von Karas Geschichte nicht weniger egal sein und lösen beim Spieler kaum Emotionen aus. Auch die großen emotionalen Momente können eigentlich nur selten richtig überzeugen. Das kann man bei Connor noch als Stilmittel ansehen, aber Marcus Geschichte rund um die Revolte der Androiden fesselt kaum. Das ist dann auch einer der Gründe, warum das Ende des Spiels so gut wie nie einen mitreißt. Auch wenig emotional sind die menschlichen Charaktere, die ebenfalls eher Beiwerk sind und nicht wirklich viel zur Gesamtgeschichte beitragen. Wie so oft bei David Cage ist alles derart dick aufgetragen, dass man es stellenweise nicht mehr ernst nehmen kann, was schade ist, denn die meisten Schauspieler machen einen sehr guten Job und gerade Valerie Curry als Kara kann einem zum Mitgefühl anregen. Alle anderen Charaktere bleiben durch die zu klischeebehafteten Pfade, die sie gehen, hinter den Erwartungen zurück.

Action per Quick Time-Event

Ferner muss man auch wie immer Lust auf Quick Time-Events haben. Denn davon gibt es wieder verdammt viele und sie nutzen den gesamten DualShock 4 aus. Seien es die Tasten, der Analogstick, die Bewegungssteuerung oder das Touchpad. Während die ersten beiden Arten sehr gut funktionieren, können die letzten beiden vor allem in der Hektik auch mal versagen, was nicht direkt zu einem Verlust eines Charakters führt, aber trotzdem ärgerlich ist. Ansonsten ist das Gameplay sehr minimalistisch ausgefallen, denn man bewegt sich im Grunde in abgesteckten Gebieten und kann dann nur mit vorgegebenen Elementen interagieren. Dabei gibt es manchmal Szenen, in denen man alles untersuchen kann, und in anderen Fällen hat man ein Zeitlimit. Alle drei Protagonisten können in einen Detektiv-Modus wechseln, in dem man die Interaktionsmöglichkeiten um einen herum direkt einsehen kann. Dadurch läuft man zum Glück nie blind herum und findet auch alles, womit man interagieren kann.

Durch die Entscheidungen motiviert

Insgesamt ergibt sich spielerisch ein Abenteuer, das genau den Erwartungen entspricht. Aber es wird aufgewertet durch richtig viele Entscheidungen, die auch einiges verändern können. Denn neben den direkten Entscheidungen können diese auch die Beziehungen zu bestimmten Charakteren und der Menschheit an sich beeinflussen. Hat man einen bestimmten Status, egal ob positiv oder negativ, werden verschiedene Wege, Dialogoptionen und mehr freigeschaltet, die sonst nicht möglich sind. Dadurch kann man dem Spiel am Ende doch einiges verzeihen, was unter anderem das nicht voll ausgereizte Setting und die etwas unterentwickelten Charakter beinhaltet. Die Entscheidungen, die in der Vergangenheit sonst immer wieder ein großes Problem waren und hinter den Erwartungen blieben, fühlen sich bei „Detroit“ endlich richtig an. Zudem kann es etwas mehr motivieren, manche Kapitel noch einmal zu spielen, oder man bleibt zufrieden mit seinem ersten Durchgang, der in sich meist stimmig ist.

Inszenierung mit Rucklern

Wenn man über „Detroit“ spricht, darf man eines nicht vergessen: die sehr gute Inszenierung. Von der ersten Sekunde an gibt es, unabhängig von der Kameraeinstellung, immer wieder Momente, in denen man vergisst, dass es sich um ein Videospiel handelt. Gerade durch die Lichteffekte, die Umgebungstexturen und die Kamerafahrten gerät man ständig in ein Staunen. Spätestens dann aber, wenn die doch recht häufigen Framerate-Einbrüche – in diesem Fall auf der Standard-PS4 – auftreten, wird man aus der Immersion gerissen. Das Spiel sieht aber wirklich toll aus und da das Spielgeschehen eher langsam ist und das Spiel bei den Action-Szenen nicht ins Straucheln kommt, kann man die Einbrüche verkraften. Dazu kommt ein Soundtrack, der perfekt an die drei Charaktere und deren Charakterzüge angepasst ist. Sehr schön ist hierbei auch, dass den Protagonisten je ein Komponist zugeteilt wurde, die zusammen ein Gesamtwerk ergeben, das wiedererkennbar ist.