Lange mussten die Fans warten, doch es hat sich gelohnt. Das legendäre „Shenmue” sowie der Nachfolger erscheinen in HD-Optik für die PlayStation 4. Doch sind die fast 20 Jahre alten Titel auch heute noch gut spielbar? Wir sagen es euch!

Legendär

Im Jahre 1999 erschien ein bis dahin einzigartiges und überaus ambitioniertes Spiel. „Shenmue” stellte laut Sega eine neue Art von Videospiel dar, die heutzutage meist mit Open World betitelt wird. Doch die Welt war nicht nur offen, sondern auch sehr detailliert. Die Bewohner gingen der Spiel-internen Uhrzeit entsprechend ihrem Tagesablauf nach. Läden und Restaurants hatten ihre Öffnungszeiten. Mit allen Menschen konnte man ein Gespräch anfangen. Viele davon kannte Protagonist Ryo und sprach sie mit Namen an, manche hatten grade keine Zeit, einige wenige reagierten gar wütend auf das ungewollte Gespräch. Viele Häuser ließen sich betreten, an Spielautomaten konnte man echte 8bit-Videospiele spielen, und aus dem Getränkeautomaten eine Limo ziehen. Vieles davon mag aus heutiger Sicht banal klingen, doch selbst wenn man jetzt zum ersten Mal mit „Shenmue” in Berührung kommt wird man sich eingestehen müssen, dass all diese Faktoren zusammen ein unglaublich stimmiges Gesamtbild abliefern, dem man sich kaum entziehen kann.

Unendliche Geschichte

Doch erstmal zurück auf Anfang. Im ersten „Shenmue” wird Kampfsport-Schüler Ryo Zeuge, wie sein Vater von Lan Di umgebracht wird. Das Ziel ist damit schon klar: Rache. Da ihm sowohl der Mörder als auch seine Begleiter völlig unbekannt sind, zieht er los und befragt die Leute. Dies ist auch schon der größte Haken am ersten Spiel, denn es fängt erst einmal sehr zäh an. Man fragt sich durch, wird zum nächsten Hinweis geschickt, und von dort aus wieder weiter. Auch wenn man schon zu diesem Zeitpunkt einige Nebenaufgaben erledigen kann wird man hauptsächlich durch die faszinierende Spielwelt bei der Stange gehalten. Und an dieser Stelle müssen wir für den Rest dieses Absatzes vor Spoilern warnen, jedoch gehört eine vage Beschreibung der weiteren Ereignisse nicht zuletzt wegen des zweiten Teils dazu. Am Ende seines ersten Abenteuers in der Heimat Japan hat Ryo noch nicht all seine Fragen geklärt. Die Fortsetzung spielt dann lobenswerterweise an einem ganz anderen Ort, nämlich Hong Kong, und bietet darüber hinaus auch von Anfang an ein deutlich runderes Spielerlebnis. Durch das neue Setting wird nicht nur optische Abwechslung geboten, auch die Menschen, Ereignisse und mehr sind an die größere Stadt angepasst. Nur bei wenigen Spielereihen kann man so sehr empfehlen, den zweiten Teil ohne Pause direkt nach dem ersten zu spielen. Doch auch hier nehmen wir vorweg, dass die Geschichte nicht zum Abschluss kommt. Glücklicherweise ist „Shenmue III” zum Zeitpunkt der Veröffentlichung das Doppelpacks bereits weit in der Entwicklung voran geschritten.

Verbesserungen

Sollte man dennoch nach dem Anspielen des ersten „Shenmue” frustriert den DualShock zu Seite legen, weil man einfach mehr Komfort, zum Beispiel durch die hakelige Steuerung oder die fehlende Karte der Umgebung, gewohnt ist, sollte man Teil 2 starten. Kritikpunkte des Erstlings wurden erkannt und konsequent verbessert. Während man in Japan noch vor den Läden warten musste, bis sie öffnen, darf man in Hong Kong in der Zeit nach vorne Springen. Und auch das Pacing wurde deutlich verbessert. Der langatmige Einstieg in Ryos Heimat mit dem ewigen nach Hinweisen fragen ist passé, dafür bekommt man sehr früh eine toll inszenierte Verfolgungsjagd zu Fuß, die für mehr Abwechslung sorgt - und das trotz Quick Time Events!

Glaubwürdig

Auch aus heutiger Sicht wird man wird sich mehr als nur einmal wundern, was alles möglich ist, und wie glaubwürdig die Welt ist. Anstatt dass alle Türen verschlossen sind, kann man auch mal im Hinterhof eine Wohnung betreten, eine Treppe hoch gehen und findet dann ein paar Männer, die in Ruhe eine Partie Go spielen wollen. Im Geshapon-Automaten wackeln die Kugeln, während Ryo am Hebel dreht, und die Jukebox spielt nicht einfach den gewählten Song, sondern befördert erst die Platte unter die Nadel. Die Anzahl solcher Details ist auch aus heutiger Sicht mehr als nur beachtlich. Trotz der veralteten Technik dauert es nicht lange, und man taucht tief in die Welt des Spiels ein.

Unwürdig

Leider hat Sega bei der technischen Überarbeitung nicht so viel Aufwand betrieben, wie die beiden Titel verdient hätten. Natürlich wird jetzt HD-Auflösung und ein 16:9-Bild geboten, aber besonders im Bereich der Texturen und Charakter-Modelle wird man mit verzogenem Mundwinkel an anderer HD-Remakes denken, wo selbst deutlich unwichtigere Titel mehr Liebe erfahren haben. Schlimmer noch, es haben sich sogar ab und an technische Bugs wie Clipping-Fehler oder flackernde Schatten eingeschlichen, die es im Original nicht gab. Zuletzt stellt sich noch die Frage, warum die englische Sprachausgabe immer noch so schlecht ist wie vor 20 Jahren. Durch die Kompression hört es sich an, als hätte sich das Mikrofon bei den Tonaufnahmen in einem verschlossenen Pappkarton befunden. Ob Sega die unkomprimierten Dateien nicht mehr zur Hand hatte oder aber wie auch bei der Technik zu faul war, hier ein wenig Arbeit rein zu stecken, wird wohl deren Geheimnis bleiben. Im zweiten Teil klingt es immerhin ein wenig besser, und wer noch empfindlichere Ohren hat, sollte zur technisch besseren japanischen Tonspur greifen.