Die Weltpolitik wird von einer geheimen Organisation und einem Netzwerk aus Korruption beeinflusst. Verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit agieren Geheimdienste und ihre Agenten in diesem Sumpf und versuchen die Machenschaften aufzudecken. Hinter jeder Ecke lauert der Feind und eigentlich kann niemandem getraut werden. Inspiriert von „XCOM“ nutzt „Phantom Doctrine“ die klassische Prämisse des Agententhrillers und wirft den Spieler in den Kalten Krieg. Was hinter dem ganzen steckt und ob hinter der Verschwörung auch Spielspaß verbirgt, klärt das folgende Review.

Alles nach Lehrbuch

Bevor „Phantom Doctrine“ den Spieler in die Wirren des Kalten Krieges wirft, muss zunächst die Seite gewählt werden. Soll die Kampagne aus der Sicht der CIA oder des KGB gestartet werden? Abhängig von der Wahl läuft die Handlung mit unterschiedlichen Charakteren und Missionen ab. Werden beide erfolgreich abgeschlossen, kommt eine weitere Fraktion hinzu. Quantitativ bietet „Phantom Doctrine“ mehr als genug Spielzeit für den Taktikfan. Die Ausgangssituation der Handlung könnte nicht klassischer sein. Während einer Mission in Pakistan entdeckt das Agententeam einen Nuklearreaktor, der dort eigentlich nicht stehen sollte. Zunächst kommen die Spione einem Schmugglerring auf die Spur, der die sensiblen Bauteile an den Meistbietenden verkauft. Typisch für das Genre kommt man schnell einer größeren Verschwörung auf die Spur, die Finger der Beholder-Initiative reichen bis in die höchsten politischen Institutionen. Die Geschichte lässt kein Klischee des Genres aus. Regelmäßig werden Informationen gestohlen, Verstecke infiltriert und Spuren verschleiert. Nach dem Tod eines Verbindungsmannes geheime Informationen aus seinem Zahn stehlen? Check! Gefangene Agenten befreien und später herausbekommen, dass es sich um einen Doppelagenten handelt? Check! Von höheren Mächten als Verräter eingestuft werden und von eigenen Agenten verfolgt werden? Check! Die absurde Dichte an Klischees ist aber eigentlich kein gravierendes Problem, ist das gesamte Genre doch eigentlich ein einziges Klischee. Das Gefühl der Zeit und des Genres wird perfekt getroffen und nach wenigen Spielminuten fühlt man sich tatsächlich wie der Leiter seines eigenen Geheimdienstes. Die Handlung kann über die Dauer jedoch nicht mit Figuren punkten, die dem Spieler wirklich ans Herz wachsen. Alles ist zwar stimmungsvoll, jedoch auch austauschbar und unbedeutend. Zusätzlich wird die Handlung schnell unnötig verwirrend und überladen. Hinzu kommt, dass die Inszenierung über kurze Texteinblendungen und Animationen nicht mitreißen kann. 

Agent oder Manager?

Angelehnt an das offensichtliche Vorbild „XCOM“ verwaltet der Spieler zwischen den Gefechten seine Geheimbasis. Über eine aktive Weltkarte koordiniert man die globalen Einsätze seiner Agenten. Zellen der Verschwörer aufdecken, Informanten aushorchen oder verdächtige Aktivitäten untersuchen, jede dieser Aufgaben verbraucht eine festgelegte Menge an Zeit. Tauchen Verschwörerzellen auf, können diese zunächst ausgekundschaftet werden. Agiert der Spieler schnell genug, kann er die Aktivität ohne Kampf beenden und möglicherweise Informationen über feindliche Agenten oder Missionen erlangen. Neben dieser übergeordneten Mechanik muss natürlich die eigene Geheimbasis organisiert werden. Zusätzlich zu klassischen Bereichen wie der Erforschung neuer Upgrades oder den Verbesserung der eigenen Agenten sticht die Informationsanalyse heraus. Dokumente, die in Missionen oder durch Informanten auf der Weltkarte gefunden werden, müssen im Analysezentrum bearbeitet werden. Aus geschwärzten Dokumenten müssen Schlüsselwörter herausgearbeitet und anschließend die Verbindungen markiert werden. Spielerisch ist die Aufgabe relativ belanglos, da die Suche nach den Schlüsselwörtern niemanden überfordern sollte. Allerdings fühlt es sich einfach spaßig an, wie in einem Agentenfilm vor seiner eigenen verworrenen Pinnwand zu stehen, auf der eine Masse an Fotos und Dokumenten befestigt sind. Aufgelockert wird das Makro-Gameplay an der Weltkarte durch Einblendungen, in denen der Spieler eine Entscheidung treffen muss. Zum Beispiel wurde in den eigenen Reihen ein Doppelagent aufgedeckt. Soll er verhört oder lieber direkt ausgeschaltet werden? Die Entscheidungen haben direkten Einfluss auf den weiteren Spielverlauf. Exekutiert man den scheinbaren Verräter, könnte herauskommen, dass er ein Doppelagent der CIA war, wodurch seine wichtigen Informationen verloren gegangen wären.

Doppel-Agent

Die Verschwörer schlafen jedoch nicht. Lässt der Spieler Verschwörerzellen zu lange agieren, wächst der Gefahrenwert. Überschreitet er einen gewissen Wert, wird die eigene Basis entdeckt und der Standort muss gewechselt werden, was wertvolle Ressourcen kostet. Eigene Agenten können aber auch in einen Hinterhalt geraten. Dann stehen sie sich einer Übermacht an Feinden gegenüber und gelingt ihnen nicht die Flucht, können sie gefangen genommen werden. Ähnliches passiert ebenfalls mit Agenten, die während eines laufenden Gefechtes ihre Lebenspunkte verlieren. Gelegentlich kommen sie wieder, jedoch kann sich der Spieler nicht sicher sein, ob sie nicht umgedreht worden sind. In diesem Falle könnten sie im laufenden Kampf plötzlich die Seiten wechseln. Besonderes Highlight sind daher die Räume, in denen man aufgeflogenen Agenten eine neue Identität beschafft, damit sie weiter für einen arbeiten können, mögliche Doppelagenten sowie gefangene Agenten der Gegenseite verhören können oder ihnen direkt eine Gehirnwäsche verpassen. Das permanente Gefühl der Unsicherheit nagt am Spieler und sorgt für eine spannende Atmosphäre.

Die Charakterentwicklung fällt etwas mager aus. Obwohl die Thematik durchaus das Potential gehabt hätte, zahlreiche verrückte Gadets einzubringen. „Phantom Doctrine“ geht jedoch den realistischen Weg, daher dürfen Agenten nur diverse Schusswaffen und Granaten benutzen. Zwar bekommt jeder Charakter im Laufe des Spiels weitere Talente und Eigenschaften, allerdings gibt es keine individuellen Talentbäume, sondern jeder Agent schöpft aus identischen Möglichkeiten. Aus der mageren Anzahl von Möglichkeiten lassen sich keine spannenden Klassen erstellen. Dadurch werden die eigenen Agenten noch gesichtsloser. 

Brutal oder Unerkannt?

Die eigentlichen Einsätze bieten grundsätzlich die Möglichkeit, entweder rabiat mit Waffengewalt das Ziel zu erreichen oder Stilecht unerkannt die Missionsziele zu erfüllen. Zunächst muss erwähnt werden, dass die Missionsziele nicht sonderlich kreativ gestaltet sind. Sichere Dokument X oder infiltriere Bereich Y. Auch die Karten sind immer ähnlich aufgebaut und aus dem globalen Setting wird nicht viel herausgeholt. Auch die Modifikationen der Karte, wie das Eintreffen gegnerischer Verstärkung wiederholen sich schnell, wirken dadurch ebenfalls beliebig und nicht perfekt auf die jeweilige Mission abgestimmt. Nach einer gewissen Spielzeit fühlt sich jede Mission identisch an und wird zur Routine. Auf die Dauer von drei Kampagnen kann da schnell Langeweile aufkommen.

Die Gameplaymechaniken sind dabei relativ simple. Jeder Charakter hat Aktionspunkte, mit denen er sich bewegen oder eine Waffe abfeuern kann. Jede Waffe verfügt über verschiedene Schussmodi, wodurch wiederum der Schaden der Waffe variiert. Auf Kommando sondieren Agenten ein Gebiet und sobald eine feindliche Einheit diesen Bereich betritt, eröffnen sie das Feuer. Außerdem kann auf Kommando ein Raum gestürmt werden, wodurch die Gegner sofort ausgeschaltet werden. Kern ist aber die Wachsamkeitsmechanik. Je höher dieser Wert ist, umso weniger Schaden erleidet die Figur durch gegnerisches Feuer. 

Die Kampftaktiken sind Genrestandart. Eigene Figuren in Deckung begeben, Gegner flankieren oder ins Kreuzfeuer nehmen und mit Granaten oder Dauerbeschuss in die Knie zwingen. Aufgrund der unspektakulären Itemauswahl spielen sich die Kämpfe stellenweise etwas nüchtern, allerdings funktionieren die grundlegenden Mechaniken ordentlich. Ein paar Macken stören den Spielspaß jedoch erheblich. Zunächst ist es nicht immer einfach in den Level die Übersicht zu bewahren. Stellenweise wird der Bildschirm durch Partikeleffekte zugemüllt, wodurch das eigentliche Spielgeschehen überdeckt wird. Außerdem werden Gegner arg spät erkannt. Beispiel: Der Spieler bewegt Agent X an die Tür eines Raumes, in den der Agent hineinschauen kann. Es befindet sich kein Gegner im Raum. Nach Beenden des Zuges bewegt sich ein Gegner in eben diesen Raum, wird aber nicht aufgedeckt. Im nächsten Zug bewegt der Spieler den Charakter in besagten Raum nur um von den Gegnern überrascht zu werden. Weiterhin schießen die Gegner auf eine absurde Distanz unrealistisch gut. Durch mehrere Hindernisse und an der Deckung vorbei wird der eigene Agent viel zu häufig getroffen. Die eigenen Waffen haben natürlich nicht eine derartige Reichweite. Das ist kein sinnvolles Design, sondern schlicht unfair. Auf Dauer wird dieser Aspekt extrem nervig, da die Kämpfe auch von Haus aus schwer genug sind. Innerhalb der Kämpfe gibt es immer wieder einen Timer, der gegnerische Verstärkung ankündigt. Im Kern verhindert dieser Faktor jedoch, dass eine ausschließlich aggressive Spielvariante sinnvoll ist. Zwangsläufig werden die eignen Agenten überrannt. 

Sam Fisher

Wählt der Spieler die stille Variante, kann er sich verkleiden und damit zunächst unentdeckt durch die Level streifen. Nur in bestimmten Bereichen wird er trotzdem direkt beschossen, sollten die Wachen ihn entdecken. Nun gilt es Kameras sowie Gegner lautlos auszuschalten und ihre Körper zu beseitigen. Grundsätzlich macht „Phantom Doctrine“ in diesen Phasen eine durchaus ansprechende Figur, krankt allerdings an zwei mechanischen Schwächen. Zunächst ist es ein absoluter Graus, rundenbasiert durch die Level zu schleichen. Nur kurz um das Haus schleichen, um die Rückseite auszukundschaften? Dauert mindestens fünf Züge, viel Spaß beim Warten. Es wäre deutlich sinnvoller gewesen, die Figuren während der Infiltration in Echtzeit agieren zu lassen. Durch die häufigen Pausen zwischen den Zügen kommt kein echter Spielfluss auf. Auch Wegfindungsprobleme stören den Spielfluss und zerstören die Immersion. Führt der schnellste Weg durch ein Fenster, springen die Agenten vor den Augen von Zivilisten einfach durch dieses. Eine Reaktion darauf erfolgt natürlich nicht. Die Grenzen der Gegner-KI und des isometrischen Spielsystems offenbaren sich auch, wenn der Agent vor den Augen von Zeugen in das Büro mit der Kamerasteuerung hineinrennt, obwohl er dort natürlich keinen Zutritt hat. Einen scheinbaren Sichtkegel hin oder her, solche Momente sollte es nicht geben. Vor den Augen des Wachmanns sinnfrei die Tür zum Leichenschauhaus öffnen und schließen, ihn mehrmals mit dem Ablenkungsmanöver nerven? Keinerlei Reaktion. 

Während dieser Faktor nur die Geduld beeinflusst, ist der nächste Kritikpunkt schwerwiegender. Jeder Charakter kann im Nahkampf normale Einheiten ausschalten, sofern sie mehr Lebenspunkte besitzt. Ausgeschlossen davon sind gegnerische Agenten, allerdings befinden sich davon nie wahnsinnig viele auf dem Feld. Schnell kristallisiert sich die Strategie heraus, zwei Figuren mit Lebenspunktverbesserungen vollzustopfen und so mühelos jeden Gegner auszuschalten. Die zweite Figur verbraucht dann ihre Aktionspunkte, um die Körper mühelos verschwinden zu lassen. 

Der graue Krieg

Optisch ist „Phantom Doctrine“ nur durchschnittlich. Die Umgebungsgrafik ist grau und trist, Partikeleffekte wie Rauch sind öfter störend als hübsch anzusehen. Sowohl in Zwischensequenzen als auch im laufenden Spiel sind die Gesichtstexturen unscharf und detailarm und die Bewegungsanimationen sind hölzern. Der Sound des Spiels ist zwiespältig. Die Synchronisation geht in Ordnung, auch wenn es nur eine englische Sprachausgabe gibt. Dafür sind jegliche Bildschirmtexte auf Deutsch verfügbar. Der Sound der Waffen ist in Ordnung, wenn auch stellenweise etwas dünn. Das restliche Sounddesign ist gut gelungen. Die Steuerung auf dem Controller ist anfangs etwas fummelig, nach einer kurzen Eingewöhnungszeit geht sie aber problemlos von der Hand. Einbrüche der Bildrate konnten wir keine feststellen und auch die Ladezeiten zwischen den Missionen gehen in Ordnung.