Als wir 2015 auf der gamescom das Indie-Spiel „Blind“ angespielt haben, war das Konzept eines blinden Protagonisten in einem Videospiel noch völlig unbekannt. Mittlerweile sind sowohl „Perception“ als auch „Stifled“ erschienen, die allerdings den Spieler gruseln wollen. „Blind“ lässt sich als narratives Rätsel-Spiel bezeichnen, das nur mit PlayStation VR spielbar ist. Ob das Projekt ein Erfolg ist, verraten euch die folgenden Zeilen.

Plötzlich blind

Der Start ist bereits sehr verwirrend. Jean sitzt mit ihrem kleinen Bruder im Auto als sie einen Unfall haben. Plötzlich findet sich Jean in einer Villa wieder und hat einen Haufen Probleme. Ihr Bruder ist nirgendwo zu finden, ein mysteriöser Mann taucht auf und verlangt von ihr Rätsel zu lösen und dann hat sie auch noch die Fähigkeit zu sehen verloren, zumindest mit ihren Augen. Bei ihrem Versuch, aus der Villa zu fliehen, wird die Protagonistin von ihren Erinnerungen heimgesucht und der Spieler erfährt innerhalb der über dreistündigen Reise, was wirklich hinter den Ereignissen steckt.

Die Geschichte wird überraschenderweise direkt und abstrakt zugleich erzählt. Das lässt sich nur schwer ohne Spoiler begründen, doch bereits zu Beginn wird dies deutlich. Einerseits sieht Jean ihre Erinnerungen in der Umwelt, die diverse Situationen aus dem Leben der Geschwister zeigen. Hinterfragen tut sie das aber nicht, und auch der sich in Luft auflösende, mutmaßliche Entführer sowie die Tatsache, dass sie sich in ihrem Elternhaus befindet, verwundern die junge Frau nicht. Natürlich gibt das alles zum Ende hin Sinn und einige überraschende Wendungen sorgen für ein starkes Payoff, selbst wenn die Spieler sich einige Fragen selbst beantworten müssen. Dennoch beeindruckt die Erzählung auch durch starke Sprecher.

Mit Köpfchen

Jean ist blind, doch durch das Erzeugen von Tönen kann sie die Umrisse von Objekten sehen. Wirft sie also eine Tasse in einen Raum, kann sie diesen für kurze Zeit sehen. Im frühen Spielverlauf erhält der Spieler glücklicherweise einen Stock, durch den man jederzeit Töne erzeugen kann und somit viel leichter durch die Räume navigieren kann. Die Mechanik könnte sich aufgesetzt anfühlen, doch sie funktioniert durchgehend stark. Das Spiel erzeugt eine einzigartige Atmosphäre und, anstatt zum Hindernis zu werden, fördert die Mechanik die Erkundung. Der Spieler nimmt seine Umwelt stärker wahr also sonst schon in VR und einige Rätsel sind auch um dieses Konzept herum gebaut.

Die Rätsel überzeugen durchweg durch interessante Ideen. Zwar gibt es nicht besonders viele davon, dafür sind sie alles andere als Standardware. Mal muss ein Springbrunnen durch ein Röhrensystem gestartet, mal eine Jukebox repariert und betätigt werden. Diese Rätsel sind nie zu schwer, auch dank guter Tipps. Trotzdem war gegen Ende im Test Verzweiflung angesagt, was allerdings daran lag, dass die Hinweise nur einmal ausgesprochen werden. Rätselfans kommen definitiv auf ihre Kost und in Verbindung mit der Erkundung der großen Villa und der intensiven Geschichte, scheint alles perfekt.

Stimmungswechsel

Leider verändert das Spiel im letzten Abschnitt seinen Ablauf und die Rätsel weichen Schleichrätseln, die nicht auf dem Niveau der Genrekonkurrenz sind. Der Spieler muss hier ein Wesen ablenken, um sich Wege zu schaffen, was nicht schwierig ist. Auch ein großer Raum, in dem man Schalter betätigen muss, ist keine riesige Herausforderung. Dennoch bricht das Spiel hier mit den zuvor etablierten Konventionen und plötzlich kann man nicht mehr in Ruhe Rätsel lösen sondern muss allen voran vorsichtig sein. Gruselig ist das nicht unbedingt, trotzdem werden viele den Tonwechsel als störend empfinden. Hier kann es auch zu gruseligen Momenten kommen, glücklicherweise verzichtet das Spiel aber auf jede Art von Jumpscare und die Atmosphäre wird alleine durch die Ästhetik erzeugt und nicht durch aufgesetzten Horror.

Weniger ist mehr

Optisch funktioniert „Blind“ deshalb so gut, weil es simpel gehalten ist. Obwohl es viele Objekte gibt, die auch aufgenommen sowie geworfen werden können und die Kulissen sehr detailliert sind, sieht man meist nur die weißen Ränder der schwarzen Objekte. Deshalb wirken die Umgebungen in VR sehr klar, da die größte Schwäche der Technik wunderbar umgangen wird. Auch der Ton spielt eine große Rolle, weshalb es kaum Musik oder Geräusche gibt, die der Spieler nicht selbst erzeugt oder die für Rätsel genutzt werden.

Allein die Steuerung ist definitiv nicht perfekt. Der normale Controller ist eine Option, mehr Spaß bringen aber die Move-Controller. Die Objekte anzufassen und den Stock gegen den Boden zu schlagen. machen die Erfahrung viel intensiver, leider ist die Tastenbelegung sehr umständlich und man dreht sich, wenn man sich bewegen will, geht in die Hocke, wenn man sich drehen will oder landet immer mal wieder aus Versehen im Pausenmenü. Man kann sich daran gewöhnen, für den letzten Akt haben wir jedoch auf den DualShock 4 gewechselt.