Visual Novels leben von zwei Faktoren, nämlich ihrer Präsentation und der Geschichte. Während letzteres offensichtlich ist, bestehen die besten Genre-Vertreter nicht nur aus Texten, sondern schönen Hintergründen, detaillierten Charakterportraits und möglicherweise sogar Entscheidungen, die den Verlauf der Handlung beeinflussen. „The Midnight Sanctuary“ macht das genaue Gegenteil und schafft es somit, aus der Menge herauszustechen. Ob das positiv oder negativ gemeint ist, verrät das folgende Review.

Grausam

Bevor man überhaupt über die Geschichte spricht fällt einem die Präsentation äußerst negativ auf. Die Charaktermodelle sehen aus wie HD-Versionen von PlayStation 1-Spielen, die Umgebungen haben fast keine Details und die Animationen sind lachhaft miserabel, sodass sich Charaktere in einem unglaubwürdigen Tempo bewegen, eher schweben als fallen und auch die Lippenbewegungen hören niemals auf. Nur die Entwickler selbst können beantworten, ob diese durchweg hässliche Optik auf das Budget oder einen artistischen Stil zurückzuführen ist, als Spieler wird man jedoch lieber weggucken als sich dieses Chaos anzuschauen.

Richtig schlimm wird es durch die Besonderheit, denn es gibt nur fünf richtig designte Charaktere mit Gesicht und Kleidung, alle anderen Figuren tragen Mäntel, die ihr Gesicht verdecken. Jede Kulisse ist vor demselben Bild aufgebaut, das ihr oben bestaunen könnt. Zahlreiche Elemente, inklusive der Mäntel, sind vollständig transparent und somit sieht man immer den Ausschnitt des Bildes, an dem sich die Charaktere befinden. Das sieht furchtbar aus und lenkt von den eigentlichen Kulissen ab. Richtig schlimm wird es aber erst, wenn Bewegung ins Spiel kommt, denn dann tuen die Augen von den grellen, sich beißenden Farben weh und man verliert völlig das Raumgefühl und muss genauer hinschauen, um zu sehen, wo sich die Personen befinden. Der Stil soll eindeutig künstlerisch herüberkommen, stattdessen ist er unansehnlich und führt dazu, dass nicht eine einzige Szene im gesamten Spiel gut aussieht. Und das war nur die Kritik an der Optik.

Das Dorf der lebenden Toten

Die Geschichte dreht sich rund um ein christliches Dorf, in dem die Bewohner ihren Glauben streng ausführen. Die junge Hamomoru Tachibana besucht die Stätte und soll dabei helfen, das Dorf zu modernisieren und somit den Tourismus zu fördern. Sie interagiert dabei mit den Bewohnern und lernt sie, obwohl sie fast gleich aussehen, nach und nach kennen, unter anderem auch eine weitere mysteriöse Besucherin und die zwei Oberhaupte des Dorfes. Als eine sogenannte Heilige erscheint, findet Hamomoru heraus, dass der Tod nicht das Ende für die Bewohner bedeutet, und die brutale Vergangenheit des Dorfes enthüllt wird, überschlagen sich die Ereignisse und die Heldinnen arbeiten zusammen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten.

Totlangweilig

Die Geschichte hat wenige spannende Momente, besonders wenn es zu den Wendungen kommt, die man meilenweit vorhersehen kann. Anstatt sich dann jedoch über ein vernünftiges Payoff zu freuen, verlangsamt das Spiel nach diesen Momenten ständig das Erzähltempo und wenn man nur die hauptsächlichen Ereignisse aneinanderreiht, wäre das Spiel nach einer halben Stunde vorbei. Stattdessen muss man sich unerträglich langweilige Unterhaltungen mit den Bewohnern anhören, die nichts zur Atmosphäre oder dem Verständnis der Vorgänge beitragen. Ständig muss man auf der Karte einen Ort auswählen, sich dort wenige Zeilen Dialog durchlesen und diesen Vorgang wiederholen. Die Szenen sind viel zu kurz gehalten und der Versuch, lustig zu sein, scheitert durchweg. Selbst die Haupthandlung verliert ordentlich an Reiz und wirft ständig neue Elemente hinein, die nicht ausführlich genug behandelt werden. Gekrönt wird das mit einem schwachsinnigen Finale, das die wichtigsten Fragen gar nicht erst beantwortet.

Spielerisch hat man nicht mehr zu tun, als sich durch Dialoge zu klicken und die nächste Szene auszuwählen. Man kann nicht selbst interagieren und obwohl Visual Novels davon leben, gelesen zu werden, gibt es keinen einzigen auflockernden Ausflug in etwas Spielbares. Da hilft es erst recht nicht, dass die Dialoge am unteren Bildschirmrand viel zu klein dargestellt werden. Zwar ist die japanische Vertonung gut gelungen, das kann ein Spiel mit einer schlechten Geschichte und fürchterlichen Präsentation aber auch nicht mehr retten. Nach knapp drei Stunden ist das Abenteuer vorbei und es gibt nichts mehr zu tun, als sich zu wünschen, die Lebenszeit nicht verschwendet zu haben.