Spiele, die auf Animes basieren, gibt es wie Sand am Meer. Eine kleine Gruppe dieser nehmen sich als Vorlage schon bestehende Spiele und packen einfach den Anime-Stil oben drauf. Genau das ist auch bei „Fist of the North Star: Lost Paradise“ passiert, das von den Machern der „Yakuza“-Spiele entwickelt wurde. Ob der Titel aber auch auf eigenen Beinen stehen kann, zeigt die folgende Review.

Eine männliche Post-Apokalypse

Die Welt von „Fist of the North Star“ ist in einer Post-Apokalypse angesiedelt und erinnert sehr stark an die Welt aus „Mad Max“. In eben dieser Einöde sucht der Hauptcharakter Kenshiro nach seiner Geliebten Yuria, die er vor Jahren an seinen Rivalen Shin verloren hat. In einem finalen Kampf wurde er von diesem mit den sieben Naben auf seiner Brust zum Tode zurückgelassen. Natürlich hat er das aber überleben können und sucht nun nach Yuria und Shin. Als Kämpfer des tödlichen Martial Arts-Stils Hokuto Shinken prügelt sich Kenshiro dabei durch die Einöde und hinterlässt seitdem eine Schneise an explodierten Leichen hinter sich. 

Remix aus Alt und Neu

Das Spiel selbst startet direkt mit einem der ersten Höhepunkten des Franchises: der endgültige Kampf gegen Shin. Hat man ihn besiegt, reist Kenshiro durch die Einöde und erfährt zufällig, dass sich eine Person namens Lady Yuria auf dem Weg in die Stadt Eden befindet. Dort angekommen, wird er in den Konflikt zwischen der Stadt und der Army of Ruin verwickelt und muss nun nicht nur Eden beschützen, sondern gleichzeitig auch nach seiner Geliebten suchen. Die Geschichte wurde extra für „Lost Paradise“ entwickelt, aber verbindet auch Charaktere und Arcs des vorhandenen Materials. Dadurch entsteht eine Art Remix von alldem, was man aus „Fist of the North Star“ kennt, aber noch nie in dieser Form gesehen hat. Deshalb können sowohl Neueinsteiger als auch Fans der Geschichte gut folgen und sind auch nie davon gelangweilt, weil sie alles schon kennen. Ein bisschen Trash-Resistenz muss man aber schon haben, denn das gesamte Franchise an sich ist schon etwas übercool und hat Momente, die doch sehr merkwürdig erscheinen. Aber insgesamt macht es einfach Spaß, Kenshiro durch seine blutige Reise zu begleiten, wenn man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt.

Explodierende Schönheit

Blut ist auch ein sehr gutes Stichwort, denn wer sich schon einmal ein Video der japanischen Version von „Lost Paradise“ angeschaut hat, der hat gesehen, dass die Gegner einfach schwarz werden, wenn sie sterben. Das ist in der westlichen Fassung nicht mehr der Fall, denn hier spritzt es an allen Ecken Blut und die Tode werden in all ihrer explodierenden Schönheit zelebriert. Genau das ist aber auch wichtig, denn es ist einfach ein Franchise, bei dem es schön spritzen muss, und in dieser Form ist es sogar förderlich für den Spielspaß. Wer möchte, kann aber auch den milden Gewaltgrad verwenden, aber man wird dann nicht das Gefühl los, dass irgendwas fehlt.

Überdreht

Spielerisch hat man als Unterbau natürlich das gleiche Gameplay wie in einem Teil der „Yakuza“-Reihe. Deshalb läuft man durch einen semi-offenen Bereich, in diesem Fall der Stadt Eden herum, redet mit den verschiedenen Figuren, erledigt einen ganzen Haufen an mal kleinen, mal längeren Nebenmissionen und spielt Minispiele. Letztere sind eine Mischung aus dem, was man schon kennt, und komplett neuen Aktivitäten. Zum Beispiel gibt es auch hier einen Hostessen-Club, den man führen muss, oder ein Casino, in dem man in Spielen, wie Black Jack oder Roulette, ein wenig zocken kann. Aber auch neue Sachen, wie Getränke mixen als Barkeeper, oder auch Remixes bekannter Minispiele sind zu finden. Zum Beispiel gibt es wieder ein Baseball-Minispiel, aber hier nutzt man als Schläger einen riesigen Stahlträger und haut Biker von ihren Motorrädern herunter. Insgesamt ist alles, was man abseits der Hauptgeschichte macht, wirklich spaßig und kann auch wieder für eine längere Zeit unterhalten. Zudem wird es auch nicht so richtig ernst genommen, was aber perfekt zu dem Gesamteindruck des Spiels passt. Alles ist einfach ein Stück überdrehter und das ist auch gut so.

Übermächtig

Richtig aufdrehen kann das Spiel beim Kampf, der auch das Herzstück des Gameplays ist. Hier stand ebenfalls im Vordergrund, dass alles etwas übertriebener ist. Dafür bekämpft man meist eine ganze Horde an Gegnern, die zwar keine große Varianz haben, was sich aber nicht so schlimm gestaltet. Mit simplen Combos kloppt man auf diese ein, bis sie in den sogenannten Meridian-Schock kommen. Ab dem Punkt kann man sie mit der Kreis-Taste betäuben und dann einen mit diversen, zufälligen Finishern schön blutig aus dem Leben treten. Dabei zelebrieren diese Zwischensequenzen mit Quick-Time-Events diesen Moment wunderschön und haben zudem auch den Effekt, dass andere Gegner von der Explosion geschockt sind. Für viele ist es wichtig, dass man sich in einem Spiel basierend auf einem Anime genauso fühlt, wie der Charakter eben auch ist. Genau diesen Punkt hat man hier geschafft und man ist einfach eine übermächtige Kampfmaschine, die binnen Sekunden die Gegner aus dem Leben treten kann.

Im weiteren Verlauf des Spiels wird das Spieltempo, das von den kleinen Cutscenes immer wieder unterbrochen wird, sogar noch einmal erhöht. Denn es gibt ab dem Punkt die Chance, Gegner sofort umzubringen, wenn man sie in den Meridian-Schock versetzt. Dadurch wird das Spieltempo einfach noch schneller und auch das Gefühl übermächtig zu sein, bekommt noch einmal einen ordentlichen Boost. Natürlich darf ein Upgrade-System nicht fehlen. Dafür hat man fast über 200 Skills, aus denen man auswählen und die man sich für vier verschiedene Orbs kaufen kann, welche in Kämpfen, Nebenmissionen, Story-Kapiteln und durch das Aufleveln erhältlich sind. Die Upgrades sind dabei immer auf den Kampf orientiert und erweitern eben jenen sinnvoll. Abgerundet wird das Gameplay von Fahrsequenzen durch die offenere Welt, die vielleicht nicht die besten sind, aber doch mit einigen übertriebenen Action-Momenten aufwarten, wodurch es dann wieder in das Spiel passt.

Ältere Engine, hohe Framerate

Rein technisch hat man sich bei „Lost Paradise“ für die alte „Yakuza“-Engine entschieden, die in „Yakuza 0“ ihren Einsatz gefunden hat. Das ist aber wirklich keine schlechte Entscheidung gewesen, denn dadurch läuft das Spiel durchgehend in 60 FPS und hat durch den Anime-Stil ein ansprechendes Aussehen. Was die Entwickler schon immer gern gemacht haben, findet sich auch hier wieder. Die Cutscenes gibt es gleich in zwei verschiedene Ausführungen. In den eigentlichen Cinematics gehen die Frames runter auf 30, aber dafür kommen Bloom-Effekte, Unschärfen und weiteres hinzu, was dem Ganzen einen besonderen Look geben soll. Die zweite Art der Cutscenes hingegen sind statische Dialoge, bei denen der Text mal vertont mal stumm ist. Dafür wird hier die In-Game-Grafik verwendet und es sind wieder 60 Bilder in der Sekunde. Eigentlich ist das nicht schlimm, aber dieser Wechsel ist so auffällig, dass man doch hier und da etwas gestört ist davon, dass die imposanteren Zwischensequenzen insgesamt etwas schlechter grafisch wirken. 

Rockig

Ein weiterer Punkt, der absolute Geschmackssache sein wird, ist die Synchronisation. Denn neben der gelungenen japanischen Vertonung mit allerlei Sprechern aus der „Yakuza“-Reihe, wie zum Beispiel die Stimme von Kazuma Kiryu, die hier Kenshiro spricht, gibt es auch eine englische Synchro. Diese ist sehr typisch für eine amerikanische Anime-Synchro und ist deshalb absolut übertrieben vertont. Jeder Charakter versucht männlicher als der vorherige zu reden und dadurch wirken vor allem die emotionaleren Szenen einfach nicht ganz so gut. Der Soundtrack hingegen ist mit seinen rockigen Klängen genau das, was man von einem solchen Spiel benötigt.