„My Memory of Us“ versucht, wie schon so viele Spiele zuvor, die emotionalen Aspekte eines Krieges in den Fokus zu rücken. Anstatt also bewaffnet durch Gegnerhorden zu marschieren, geht es in dem Spiel um zwei Kinder, die den Ausbruch des Krieges in Polen miterleben. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen. Deshalb bin ich umso enttäuschter darüber, dass die Macher völlig falsche Prioritäten gesetzt haben.

Zwei Freunde im Grauen

Ein Krieg ist niemals etwas Gutes. Dennoch beginnt das Spiel mit fröhlicheren Tönen, denn zwei namenlose Weisenkinder treffen sich und werden innerhalb weniger Sequenzen gute Freunde. Sprechen tut in der Welt nur einer, nämlich Patrick Stewart, der als Erzähler zum Beginn jedes Kapitels aus der Perspektive des nun alten Mannes über seine Kindheit spricht. Leider klingt das selbst für die Legende wenig überzeugend und besonders die Betonung wirkt, als hätte ihm niemand erzählt, was für einen Kontext die Textpassagen haben.

Die eigentliche Handlung findet dann anhand von den Geschehnissen in der Welt statt. Diese ist fast ausschließlich in schwarz und weiß gehalten, während die Farbe Rot eine besondere Rolle spielt – darauf komme ich gleich zurück. Der Artstil sieht zwar gut aus, auf Dauer sorgt er aber auch dafür, dass sich die Kulissen zu leblos anfühlen. Wenn es Bomben hagelt, Soldaten nach den Kindern suchen oder viel schlimmere Sachen geschehen, ist der Bildschirm zwar gefüllt, dank zu simpler und steifer Animationen ist das aber lange nicht so ansprechend wie zum Beispiel ein „Valiant Hearts“.

Lächerlicher Krieg der Roboter

Ob das Spiel an ein jüngeres Publikum gerichtet ist - wir gehen nicht davon aus - sei mal dahingestellt. Allerdings sollte so ein Thema niemals geschönigt werden, und genau das macht „My Memory of Us“. Statt Nazis gibt es Roboter, die gegen die polnische Armee kämpfen und anschließend die Kontrolle übernehmen. Statt der Verfolgung von Juden werden scheinbar beliebige Bürger eingefärbt und anschließend schlecht behandelt. Es gibt zwar einige durchaus emotionale Szenen, die den Schrecken des Krieges deutlicher darstellen. Das Spiel schafft es aber, die gesamte Situation beliebig wirken zu lassen. Dank der Wahl von Robotern wird ein völlig falsches Symbol gewählt, denn die Feinde waren nicht mechanische, andersartige Wesen, sondern ebenso Menschen wie diejenigen, die weggesperrt wurden. Natürlich steht das Leid der polnischen Bevölkerung im Mittelpunkt, doch im Zweiten Weltkrieg waren es Mitmenschen, die das Land belagert haben, und nicht eine völlig andere Art von Lebewesen. Mitunter sind die Szenen so fehlgeleitet, dass die Situationen gar niedlich wirken, wenn die Roboter verwirrt herumlaufen oder Bilder abknutschen. Selbst Kindern sollte man nicht so eine weichgespülte Geschichtsstunde servieren.

Hinzu kommt die Darstellung der Judenverfolgung, die das Spiel nur teilweise korrekt aufarbeitet. Dank der leblosen Szenen wirkt es nämlich, als würden wahllos Menschen aussortiert, in Ghettos geschickt und anschließend ermordet. Glücklicherweise retten sich die Macher, denn in Verbindung mit dem Transport der Bevölkerung in Konzentrationslager sowie deren unausweichliches Ableben wird das wahre Leid deutlich besser dargestellt als die eigentliche Belagerung. Auch, wie sich die Menschen gegenüber den rot gekennzeichneten Leuten verhalten, ist gelungen. Von diesen Szenen gibt es aber zu wenige, und einen Großteil der Zeit erlebt der Spieler nicht genug von den eigentlichen Schrecken des Krieges. Dabei gibt es einen Lichtblick, denn versteckte Notizen verraten mehr über die wahren Menschen, die die Handlung inspiriert haben. Obwohl das nur Texte sind gibt es somit eine Ansammlung von wirklich historischen Fakten. Man merkt durchweg, dass die Macher die richtige Intention hatten, nämlich die Schrecken des Krieges in eine kinderfreundliche Erzählung zu stecken. Leider ist die Ausführung aber dermaßen daneben geraten, dass man schon fast vergisst, dass das eigentliche Gameplay ebenfalls enttäuscht.

Schlechte Grundlagen

Der Spieler steuert den Jungen und das Mädchen. Während man den jeweils anderen Charakter per Knopfdrück übernimmt, können sich die tragischen Helden auch an die Hand nehmen und somit gemeinsam laufen. Beide verfügen über besondere Fähigkeiten, denn während der Junge Licht reflektiert und schleicht, kann das Mädchen rennen und mit einer Schleuder schießen. Die Steuerung ist leider dermaßen schwammig, dass man sich bis zum Ende darüber ärgern wird, dass falsche Aktionen ausgeführt werden. Manchmal hören die beiden auf, sich an den Händen zu halten, manchmal reagiert die Eingabe zu spät, wenn man die Position tauschen möchte. Das wäre weniger schlimm, wenn es nicht simple und langweilige Schleich- sowie gefährliche Laufpassagen geben würde, in denen jeder Fehler mit dem Tod bestraft wird. Natürlich sind die Checkpoints fair, aber wenn man aufgrund der trägen Steuerung gleich mehrfach in einem Bildschirm stirbt, ist die Geduld am Ende. Zudem muss man selbst für kleine Hindernisse jedes Mal hoch und runter gesondert drücken, das selbst simple Wege in eine Tortur verwandelt.

Immer wieder müssen die Beiden andere Wege gehen und mit diversen Objekten interagieren, um den Weg für den anderen freizumachen. Diese meist ruhigeren Szenen sind deutlich besser, da kleine Fehler nicht direkt bestraft werden. Die zahlreichen Rätsel sind eine andere Sache, denn sie sind nie kniffelig, dafür lässt sich die Logik dahinter schwer verstehen. Im Endeffekt läuft es immer so ab, dass der Spieler Objekte sucht, mit denen er interagieren kann und somit erahnt, was er machen muss. Betritt man aber einen Raum und würde es keine Hinweise in Bildform geben, wäre man völlig verloren. Es ist merkwürdig, denn obwohl die Rätsel durchaus spaßig sein können folgt man eher den Anweisungen statt selbst darauf zu kommen, was man wieso machen muss. Nach knapp fünf Stunden ist die Reise auch schon vorüber und ein merkwürdiges Gefühl bleibt zurück. Das Spiel ist nicht unbedingt schlecht, und insbesondere die Atmosphäre hat ihre Lichtblicke. Auch der Soundtrack ist gelungen. Das immense Potential wird aber nicht nur zu oft links liegen gelassen, sondern gewollt ignoriert.