Es gibt gerade in der Literatur einige Horror-Mythen, die auch heutzutage noch großen Einfluss auf die Popkultur haben. Dazu zählt vor allem H.P. Lovecraft, der mit seinen Cthulhu-Werken weltberühmt ist. Darauf basiert auch das Pen and Paper-Rollenspiel „Call of Cthulhu“ von Chaosium. Mit dem gleichen Namen kommt jetzt ein Videospiel aus dem Hause Focus Home Interactive und Cyanide Studios in den Handel. Ob wir euch empfehlen, sich dem Wahnsinn hinzugeben, zeigt die folgende Review.

Gerufen vom Wahnsinn

Wir schreiben das Jahr 1924 und alles startet im abgeranzten Büro des Privatdetektivs Edward Pierce. Dieser versinkt lieber am Boden der nächsten Flasche mit alkoholischem Inhalt anstatt Aufträge gewissenhaft zu lösen. Doch dann bekommt er einen Auftrag, für den er nach Blackwater Island reisen muss, um dort den Tod der Hawkins-Familie zu untersuchen. Auf diesem kleinen Einöd findet er sich inmitten einer riesigen Verschwörung rund um einen Kult, tot geglaubte Menschen und einen weltumfassenden Wahnsinn wieder. 

Die Geschichte ist das Herzstück von „Call of Cthulhu“ und kann leider schon einige Schwächen aufweisen. Das Spiel leidet unter sehr starken Pacing-Problemen, da man die eigentliche Geschichte in wenigen Sätzen erzählen kann, aber der Spieler startet damit knapp zwei Stunden die Charaktere vorgestellt zu bekommen, die am Ende fast alle zu einer Randnotiz werden. Danach gibt es einige Wendungen und auch das Spiel nimmt Fahrt auf, jedoch nach einem Höhepunkt kommt es nach einem Höhepunkt wieder zu einem Stopp und die letzten zwei bis drei von einem insgesamt sechs bis sieben Stunden Spiel gestalten sich sehr zäh. Man wartet förmlich darauf, dass die Geschichte endlich abgeschlossen wird und schleppt sich durch die letzten Szenen.

Kein Bombast

Ein weiterer wichtiger Punkt bei einem solchen Titel, ist die Inszenierung. Man darf natürlich keinen Bombast erwarten, sondern bekommt eher ruhige Charakterstudien geboten. Dafür passt aber die Synchronisation, die auf Englisch durchaus überzeugen kann. Es gibt zwar teilweise Momente der Übertreibung, diese bleiben aber die Ausnahme und den Rest der Zeit machen sie ihren Job gut. Insgesamt ist es aber wirklich schon trocken und man muss einiges an Sitzfleisch mitbringen. Es sind sowieso die kleinen Spitzen innerhalb des Spiels, die einen immer wieder vorantreiben.

Euro-Jank

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die Inszenierung des Spiels etwas unter der Technik leidet. Die Umgebungen sind schon atmosphärisch, wiederholen sich im Laufe aber zu oft und sind unglaublich unübersichtlich. Zudem kann man sich bei der Framerate wirklich nicht beschweren und stößt selbst bei gelegentlichen Rucklern nie sauer auf. Viel mehr sind es die Animationen und die Charaktermodelle, die für Lacher sorgen werden. Wenn es nur die Lippensynchronität wäre, die fast non existent ist, müsste man sich nicht beschweren, aber in jeder Szene flackern die Schatten der Modelle, sie bleiben irgendwo hängen, bewegen ihre Körper mit merkwürdigen Animationen und vieles mehr. Man merkt einfach genau, wo das Geld hineingeflossen ist und was nur stiefmütterlich behandelt wurde. Das ist in diesem Fall etwas schade, da man doch oft die Charaktere mehrere Minuten in Gesprächen sieht und vieles eben auch dadurch erzählt wird. Das Geschehen kann so teilweise schon lächerlich wirken, was das Spiel eigentlich nicht verdient hat.

Pen and Paper-Abenteuer

„Call of Cthulhu“ basiert auf dem Pen and Paper-Rollenspiel und genau ein solches sollte man hier auch erwarten. Wer mit dem Gedanken an das Spiel herangeht, dass es entweder ein Action- oder ein Horror-Fest wird, der wird stark enttäuscht. Direkt zu Beginn kann man Pierce mit Charakter-Punkten in den Kategorien Untersuchung, Psychologie, Verstecktes finden, Stärke, Eloquenz, Okkultismus und Medizin aufleveln. Die letzten beiden Werte können abseits von den ersten Punkten nur durch optionale Sammelgegenstände verbessert werden. Für die anderen bekommt man im Laufe des Spiels immer wieder Charakter-Punkte. Wer schon einmal ein Pen and Paper-Rollenspiel gespielt hat, der weiß dann auch, dass es im Spielverlauf eher um die Erkundung der Umgebungen und die Gespräche mit den Personen geht. Ansonsten ist es ein sehr klassisches Point and Click-Adventure aus der ersten Perspektive in einem Horror-Setting. Viele der Rätsel sind aber sehr simpel und wenn man versteckte Gegenstände suchen muss, wird das zum Glück auch immer durch ein Symbol gezeigt. Immer wieder kann man seine Fähigkeiten nutzen und hat man mit ihnen einen bestimmten Rang erreicht, kann man diese einsetzen, um andere Informationen aus den Charakteren zu holen oder Rätsel zu überspringen. Gerade letzteres klingt zwar erst blöd, aber ist voll im Sinne eines Pen and Papers, bei dem man Dinge machen kann, je nachdem, wie gut man eben in diese seine Punkte gesetzt hat. Leider hat das Spiel genau die gleichen Längenprobleme, wie die Geschichte selbst auch. Denn nach den immer gleichen Szenen gibt es in der Mitte einen kurzen Umbruch, der dann wieder in die Rätsel-Erkundungs-Szenen mündet. Dadurch ist vor allem die letzte Hälfte, wenn der eigentliche Spaß rund um den Mythos und dem Wahnsinn los geht, eher schleppend und man möchte, dass es nur noch endet.

Entscheidender Flaschenhals

Trotzdem kann „Call of Cthulhu“ im ersten Durchlauf für das, was es sein will, überzeugen. Ja, es gibt Längen, aber irgendwie bleibt man trotzdem dran. Die Entscheidungen versprechen, dass mehr hinter dem Spiel steckt, als es dann aber am Ende ist. Es gibt wieder einmal den berühmten Flaschenhals, wodurch man unten am Boden alles mögliche machen kann, aber dann die Entscheidungen dünner und dünner werden, damit die Geschichte weitergeht. Genau das passiert hier auch und nach einem Durchlauf gibt es keinen Grund noch einmal von vorne zu spielen. Sehr ärgerlich ist auch, dass es kein New Game Plus, bei dem man die restlichen Werte dann aufleveln kann, oder eine Kapitelauswahl gibt. Es ist teilweise verschenktes Potential, da es einige Szenen gibt, die man schon gerne noch einmal gespielt hätte, und manche Entscheidungen sind auf den ersten Blick so versteckt, dass man sie beim ersten Mal verpasst, aber dafür nicht noch einmal von vorne spielen will. Das sind die Rätsel und der enorm verwirrende Aufbau der Umgebungen einfach nicht wert.