Es ist immer wieder ein großes Event, wenn ein Spiel aus dem Hause Rockstar Games erscheint. 2013 wurde „Grand Theft Auto V“ auf den Markt losgelassen, und zeitweise war das Spiel bei allen Händlern ausverkauft. Mittlerweile hat sich der Hit zum erfolgreichsten Entertainment-Produkt aller Zeiten entwickelt, einige Fans bevorzugen jedoch den Wilden Westen, weshalb sie viele Jahre auf einen Nachfolger von „Red Dead Redemption“ gewartet haben. Nun ist der zweite Teil endlich erschienen, und wir haben herausgefunden, ob sich das Warten gelohnt hat. Wir wollen aber auch ehrlich sein: Wer auch nur das geringste Interesse an dem Spiel hat, wird es sich bereits gekauft haben. Und das zurecht.

Die alten Helden

Die Geschichte spielt im Jahr 1899. Die Zeit der Outlaws nähert sich dem Ende und die Gruppe rund um das Oberhaupt Dutch muss aus ihrem Quartier in Blackwater nach einem schrecklichen Ereignis fliehen. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Arthur Morgan, einem Mitglied der Gang, die sich erst durch die eisige Kälte frieren müssen, bevor sie ihr eigentliches Camp aufbauen und fortan versuchen, Geld zu beschaffen, um das Überleben der Gruppe zu sichern. Bereits die ersten Stunden beweisen die Fähigkeit der Macher, denn innerhalb der großartig inszenierten Zwischensequenzen sowie durch die Dialoge während des Gameplays, entwickelt der Spieler eine Beziehung zu allen zentralen Charakteren. Man grüßt sie im Vorbeigehen und ist ständig gespannt, in welche Situationen sie verwickelt werden. Arthur ist derweil ein fantastischer Protagonist und der Spieler kann seine inneren Konflikte im späteren Verlauf derart gut nachvollziehen, dass es zu regelrecht herzzerreißenden Momenten kommt. Dabei hilft es, dass Arthur kein klassischer Held ist, sondern im Notfall zu überaus brutalen Mitteln greift.

Fans der Reihe werden schon längst wissen, dass es sich um ein Prequel des Rachefeldzugs von John Marston handelt, der hier ebenfalls diverse Auftritte feiert. Die Geschichte bevorzugt ihn aber nicht, vielmehr stehen Arthur, Dutch und der Zusammenhalt der Gruppe im Fokus. Obwohl man bereits weiß, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln muss, hagelt es Wendungen, unvorhersehbare Ereignisse sowie zutiefst emotionale Momente, in denen man den Controller für einige Minuten beiseitelegen möchte. Es gibt auch einige Entscheidungen, diese beeinflussen aber Nebenereignisse und weniger den Verlauf der Haupthandlung. Die Geschichte ist das Herzstück von „Red Dead Redemption 2“ und weiß bis zur letzten Sekunde zu fesseln, wahrscheinlich dank ihrer Linearität. Dazu tragen auch Sprecher bei, die besser nicht hätten ausgewählt werden können. Zwar ist nur eine englische Vertonung vorhanden, diese überzeugt allerdings durch eine absurd hohe Qualität.

Der wirklich wilde Westen

An dieser Stelle kann man schreiben, wie beeindruckend die Welt von „Red Dead Redemption 2“ ist, aber um die Atmosphäre auch nur annähernd zu begreifen, muss man sie selbst bereisen. Die abwechslungsreichen Gebiete sind nicht nur riesig, sondern auch extrem detailliert. Egal ob auf schneebedeckten Bergen, im wüsten Ödland, quer durch tiefe Sümpfe, in wunderschönen Wäldern oder mitten im Industriegebiet, das Spiel führt einen ständig an neue Ortschaften, die Kinnladen fallen lassen. Nicht selten möchte man stehenbleiben und die atemberaubenden Kulissen aufsaugen. Natürlich sind die Übergänge in der riesigen Welt fließend und könnten so auch in der realen Welt vorkommen. Selbst ohne konkrete Ziele wird die Erkundung niemals langweilig, da es natürlich genug Aktivitäten gibt.

Mal trifft der Spieler auf einen Bürger, der dringend seine Hilfe benötigt. Mal wird er von Banditen dazu aufgefordert, Geld zu zahlen. Reichen einem die zufälligen Ereignisse nicht, gibt es zahlreiche Nebenaktivitäten, darunter angeln, pokern und Prügeleien. Die Jagd entpuppt sich ebenfalls als wichtige Nebenbeschäftigung und kann stundenlang beschäftigen. Obwohl das Spiel auch davon lebt, dass man mit dem Pferd von A nach B reitet und die Umgebung aufsaugt, gibt es ständig Ziele, die man verfolgen kann. Allerdings haben die Macher diese verteilt und somit wird man nicht ständig erschlagen. Man arbeitet die Questmarker nicht ab und erobert keine Lager, weil man überall einen grünen Haken sehen möchte. Der Spieler schreibt seine eigenen Geschichten und es ist sehr erfrischend, eine dynamische Welt anstatt einer konsequent durchstrukturierten zu bereisen – zumindest wirkt sie hier nicht so.

Dialogoption Waffe

Hinter der Präsentation steckt zum Glück ein solides Gameplay. In den meisten Schusswechseln steuert sich „Red Dead Redemption 2“ wie ein realistischer Third Person Shooter. Zwar kann man in Deckung gehen, ansonsten sind die Kampfmechaniken aber sehr typisch gehalten. Wenn ein Schutz nicht zerstört wird, kann man auch aus einer Position heraus, je nach Schwierigkeitsgrad, einen Gegner nach dem anderen töten. Das Dead Eye kehrt zurück, wodurch man Gegner in Zeitlupe markieren und anschließend beschießen darf. Es ist wichtig zu beachten, dass die Macher, abseits dieser Mechanik, ein möglichst realistisches Erlebnis erzielen wollten. Das schränkt dann natürlich die Anzahl an Spielmechaniken ein.

Die Waffenvielfalt ist derweil gut, obwohl man ständig nur zwei Schusswaffen bei sich tragen kann. Das Schussgefühl ist großartig und man spürt regelrecht die Kraft der Waffe in den eigenen Händen. Hinzu kommt ein fantastischer Sound, der sich sogar je nach Kulisse verändert. Authentizität steht in diesem Western-Abenteuer an erster Stelle und das überträgt sich auch auf das Gameplay. Dass die KI gerne ins offene Feuer läuft, lässt sich insgesamt verschmerzen.

Mehr als nur Missionen

Während man in anderen Open World-Spielen gerne die Freiheiten austesten, lockt „Red Dead Redemption 2“ einmal mehr durch seine großartigen Missionen. Jede davon verläuft anders, bietet wunderbare Wendungen und Szenen, die einem noch lange danach in Erinnerung bleiben werden. Spielerisch werden diese Geschichten und Ereignisse mit fließenden Tutorials verbunden, sodass der Spieler stets weiß, wie die unterschiedlichen Mechaniken funktionieren und was es überhaupt im Wilden Westen zu tun gibt. Obwohl viele Geschehnisse in Schießereien, Prügeleien oder Suchaktionen resultieren, sind die Bedingungen ständig anders. Mal muss ein Freund gerettet werden, mal wollen die Damen in die Stadt und wer es besonders lustig haben möchte, darf sich eine der besten Sauf-Missionen der Videospielgeschichte zu Gemüte führen. Die Geschichten sind durchweg interessant und die Inszenierung durch erstklassige Zwischensequenzen sowie fesselnde Dialoge perfekt. Man kann sich meist gar nicht entscheiden, ob man die Welt erforschen oder doch lieber die Geschichte fortsetzen möchte. Glücklicherweise lassen sich die beiden Aspekte gut verbinden, wenn man zu einer Mission reist und auf dem Weg ein nicht weniger spannendes Abenteuer erlebt.

Unvergessliche Ereignisse

Wir könnten nun versuchen zu erklären, wie glaubwürdig die Welt eigentlich ist, doch ein Beispiel anhand einer frühen Mission tut es viel besser. Ein Teil der Gruppe muss nämlich ein Lager überfallen, um einen Feind zu töten. Nach dem Ritt in die Nähe wollen es die Helden leise versuchen und töten einen der Gegner beim Pinkeln. Anschließend müssen zwei Wachen, die sich unterhalten, ins Jenseits befördert werden. Ein Blick und zwei Knopfdrücke genügen, um der Crew deutlich zu machen, dass wir den rechten und ein anderer den linken Gegner ausschaltet. Für den Rest des Lagers funktioniert diese Taktik nicht, weshalb wir das Feuer eröffnen. In jeder Mission kann man einzelnen Leuten schnell Rollen zuweisen, das Kommando übertragen oder dieses selbst übernehmen, was dem Spieler permanent die volle Kontrolle gibt.

Leider ist der Bösewicht nicht vor Ort, doch nach dem kleinen Massaker bleiben wir dort, um nach wertvollen Gegenständen und Ressourcen zu suchen. Das geschieht in einem gemütlichen Tempo, schließlich soll jede Leiche geplündert und jeder Schrank durchsucht werden. Irgendwie ist die Polizei allerdings auf das Verbrechen aufmerksam geworden und wir fliehen unentdeckt vom Tatort, bis nicht mehr aktiv nach den Tätern gesucht wird. Zurück am Ort des Verbrechens ziehen die Gesetzeshüter weiter, einer bleibt jedoch vor Ort und untersucht die Leichen. Diesen legen wir leise um und schnappen uns noch ein paar weitere Gegenstände, bevor wir zufrieden den Handlungsort verlassen. Diese Situationen gibt es ständig und alleine die Mechanik, dass Zeugen Verbrechen melden, wenn man sie nicht bedroht oder ausschaltet, kann aus einem ruhigen Ritt eine stressige Verfolgungsjagd machen. Natürlich inklusive Kopfgeld, das einen zur Zielscheibe werden lässt.

Beeindruckend

Die Liebe zum Detail ist schlichtweg atemberaubend. Der Spieler kann sich nicht auf Abkürzungen verlassen sondern muss Tiere erst zur passenden Stelle bringen und dann Häuten, um Ressourcen zu erhalten. Waffen werden mit der Zeit dreckig und benötigen eine Reinigung, während sogar die Essenszubereitung zum normalen Spielablauf gehört. Diese Mechaniken wirken für einige sperrig, doch sie ergeben ein Erlebnis, das nicht hektisch ist oder ständig Explosionen und Action bieten will. „Red Dead Redemption 2“ lässt den Spieler zur Ruhe kommen, während er seine Aufgaben erledigt. Deshalb wirken die bombastischen Momente umso beeindruckender, schließlich bauen sie sich im Verlauf des Geschehens erst auf.

Auch die Gespräche mit anderen Charakteren im Vorbeilaufen sind schön. Mal grüßt oder provoziert man Kollegen, mit entsprechenden Reaktionen. Im Falle einer Mission rund um einen betrunkenen Priester reagiert die Gruppe im eigenen Lager sogar auf die Geschehnisse und beschweren sich über den Alkohol-Gestank, wenn man sie direkt anspricht. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie viel Schweiß und Blut in dem Spiel stecken, denn eine so gigantische Fülle an Details in einer offenen Welt gibt es nur selten. Und dabei haben wir noch nicht einmal erwähnt, dass man Tiere streicheln kann und sich ums eigene Pferd kümmern muss, damit man neue Tricks ausführen kann.

Perfektion verfehlt?

Obwohl „Red Dead Redemption 2“ ohne Frage ein Meisterwerk sowie Meilenstein der aktuellen Konsolengeneration ist, kommt es nicht ohne einige Streitpunkte aus. Völlig subjektiv ist natürlich das langsame Spieltempo im Vergleich zu Genre-Kollegen, das nicht jeden ansprechen wird. Wirklich negativ fällt leider die Steuerung auf, die viel zu überladen ist. Die Taste für das Ziehen der Waffe sowie Interagieren mit Charakteren ist dieselbe, und da die automatische Erkennung nicht immer präzise ist, kann aus einer freundlichen Begrüßung schnell eine Schießerei mit Toten werden. Für das Aufsammeln von verschiedenen Objekten gibt es sogar drei Tasten, die den Vorgang noch komplizierter gestalten. Bei all dem Spielspaß wäre hier Komfort wichtiger gewesen.

Auch das System für die Statuswerte wirft Fragen auf. Nach mehreren Stunden versteht der Spieler, wie er seine Kreise füllen kann, um geheilt zu werden und genug Ausdauer zu haben, wieso man das aber nicht durch simple Balken darstellen konnte und unnötig durch gleich zwei verschiedene Indikatoren verkomplizieren musste, bleibt ein Rätsel. Das ist natürlich ein marginaler Bestandteil der Erfahrung und selbst an die Steuerung gewöhnt man sich nach einigen Stunden, es sind dennoch Aspekte, die einem auffallen werden.

Eine wahre Augenweide

Dass die normale PlayStation 4 noch immer eine technisch starke Maschine ist, haben in diesem Jahr mehrere Titel bewiesen. „Red Dead Redemption 2“ setzt dem noch eine Krone auf, denn die Landschaften, die Animationen, die Lichteffekte, nahezu alles, was man unter dem Aspekt „Optik“ zusammenfassen könnte, ist atemberaubend. Genaue technische Analysen werden zwar diverse Mankos aufweisen, beim Spielen fallen diese aber nicht auf. Ganz im Gegenteil, selbst wenn man weiß, wo niedriger aufgelöste Texturen vorhanden sind, stechen sie nicht aus der Kulisse heraus. Auf PlayStation 4 Pro sieht das Spiel im direkten Vergleich einen Tacken besser aus, doch man wird sich niemals über die Präsentation beschweren.

Die Bildrate ist ein anderes Thema und obwohl sie meist stabil bleibt, machen ihr einige Gebiete, vor allem Städte, zu schaffen. Die Reise wird nie unspielbar, kleine Slowdowns lassen sich aber nicht ignorieren. Umso bemerkenswerter also, dass sie nur selten in spielerisch wichtigen Situationen vorkommen und somit den Spielfluss nie behindern. Gerade abseits der Städte ist sie sogar völlig stabil und erst nach einigen Stunden fällt einem auf, dass es überhaupt leichte Einbrüche gibt. Ein Patch wäre aber definitiv wünschenswert.

Weitere Aspekte besprechen wir in unserem Podcast-Format Pixel, Polygone & Plauderei.