Es gibt Spielprinzipien, die man genauso gerne damals wie noch heute spielt. Das wohl beste Beispiel dafür ist „Tetris“. Kaum jemand, der sich mit dem Medium Videospiele befasst, wird um den Titel bisher herumgekommen sein. Jetzt nimmt sich der Meister der spielbaren Synästhesie, Tetsuya Mizuguchi, das Spielprinzip vor und wirft seine ganz eigene Version in den Ring. Warum „Tetris Effect“ zeitgleich nur ein „Tetris“ ist aber doch der wohl beste Ableger des Spielprinzips, zeigt die folgende Review.

Moderner geht es nicht

Wahrscheinlich braucht kaum jemand eine Einführung darin, was „Tetris Effect“ eigentlich für ein Spiel ist. Rein spielerisch muss man die herabfallenden Tetrominos auf einem 20*10-Feld aufbauen. Ist eine Reihe ohne Lücken bedeckt, wird diese eliminiert und das ganze Feld darüber klettert ein Stockwerk tiefer. Die Blöcke sind dabei diverse Formen, die man aus vier Blöcken machen kann. Im Fachjargon werden diese als I, O, T, S, Z, I, und J bezeichnet, was ein wenig ihren Formen entspricht. Das Spielprinzip könnte kaum simpler sein als das. Man baut den Turm auf und baut ihn durch volle Reihen wieder ab. Dazu bietet „Tetris Effect“, alles, was das moderne Fan-Herz benötigt. Sei es die Hold-Funktion, wodurch man ein Teil gleichzeitig kurz wegstecken kann und mit einem anderen austauscht, Soft- und Hard-Drops, T-Spins, wodurch man die Blöcke bei Berührung des Feldes noch drehen kann, und alle weiteren modernen Techniken. Im Spiel bekommt man die pure Dosis modernen „Tetris“ geboten.

Mit allen Sinnen

Doch einfach nur ein gutes, modernes „Tetris“ zu bieten, das sich wunderbar spielt, reichte Mizuguchi und seinem Team nicht. Damit das Spiel auch den passenden Effekt auf den Spieler hat und im Gedächtnis bleibt, befindet sich hinter, neben und in seltenen Fällen auch vor dem Spielfeld, ein wunderschöner Visualizer. In den über 30 Leveln, die von Mizuguchi passenderweise Skins genannt werden, findet die Synasthesia-Engine ihren Einsatz. Sie wurde schon bei REZ Infinite verwendet und konzentriert sich voll auf Partikel-Effekte. Dadurch werden sehr oft Formen aus Partikeln und verschiedenen Farben verwendet, die sich zur Musik bewegen. Aber auch jede Aktion des Spielers erzeugt einen zu jedem Skin passenden Effekt und Ton. Es ergibt sich am Ende eine ganz neue Erfahrung, die man so nicht von „Tetris“ kennt. Das Spiel war schon immer dafür da, um zu entspannen, aber dieses Spiel wechselt in einem die Emotionen und das Gemüt, wie auf einer Achterbahn. Bei einem Song ist man tiefenentspannt und beim nächsten wird das durch atonale Klänge und merkwürdigen Effekten wieder in die andere Richtung gelenkt. Es gibt kaum Spiele, die es schaffen, einen nur durch ihren audiovisuellen Aspekt emotional zu beeinflussen. Man würde meinen, dass man nach mehreren Stunden genug davon hat und die Effekte in den Optionen nach unten schraubt aber tatsächlich vermisst man es irgendwann wieder und stellt sie wieder an. Die Partikel gehören zu „Tetris Effect“, wie der T-Block in das passende Loch für einen T-Spin – man lässt sich diese Kombination einfach nicht entgehen.

Eine emotionale Reise

Das Spiel geht aber noch einen Schritt weiter und gibt seinen Skins im Journey-Modus einen tieferen Sinn. In diesem spielt man nacheinander 27 Level unterteilt in sieben Areale. Dabei spielt man zwischen drei bis fünf davon hintereinander und kann dann wieder mit einem bereinigten Spielfeld in das nächste Areal starten. Hat man den Modus einmal durchgespielt, gibt es auch die Chance alle 27 Songs an einem Stück zu machen. Hier wird einem auch erst deutlich, wie alles auf eine merkwürdige Art miteinander zusammenhängt. Es sind nicht unbedingt die Hintergründe, die Partikel oder die Songs, sondern die Komposition der Emotionen, die man während des Spielens spürt. Die Anstrengung wird immer wieder belohnt durch ruhigere Songabschnitte bei denen man den Turm wieder abarbeiten kann.
In diesem Moment wird einem dann wirklich klar, worum es in „Tetris Effect“ geht, das Spiel nicht nur zu spielen, sondern auch zu sehen, zu hören und zu fühlen gleichzeitig. Alle Sinne des Spielers werden gleichzeitig angesprochen und ohne es zu merken, lenkt das Spiel einen durch den Modus. Das liegt vor allem daran, dass innerhalb des Journey-Modus die Skins in drei Abschnitte eingeteilt sind, die ihre ganz eigenen Töne, Hintergrundmusik, Visualizer, Effekte und Geschwindigkeiten haben. Es muss einiges an Überlegung in das Spiel geflossen sein, um es so gut wirken zu lassen. Denn am Ende des Tages spielt man doch nur „Tetris“, ist aber so davon eingenommen, dass so gut wie jeder Spieler eine oder mehrere Gänsehaut-Momente haben wird. Wir nehmen uns da auch nicht heraus und können sagen, dass am Ende, als klar wurde, worum es geht, dann blieb das Auge auch nicht trocken. Wir wollen es an dieser Stelle auch nicht verraten aber „Tetris Effect“ ist ein besonderes Spiel, das jeder erfahren sollte.

Abwechslungsreich und herausfordernd

Um darüber hinaus aber den Spieler auch an den Bildschirm zu fesseln, gibt es gleich knapp ein dutzend Effect-Modi, die die Formel entweder noch klassischer oder noch verrückter werden lässt. In den Kategorien Klassisch, Relax, Abenteuerlich und Fokus finden sich die unterschiedlichsten Spielideen wieder. Darunter der klassische Marathon, ein Meister-Modus, wo die Tetrominios mit unglaublicher Geschwindigkeit herabfallen, Puzzle-Aufgaben, wie ganz viele All Clears in einer Minute schaffen auf einem vorgegebenen Brett mit vorgegebenen Blöcken, und die merkwürdigen Varianten, wie Mystery. In diesem gibt es immer wieder meist negative Mutatoren, die das Spielfeld oder die Art, wie und was für Blöcke fallen, beeinflussen. Damit man am Ball bleibt, gibt es für jeden Modus eine Rangliste und ein Wertesystem, das zwischen E bis SS bewertet. Wie in jedem anderem „Tetris“-Spiel ist am Ende auch der Skill entscheidend, um genug Punkte zu erhalten, aber selbst als blutiger Anfänger kann man sich durch die verschiedenen und vor allem abwechslungsreichen Modi total austoben, immer besser werden und findet hier den perfekten Einstieg in die Reihe.

Enttäuschendes VR

Jetzt denkt man natürlich, dass einen die VR-Erfahrung von „Tetris Effect“ komplett umblasen wird. Leider ist dieser aber auch der größe Wermutstropfen des Spiels, zumindest gemessen an den sehr hohen Erwartungen. Denn das Spiel wirkt innerhalb der Brille doch etwas verpixelt und unruhig. Auch die Immersion ist gar nicht so intensiv, wie gedacht. Man selbst starrt als Spieler nur auf eine 2D-Wand und alles um einen herum wirkt nicht so richtig. Hat man diesen ersten Schock aber hinter sich und spielt es einfach, um sich mehr zu konzentrieren und den geringeren Delay des Displays mitzunehmen, merkt man, dass es einen doch irgendwie fasziniert. Man wird doch von den zu sehenden Bildern und Effekten beeinflusst und eine Immersion auf eine etwas andere Art, bei der man bewusst Beobachter ist, setzt ein. Man vergisst, dass es technisch nicht unbedingt die hübscheste Erfahrung ist und spielt dann doch mehr in VR als man nach den ersten Minuten gedacht hat. Das gilt sowieso für das gesamte Spiel, das erst mit immer weiteren Sessions sein volles Potential ausschöpft.